Nach Schätzungen der International Telecommunication Union (ITU) gab es im Jahr 2013 etwa 6,8 Milliarden Mobiltelefon- Verträge auf der Erde. Die Auseinandersetzungen über mögliche Gesundheitseffekte dieser Telefone wurden von Anfang an mittels einander widersprechender Studien ausgetragen.
Einen Einschnitt stellte dabei die REFLEX-Studie der EU von 2004 dar (Risk Evaluation of potential environmental hazards From Low Energy electromagnetic field eXposure using sensitive in vitro methods). Diese Studie wies nach, dass elektromagnetische Strahlung weit unterhalb der gültigen Grenzwerte zu DNA- Strangbrüchen führen kann und deshalb als krebsfördernd anzusehen ist. Die Strahlung hat zwar nicht die Kraft, DNA-Stränge direkt zu durchtrennen, setzt aber das Erbgut und seine „Verpackung“ einem oxidativen Stress aus, der bei langjähriger Einwirkung mutagene Veränderungen in den Zellen hervorrufen kann.
Die Mobilfunk-Lobby suchte sofort nach Unstimmigkeiten und Schwachstellen in diesem Konzept und wurde schließlich 2008 fündig. Eine Gruppe von Wiener Arbeitsmedizinern hatte nach Methoden der REFLEX-Studie weitergeforscht und ein Papier veröffentlicht, das angreifbares Zahlenmaterial enthielt.
Der Bremer Mobilfunk-Lobbyist Prof. Alexander L. beschuldigte die junge Wissenschaftlerin Elisabeth K., einen Großteil der 30 000 Versuchsdaten schlicht erfunden zu haben. Da Elisabeth K. auch an der REFLEX-Studie mitgearbeitet hätte, seien auch deren Resultate anzweifelbar bis hinfällig. Besonders die in Labors und Instituten weit verbreitete werbefinanzierte Klatschpostille
„Laborjournal“ walzte die angeblichen Enthüllungen des Alexander L. breit aus.
Elisabeth K. klagte daraufhin gegen Alexander L. und das „Laborjournal“ wegen Ehrverletzung vor dem Hamburger Landgericht. Im Frühjahr 2015 erging schließlich ein Urteil, das der Klägerin in allen Punkten recht gab und den Verleumdern weitere Verdächtigungen und Unterstellungen untersagte. Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig, doch die wissenschaftliche Karriere der Elisabeth K. ist zerstört. Von 2008 bis 2015 galt sie als Fälscherin einer bedeutenden EU-Studie und sie hätte auch heute noch einen schlechten Stand in den branchentypisch harten Auseinandersetzungen um die Daten und Hypothesen experimenteller Forschung. Zu den möglichen gentoxischen Wirkungen elektromagnetischer Strahlung gibt es inzwischen mindestens neue Studien, die die These vom oxidativen Stress für DNA-Stränge stützen. Eine noch größere Anzahl von Veröffentlichungen kommt zu gegenteiligen Ergebnissen und versucht immer noch, die Resultate der REFLEX-Studie in Zweifel zu ziehen.
Seit dem Aufkommen der Smartphones sind Mittelhand und Finger einer weiter erhöhten Strahlenbelastung ausgesetzt. Besonders für jugendliche Mobilfunkkunden empfiehlt es sich also, nur kurz und möglichst im Freien mit dem „Handy“ zu telefonieren. Im Festnetz sollte man kabelgebundene Telefone den schnurlosen DECT-Geräten vorziehen. Seit neuestem wird auch vor schnurlosen Handcontrollern von Spielkonsolen wie Nintendo und X- Box gewarnt.
Dietmar Sievers