Der Lehrer- und Mitarbeitermangel an einigen Grundschulen in Halle ist seit Jahren dramatisch. Obwohl die Situation schon bislang kaum mehr tragbar zu nennen ist, verschärft sich das Dilemma zum Jahresende noch einmal. Den Schulleitern wird pädagogisches Personal geradezu weggerissen. Die Politik aber redet über neue Computer.
Am 16. November lief im Frühprogramm des Mitteldeutschen Rundfunks ( MDR aktuell) zu fast noch nachtschlafender Zeit ein bemerkenswerter Radiobeitrag. Darin wurde die Situation Hallescher Grundschulen beschrieben, die sich in Wohngebieten mit hohem Migrant*innenanteil befinden. „Schulen an die keiner will“ - hatte die Redaktion unpassenderweise und wenig zielführend getitelt. Staatliche Grundschulen werden den Eltern nach der Postleitzahl zugewiesen und Gruselschauer in gentrifizierten Wohnküchen helfen niemandem.
Keine IKL-Sprachlehrer, keine pädagogischen Mitarbeiter
Mit wirklich deprimierter Stimme beschrieb die Direktorin der Grundschule Kastanienalle, Doris Forstner, dass sie angesichts wegfallender Stellen von pädagogischem Personal zum ersten Mal wirklich nicht mehr weiterwisse. Gemeint sind damit einerseits die zum Jahresende auslaufenden Verträge für die interkulturellen Sprachlehrer (IKL). An Doris Forstners Schule gibt es aktuell noch vier davon, jede davon mit 32 Wochenstunden dotiert und alle laufen ersatzlos zum Jahresende aus – mitten im laufenden Schuljahr. Auch von den regulären Lehrerinnen gehen demnächst zwei in den Ruhestand – Ersatz ist noch nicht in Sicht. Es gibt nicht genug Bewerbungen am Südpark.
Eine zweite wichtige Säule an Schulen mit hohem Anteil lernschwacher und nicht deutsch sprechender Schüler sind Pädagogische Mitarbeiter, so genannte PM. Diese unterstützen die Lehrer während des Unterrichtes, kümmern sich um Problemschüler, begleiten die Klassen auf dem Weg zur Schwimmhalle und leisten Betreuungsersatz, wenn Lehrer ausfallen. Und als ob der Verlust der IKL-Stellen nicht schon schlimm genug wären, muss die Direktorin aus verwaltungsrechtlichen Gründen auch noch auf ihre pädagogischen Mitarbeiter verzichten, denn auch deren Stellen liefen aus, ohne wiederbesetzt zu werden.
Grenzen von persönlichem Engagement erreicht
Bereits jetzt ist die Situation an GS Kastanienallee so, dass es trotz dieser noch vorhandenen vier zusätzlichen Sprachlehrerstellen in den zweiten und dritten Klassen Kinder dort gibt, die kaum ein Wort deutsch verstehen geschweige denn sprechen. Im MDR-Beitrag wurde eine erste Klasse als problematisch vorgestellt, in der jedes zweite Kind einen Migrationshintergrund mitbringt.
Es gibt aber zweite und dritte Klassen dort, in denen maximal nur noch zwei, drei oder vier deutsche Kinder lernen.
Bislang war es der Schulleiterin und ihren Kollegen trotz aller Schwierigkeiten noch möglich, die Situation unter den gegebenen Umständen zu meistern. Auch die junge Lehrerin Katrin Böhme im MDR Radiobeitrag erklärte, dass sie bewusst an so einer Schule arbeiten wollte, um die andere einen Bogen mit ihren Bewerbungen machen.
Während in Halle-Silberhöhe dieser Tage an einer Grundschule der Unterricht komplett ausfiel und die verbliebenen Lehrer mit ihren Schülern und Eltern demonstrierten, konnte Frau Forstner trotz hohem Krankenstand von bis zu sieben Kollegen den Lernbetrieb noch aufrechterhalten. Aber wie es 2017 weitergehen soll, ist ihr ein Rätsel. Bildung wird wieder auf vielen Wahlplakaten stehen.
>>Beitrag auf dubisthalle.de zum Schulausfall in Silberhöhe
Grafik: © Open Street map