Two Spirits ist eine Bezeichnung für Angehörige indigener Völker Amerikas, die sich nicht ihrem biologischen Geschlecht zugehörig fühlen, sondern dem jeweils anderen. Two-spirit-people, für die jedes Volk oder jeder Stamm sein eigenes Wort hat(te), waren Menschen mit einer besonderen Stellung im sozialen Gefüge der jeweiligen Gruppe, weil sie mit der Gabe der Einsicht in das Sein beider Seiten, d.h. beider Geschlechter ausgestattet waren. Für die indigenen Völker gab es entsprechend die (starre) Dualität Mann – Frau nicht. Two-spirit-people bildeten ein drittes Geschlecht, nicht in biologischer, sondern sozialer Hinsicht, wofür die englische Sprache den Begriff Gender verwendet und die deutsche sich leider mit dem einen Wort Geschlecht (plus Attribut) behelfen muss. Im Zuge der Kolonialisierung Amerikas sind die indigenen Kulturen gezielt zerstört worden, einschließlich ihrer Sprachen, Wertvorstellungen und Weltbilder. Auch das dritte (für manche gibt es auch ein viertes) Geschlecht und seine soziale/kulturelle Sonderstellung wurde nahezu ausgelöscht. In einigen Sprachen sind aber noch Erinnerungen und Wörter dafür vorhanden, so im Navajo „Nádleehí“.
Um einen solchen Nádleehí geht es im Film „Two Spirits“: Ein Navajo-Junge, der als weibliches Wesen auftritt, was in seiner Familie angenommen wird, in der größeren Umgebung, Fred lebt in einem Reservat in Colorado, in der Nähe der Stadt Cortez, aber Grund für Anfeindungen ist. Im Alter von 16 Jahren wird er von einem jungen Mann nicht-indigener (also europäischer) Abstammung umgebracht. Für diesen jungen Mann ist Fred „nur“ eine Schwuchtel, etwas Verächtliches, das gegen die sozialen Normen verstößt.
Freds Geschichte wird erzählt im Kontext der Two-Spirit-Bewegung, in der sich Menschen gemeinsam bewusst wurden und werden, welches Potenzial eigentlich in ihrem sogenannten Anderssein steckt, eine Bewusstseinserweiterung, ein größeres Verständnis für die scheinbar gegensätzlichen Prinzipien von männlich und weiblich.
Eine bewegende Erzählung über ein Thema, das für uns alle so wichtig ist: unser Gefangensein in dualistischen Wertvorstellungen von richtig und falsch, gut und böse, Mann und Frau ... Und wie befreiend, wenn es ein Drittes geben darf. Davon erzählt der Film auch, von der kreativen Kraft, die jenseits des Dualismus wohnt.
Im Anschluss an den Film stand die Ethnologin und Expertin für Gender Identities der indigenen Kulturen Nordamerikas Sabine Lang dem Publikum für Fragen zur Verfügung. Sie war zum Teil bei den Dreharbeiten zum Film dabei und konnte genauere Auskunft über die Idee vom dritten (und vierten) Geschlecht geben. Nichts davon ist 1:1 übertragbar, aber anregend und inspirierend in jedem Falle.
Marianne Heukenkamp
für die hallesche störung/
Der Film Two Spirits (Regie: Lydia Nibley, Deutschland 2009) lief am 8. Dezember 2013 als Globale-Film im Luchs.Kino am Zoo