Am Abend des 11. Mai 2015 haben ungefähr 75 Bürger vor dem Sitz des regionalen Abwasserzweckverbandes(WAZV) im Saalekreis ihren Unmut über die Preispolitik und die Öffentlichkeitsarbeit des Verbandes zum Ausdruck gebracht.
Demonstration vor verschlossenen Türen
Obwohl die Demonstration angekündigt war, hat der Verband sein Gelände abgeriegelt und nur die dürre Mitteilung an die Tür gehängt, dass zum Beginn des öffentlichen Teils der Verbandssitzung 13 Bürger Einlass bekommen. Viele Teilnehmer waren enttäuscht und wütend über die Haltung der Geschäftsführung, die sich weiterhin im wahrsten Sinne des Wortes einschließt, anstatt mit den Bürgern zu reden. Aus unserer Sicht als Netzwerk bezahlbare Kommunalabgaben ist es ein Affront, wenn nur 13 Personen zur öffentlichen Verbandstagung zugelassen werden, zumal mit etwas gutem Willen auch mehr als die doppelte Anzahl im Versammlungsraum Platz finden können.
In der Bürgerfragestunde übten die wenigen eingelassenen Bürger heftige Kritik an der Verbandsführung. Ein junger Herr beklagte die Angst, die die Briefe mit Forderungen des WAZV inzwischen bei ihm auslösen und attestierte der Führung, dass sie den Ruf des erst Anfang 2013 gegründeten Verbandes binnen kurzer Zeit ruiniert habe. Ralf Wunschinski (CDU) aus Teutschenthal warb vor der Versammlung für unseren Vorschlag des verbrauchsabhängigen Gebührenmodells und forderte eine stärkere Rückkopplung mit den Gemeinderäten. Dazu wäre auch eine Verlängerung der Ladungsfristen erforderlich. Im Gegenzug wurde er als Landtagsabgeordneter seitens der Verbandsführung für die Rahmenbedingungen verantwortlich gemacht, über die er sich jetzt beklagt. Netzwerksprecher Christof Rupf (GRÜNE) wies darauf hin, dass die Verbandsversammlung über die Ladungsfristen selbst entscheidet. Im weiteren Verlauf stellte Kurt Hambacher, Bürgermeister von Kabelsketal, den Antrag, die Ladungsfrist auf 14 Tage zu verlängern. Obwohl der Antrag von den Versammlungsmitgliedern wohlwollend aufgenommen wurde, meldete Verwaltungschef Herr Eisner internen Diskussionsbedarf an.
Positives Abstimmungsergebnis trotz massiver Kritik
Der Vorsitzende der Verbandsversammlung Andre Herzog kündigte an, dass man in der Öffentlichkeitsarbeit die Profiteure des neuen Gebührenmodells stärker mit ins Boot nehmen wolle. Bei der Vorstellung des Wirtschaftsplanes gab es Kritik: Antje Klecar, Bürgermeisterin von Wettin-Löbejün monierte, dass die neu geschaffenen Planstellen eine vergleichsweise hohe tarifliche Einstufung erhalten und selbst Mitarbeiter im Servicebereich verbeamtet werden sollen. Trotz der Gegenstimmen von Wettin-Löbejün und Kabelsketal wurde der Wirtschaftsplan von der Mehrheit angenommen.
Der Prüfauftrag für das verbrauchsabhängige Grundgebührenmodell wurde einstimmig erteilt. In der Diskussion trug Frau Klecar vor, dass die der Verbandsversammlung vorgelegten Urteile Untergrenzen für die Differenzierung definieren. Sie regte an, die Prüfung von der oberen Kommunalaufsicht durchführen zu lassen, da in der Öffentlichkeit eine sehr WAZV-freundliche Haltung der Kommunalaufsicht diskutiert werde. Kurt Hambacher wies darauf hin, dass er auf seine Anfrage zur Arbeit der Kommunalaufsicht bei der Genehmigung des neuen Gebührensatzes im Dezember 2014 bis heute keine Antwort erhalten hat. Die von Herrn Eisner vorgetragene Begründung der festen Grundgebühr mit dem Gleicheitsgrundsatz im Grundgesetz betrachten wir als missbräuchlich. Netzwerksprecher Rupf sagt dazu: „Die Anschlussinhaber nutzen das Wassernetz in sehr unterschiedlichem Maße. Geringverbraucher zahlen effektiv einen viel höheren Preis pro Kubikmeter als Großverbraucher. Hier von Gleichheit zu sprechen ist eine Verhöhnung der Betroffenen. Im Übrigen steht es einem Verband mit 2 Abrechnungsgebieten Trinkwasser und 11 verschiedenen Abwassergebührensätzen nicht gut zu Gesicht, wenn er sich auf Gleichbehandlung beruft. Der Gleichheitsgrundsatz darf nicht dazu dienen, Kosten von Großverbrauchern auf Kleinverbraucher umzuverteilen!"
Am Rande der Sitzung wurde deutlich, dass der Verband trotz aller Gegensätze mit den Bürgerinitiativen reden möchte. Unklar ist noch, ob es um eine gemeinsame Lösungssuche oder nur um die Rechtfertigung der eigenen Positionen gehen soll.
Original-Ankündigungstext für den Aktionstag und Aufruf zur Demonstration:
In der Auseinandersetzung um die massive Erhöhung der Trinkwasserpreise durch den WAZV Saalkreis haben engagierte Bürgerinnen und Bürger die Landes-Kartellbehörde eingeschaltet. Die vor ein paar Tagen eingegangenen Antworten hat der WAZV allein zu seinen Gunsten ausgelegt. Dies war unter dem Titel „Trinkwasserpreis ist in Ordnung" dem Artikel am 04.05.2015 in der MZ zu entnehmen. Dieser einseitigen Auslegung durch den WAZV widersprechen wir als Netzwerk für bezahlbare kommunale Abgaben, das sich am 31. März dieses Jahres zur Koordinierung der zahlreichen Bürgerinitiativen gegründet hat . Die Kartellbehörde des Landes hat bei ihrer Überprüfung der Entgelte die Preise mit anderen Versorgern verglichen und festgestellt, dass „ein Preishöhenmissbrauch nicht nachweisbar" sei. Das bedeutet jedoch längst nicht, dass der „Trinkwasserpreis in Ordnung" sei, weil die enormen Preiserhöhungen hier vor Ort bei der Prüfung keine Rolle gespielt haben.
Bei der Frage nach der Gestaltung der Grundpreise bestätigt die Kartell-Behörde ausdrücklich, dass der WAZV die Wahl zwischen dem bisherigen verbrauchsabhängigen Modell und den nunmehr favorisierten verbrauchsunabhängigen Grundgebühren hat. Daraus ergibt sich zwangsläufig die Frage, warum der WAZV das Tarifmodell überhaupt geändert hat. War sich der WAZV überhaupt im Klaren, welche Folgen diese Tarifänderung mit sich bringt? Und war sich der Verband der Konsequenzen bewusst, die sich aus der Kündigung des bestehenden Vertrages mit der HWS ergeben? Offenbar war dies nicht der Fall und der WAZV versucht seither, alle seine Entscheidungen zu rechtfertigen. Dazu bedient er sich immer wieder falscher Argumente und Zahlen, wie die angeblich überhöhten Wasserverluste an. Bundesweit liegen die Wasserverluste im Versorgungsgebiet gemessen an der Länge des Leitungssystems im Mittelfeld.
Die vom Netzwerk geforderte Transparenz bei der Preisgestaltung wird vom Verband vehement negiert. So gibt es bisher keinerlei Auskunft darüber, welche Kosten durch die Beauftragung von zwei Ingenieurbüros entstanden sind, die die Kalkulation für die beiden Trinkwasserversorgungsgebiete erarbeitet haben.
Wir bleiben daher bei unseren Forderungen nach einer fairen Verteilung der Kosten durch die Änderung des Gebührenmodells sowie Transparenz der Preisgestaltung und rufen deshalb alle Bürgerinnen und Bürger zum Aktionstag am kommenden Montag, dem 11. Mai ab 10:00 Uhr im Sportlerheim „Zur Laus" in Zscherben, Angersdorferstr. 2A auf. Zu diesem Zeitpunkt wird das ZDF vor Ort sein, um mit Vertretern des Netzwerkes zu sprechen. Am Nachmittag findet anlässlich der Verbandsversammlung um 17:00 Uhr vor dem Sitz des WAZV in Gutenberg, Sennewitzer Straße 7, eine Demonstration statt. Wir wollen gemeinsam unseren Forderungen Nachdruck verleihen!
Dazu hier ein Telefoninterview mit Christof Rupf auf Radio Corax.
Christof Rupf
Netzwerk Bürgerinitiative WAZV Saalkreis
openPetition | Trinkwasser: faire Preise und Transparenz im WAZV Saalkreis (4276 Unterstützer)
Foto: Geralt