Kein Kreis­ver­kehr mehr am Bebelplatz

Die Give­box am Bebel­platz ist nach mehr als vier Jah­ren Hoch­be­trieb seit län­ge­rem wie­der ver­schwun­den. Die Tausch­re­ga­le waren weit mehr als ein Umsonst-Grab­bel­korb. Ein Nachruf

Es war Pfings­ten 2014, als ich mit mei­ner Fami­lie von einem Aus­lands­ur­laub zurück­kam und wir von einem bun­ten Tausch­fest Fest uns vor der Haus­tür begrüßt wur­den. Jun­ge Men­schen mon­tier­ten bei Musik, Kaf­fee und Kuchen vier Holz­kon­struk­tio­nen an die Hauswände.

Mit­ten im Stadt­raum unter frei­em Him­mel luden vier Regal­schrän­ke ein zum Geben und Neh­men - Sie wirk­ten sta­bil, waren wet­ter­fest gebaut und konn­ten auch ästhe­tisch überzeugen.
Die Give­box. war in die Welt gesetzt - ein Ort zum Ver-Schen­ken und Be-schenkt­wer­den, zum bedin­gungs­lo­sen Geben und Nehmen.

Geben und Nehmen

Die Idee dahin­ter ist bestechend ein­fach: Jede® gibt was übrig ist und nimmt sich was gera­de gebraucht wird, brauch­bar erscheint oder ande­ren nütz­lich sein könn­te. Und es war erstaun­lich zu erle­ben, wie schnell die­se Idee mit kon­kre­tem Tausch-Leben erfüllt wurde.

Inner­halb weni­ger Mona­te blüh­te eine geld­freie Waren­zir­ku­la­ti­on auf. Was für ein Über­fluss! Küchen- und Haus­halts­ge­rät, Klei­dung und Schu­he, Spiel­zeug und Lern­mit­tel, Unter­hal­tungs­elek­tro­nik und Medi­en, Bücher und Büro­ma­te­ri­al. Rah­men und Acces­soires, Fahr­rad­tei­le und Möbel....An man­chen Wochen­en­den war die Fre­quenz so hoch, dass der Inhalt der Boxen mehr­mals am Tag kom­plett wechselte.

Giveboxen sind öffentliche Orte zum Verschenken

Give­box-Ele­men­te 2014 vor der Montage

An den Rega­len konn­te man die unter­schied­lichs­ten Men­schen antref­fen - Rent­ner, Stu­die­ren­de, und Berufs­tä­ti­ge, Fami­li­en mit und ohne Kin­dern, Men­schen auf dem Weg von oder zur Arbeit, Schu­le, Kin­der­gar­ten, Men­schen die in WGS, in Eigen­tums­woh­nun­gen oder auch auf der Stra­ße leben. Wer etwas gab konn­te manch­mal gleich die­je­ni­gen ken­nen­ler­nen, die es gebrau­chen konn­ten – und umge­kehrt. Klei­ne Gesprä­che erga­ben sich – über Stil und Mode­de­ka­den, über die Künst­ler auf den Musik-CDs, über alte VHS-Fil­me und sel­te­ne Bücher, über Qua­li­tät von Holz­spiel­zeug oder Designporzellan...Verschiedene Genera­tio­nen begeg­ne­ten sich unver­bind­lich im All­tag. Ich erin­ne­re mich an einen alten Mann mit lang­sa­men Schritt, der sei­ne nicht mehr benö­tig­ten Wan­der­stö­cke brach­te. Die­se waren hand­ge­schnitzt , hat­ten die hal­be Welt gese­hen und waren mit Stadt­wap­pen über­sät. Einen beson­ders schö­nen nahm ich mit, um ihn weiterzuverschenken.

Kol­la­bo­ra­ti­on und Kontamination

In einer Face­book­grup­pe orga­ni­sier­ten sich Anwohner*innen, die sich um die Pfle­ge des Ortes küm­mern woll­ten. Denn es lief natür­lich nicht alles glatt. Immer wie­der miss­brauch­ten Men­schen den eta­blier­ten Tauschort als Sperr­müll­de­po­nie oder Müll­ei­mer. Da hiel­ten Autos von Leu­ten an, denen die Fahrt zur Stadt­wirt­schaft und die Abfall­ge­büh­ren wohl zu teu­er waren. Auch die per­ma­nen­te Par­ty tat dem Tausch­ge­dan­ken nicht gut, wenn mal wie­der die Inhal­te ein­fach auf dem Platz ver­streut wur­den, Bier­res­te und Glas­scher­ben über alles gekippt waren.

Aber unterm Strich hielt sich die Mehr­heit an die Regeln, teil­te bereit­wil­lig und hielt auch Ord­nung in den Rega­len. Im Jahr 2018 begann das Ord­nungs­amt regel­mä­ßig den Zustand zu foto­gra­fie­ren und zu doku­men­tie­ren. Der Anfang vom Ende war ein­ge­läu­tet. Anwoh­ner die sich um die Ord­nung bemüh­ten, such­ten das Gespräch mit den stren­gen Damen, weck­ten Ver­ständ­nis für das Projekt.

Auch heu­te, Mona­te nach der Demon­ta­ge, lebt die Idee ohne die Infra­struk­tur auf klei­ner Flam­me wei­ter. Lei­der wer­den die Din­ge schnell nass ohne die geschütz­ten Rega­le. Dann muss die Stadt­wirt­schaft alles ent­sor­gen. Scha­de drum.

 

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