Wie wir zu kleinen machtlosen Konsumenten reduziert werden ...
Philosophie ist die Suche nach der Wahrheit und die Erforschung der Möglichkeiten, gut zu leben.
Landwirtschaft ist die Kunst, sich und seine Familie zu versorgen. Und Heiterkeit ist die wichtige Fähigkeit, sich zu amüsieren und das heißt, zu feiern, zu tanzen, zu scherzen und zu singen.
Seit der industriellen Revolution sind Philosophie, Landwirtschaft und Heiterkeit einem anderen Lebensmittelpunkt gewichen. Die Arbeit. Mittlerweile auch genannt: Lohnsklaverei. Also langweilige Arbeit für einen Anderen. Und reich werden Unternehmen, seine Aktionäre aber auch unsere bürokratischen Staatsgebilde. In der alten Welt galt die kultivierte Muße als wichtigster Teil des Lebens. Heute hat der Beruf den Vorrang. Die Kunst des eigenständigen Denkens ist aus den Schulen verbannt worden. Die Kunst, seine eigenen Lebensmittel zu erzeugen, wurde ersetzt durch den Gang zum Supermarkt. Also sind wir heute ärmer und nicht reicher geworden. Die Moderne bietet durchaus viel Positives. Aber die übertriebene Angst vor zu viel Nostalgie und vermeintlichem Rückschritt hält den Großteil der „modernen Menschen“ davon ab, die guten Dinge der Vergangenheit zu erkennen und wertzuschätzen. Wir singen Loblieder auf technologische Erfolge wie das Buch oder die Sense während wir iPhone und all die anderen modernen Technologien genießen. Wir sollten uns allerdings öfter fragen, was wohl in tausend Jahren noch existieren wird – das iPhone oder die Sense.
Ich will damit zum Ausdruck bringen, dass die alte Welt tatsächlich schöner, aufrechter und wackerer war als unsere. Wir waren kühn, frei und stark. Heute sind wir kränkliche, unterwürfige Sklaven, die nach Pharmaprodukten schreien, um bloß keine Schmerzen zu haben. Es ist ein Fehler, der alten Welt jeglichen Komfort abzusprechen! Sie war in der Tat sinnlicher und man liebte prasselndes, eigenes Feuer, Wein und Musik. Mir geht es darum, dass wir, bevor die Klimaanlagen und Konsumtempel alles nivellierten, ein Leben der Kontraste führten. Man durchlebte von drastischer Kälte bis zu sengender Hitze alles. Dem Hungern folgte die Völlerei, schmerzenden Tränen eine verzückende Ausgelassenheit. Das Leben war also voller Leidenschaft!
Heute wird Menschen beigebracht, zimperlich zu sein und die Natur sowie ihre Kreaturen zu hassen. Es sei denn, die Natur ist etwas, wohin man in den Urlaub fährt oder das man am Wochenende mit seinen Kinder anstarrt. Menschen steigen in Autos und Flugzeuge, um in irgendeinem Naturschutzgebiet ein Wochenend-Picknick zu veranstalten. Da sitzen sie nun, die ganzen Möchtegern-Modern-Menschen und sind trotzdem zu weit weg vom Boden, der das Leben bedeutet. Der Drang, körperliche und seelische Schmerzen auszuschalten ist ein Sinnbild für den modernen Menschen. In unserer komfortistisch-kapitalistischen Gesellschaftsordnung sind wir zu gleichgestellten und wohltemperierten Humankapital eingeebnet worden. Wir springen bei konstanten 20 Grad aus den Wohnboxen ins klimatisierte Auto um direkt im Arbeitslager, bei selbiger Temperatur zu landen und direkt im Anschluss das Geld im Supermarkt und CO wieder abzugeben. Wir laufen wie Kleinkinder durch die Welt und verwenden keinen Gedanken auf die befriedigende Kunst, uns einfach selbst zu wärmen. Eine Zentralheizung ist langweilig, gleichförmig, fade und schlecht für deine Gesundheit. Ihr wohnt keine Freude, kein Leben, keine Gefahr inne, und sie ist sehr teuer. Das Holzfeuer hingegen ist lebendig. Es ist ein wahrer Freund und von Natur aus gesellig. Wenn du allein bist, dann ist das Feuer für dich da. Mit dem Feuer bist du ein aktiver Mensch, indem du Holz hackst und den Schürhaken verwendest. Oder du bist passiv, indem du es einfach anstarrst und dich in unendlichen Gedanken verlierst. Feuer ist ein Vergnügen für die Sinne, weil es Hitze, Kunst, Musik und Gerüche vereint. Wer kann schon eine Zentralheizung anstarren und dabei geistreich oder menschlich sein? Geschweige denn ein Essen zubereiten. Am wichtigsten ist aber, dass ein Feuer in einzigartiger Weise dein eigenes ist. Wenn wir Öl oder Gas in Form von Fernwärme verwenden, sind wir nichts als Mitwirkende bei der Umsetzung eines Plans der herrschenden Oberschicht. Mit Zentralheizung sind wir machtlose, kleine Konsumenten. Oder baut ihr Öl an? Findet jemand von euch beim Spazierengehen weggeworfene Gasblasen? Und Elektrizität habe ich auch noch nicht am Straßenrand gefunden. All dies kann nur gekauft werden - von einem Kartell, das zumindest jedem Stadtbewohner ein weiteres Stück unserer ach so wichtigen Freiheit nimmt. Wer in der Stadt festsitzt, hat aber dennoch die Chance, wieder ein Stück weit mündig zu werden. Es gibt spezielle Holzöfen auch für Stadtwohnungen. Auch gibt es noch genug Wohnungen mit Ofen. Und all den Figur bewussten da draußen sei gesagt: Frieren hält euch schlank, gesund und macht verdammt gute Haut. Schmeißt die Zentralheizung raus und öffnet die Türen. Ihr braucht keine Diäten, Smoothies und keine Besuche im Fitnesscenter mehr. Schlagt dem BigBusiness ein Schnippchen und führt im Winter kollektive, heizfreie Wochen ein. Wenn euch kalt ist, dann geht nach draußen und zelebriert ein Lagerfeuer. Und verabschiedet euch endlich von der Annahme, dass eine geheizte Wohnung nicht schimmelt. Stoßlüften ist das Zauberwort. Ansonsten hätten ja all unsere Vorfahren im Schimmel gelebt, so ganz ohne Zentralheizung. Seit meiner Befreiung aus den Fängen der Energiemultis hat der militärische Spruch „Feuer frei“ eine völlig neue und friedliche Bedeutung für mich.
Heinrich Gallus