Zum Baden scheint der Tag heute nicht so geeignet zu sein, viele Wolken sind am Himmel zu sehen. Aber das macht nichts, denn wir sind heute nicht nur zum Spaß am Hufeisensee: Unser kleiner Erkundungstrupp ist auf Spurensuche. Den Biber wollen wir finden – oder zumindest Spuren von ihm. Auf einem der vielen Trampelpfade nähern wir uns dem Gewässer.
Rechterhand wird hier bald der Golfplatz samt schickem Wellnesshotel entstehen. Zuerst mit 18 und später 27 Löchern Umfang soll er bis zu 800 Golffans anziehen, die sich die 750 € Eintrittsgebühr und 20 € Monatsbeitrag locker leisten können. So zumindest stellt sich Investor Norbert Labuschke das alles vor. Denn Halle ist bei seiner Einwohnerzahl die einzige Stadt ohne eigenen Golfplatz. Die eifrigen 50 aktuellen Golfspieler müssten momentan immer noch ins weit entfernte Leipzig ausweichen.
Inzwischen sind wir am See angekommen und beginnen mit unserer Suche. Der Boden sieht aus wie in Watte gepackt, so dicht häufen sich die weichen, weißen Pappelsamen. Es riecht nach unendlich vielen verschiedenen Blumen, Bäumen und Sträuchern. Überall führen schmale Wege zum Ufer, die kaum begehbar sind. Diese verzaubernde, wilde Natur möchte man sich gar nicht aufgeräumt vorstellen.
Zusammen mit dem Golfplatz sollen natürlich noch mehr Leute zum See kommen. So verwildert darf er dann nicht mehr sein. Daher soll es einen 2,5 Meter breiten asphaltierten Rundweg, Parkplätze, Zufahrtsstraßen und ausgewiesene Badestellen geben. Sicherheit und Mobilität gehen nun einmal vor.
Wie das wohl die vielen seltenen Vogelarten, wie die Rotmilane finden werden? Oder die Süßwassergarnelen, Zauneidechsen und Fledermäuse, die sich hier am Hufeisensee inzwischen heimisch fühlen? Und der gesuchte Biber sowieso…
Wir sind nun bis zur Innenkippe vorgedrungen. Hier sollte zusätzlich eine Wakeboard-Anlage entstehen, aber der Investor ist abgesprungen. Auch an unserer Kleidung haftet nun überall der weiße Pflanzen-Flaum. Wir beginnen sorgfältiger mit unserer Detektivarbeit – immerhin wurde uns von Spuren in diesem Bereich berichtet.
Jeden einzelnen Weg hin zum See untersuchen wir genau, doch wir finden nur Bäume und Sträucher mit angehackten oder abgewetzten Stellen. Was geht hier vor? Tierisches Einwirken scheint das nicht zu sein. Ein Baum trägt sogar den Schriftzug "IKEA"…will jemand etwa die Biberspuren vertuschen?
An der nächsten Lichtung spiegeln sich die Sonnenstrahlen glitzernd auf der Oberfläche des Sees. Zwischen all dem Funkeln entdecke ich eine Bewegung: Eine kleine Biene muss vor dem Ertrinken gerettet werden. Vorsichtig heben wir die Verunglückte aus dem Wasser und betrachten sie genauer. Wunderschönes fein gestreiftes Fell überzieht den Insektenkörper. Ihre Bergung allein hat den Ausflug schon lohnenswert gemacht, aber ein paar Biberspuren wären jetzt auch nicht schlecht.
Den geplanten Golfplatz würde man entweder mit Grundwasser oder Wasser aus dem See bewässern. Das saftige, tadellos grüne Gras des 18-Loch-Platzes benötigt 35.000 m³ im Jahr. Ein Mensch verbraucht während dieser Zeit durchschnittlich etwa 40 m³.
Wir treffen ein paar Jugendliche. Aus einem Pfahl und einem Seil haben sie sich eine Schaukel gebaut und an einem Baum in Ufernähe befestigt. Einer der Jungs hat ein Handtuch um die Schultern und stellt sich als "Darth Vader" vor. Sie fragen, was wir hier am See wollen. Auf unsere Antwort erklärt ein anderer, sein Vater wäre Bauherr für den Golfplatz. Unwahrscheinlich.
Einige aus der Gruppe haben inzwischen etwas Vorsprung, doch man findet sich an einem kommenden nahen Liegeplatz bei einer Pause mit Wassermelone und Schokolade wieder zusammen. Besonders große Zuversicht auf Spuren herrscht nicht mehr. Trotzdem brechen wir bald auf, um unsere Suche fortzusetzen.
Und tatsächlich: Direkt in der nächsten Einbuchtung: Ein abgeknabberter Baum! Eindeutig! Die groben Späne liegen noch rings herum. Große Freude breitet sich aus und es werden fleißig Fotos gemacht. Wir suchen in der Umgebung fiebrig nach weiteren Hinweisen auf den großzahnigen Bewohner. Dann ändert sich an einer Stelle der Boden und er wird ganz uneben. Ich gehe weiter und drohe einzubrechen – schnell trete ich zurück. Ich schaue mir den Platz näher an; das Gebilde sieht aus wie geschichtetes Schilf. Ob darunter der Biber wohnt und ich ihn nun bei seinem Nachmittagsschlaf gestört habe? Ich gehe lieber schnell weiter und lasse den möglichen Hauseigentümer ruhen.
Auf dem weiteren Weg begegnen wir immer wieder anderen Menschen, meistens Jugendlichen. Wenn wir ihnen erzählen, was wir suchen und sie danach fragen ob sie Spuren oder den Biber selbst gesehen hätten, werden wir nur belächelt oder nach etwas zum Rauchen gefragt.
An diesem Samstag gehen wir nun zielstrebiger zurück, erfüllt von Zuversicht. Die Sonne nähert sich dem Horizont und es wird langsam frischer. Als wir am anderen Arm des Hufeisens ankommen, ist der der Blick frei auf die tief stehende Sonne: Und da ist er doch, der Biber! Eine große biberförmige Wolke schiebt sich langsam über den Himmel. Wenn das mal kein Zeichen ist.
Am Mittwoch, dem 25.06. dieses Jahres stimmte der hallesche Stadtrat dem Bebauungsplan Hufeisensee mit 22 Ja-Stimmen der CDU-, FDP- und SPD-Fraktionen gegen 19 Nein-Stimmen der Grünen und Linken Stadtratsfraktion sowie vier Enthaltungen der MitBürger zu. Während die Kosten für den Bau des Golfplatzes der Investor übernimmt, trägt die Stadtverwaltung immer noch 4,5 Millionen Euro für den Ausbau der Wege, Zufahrtsstraßen, Parkplätze und Badestellen. Dazu kommen die laufenden Kosten zur Instandhaltung von insgesamt etwa 700.000 Euro jährlich. Ein naturbelassener Hufeisensee würde wahrscheinlich weiterhin weder viel Geld einbringen, noch kosten. Trotzdem wäre er unbezahlbar.
Hanna Romanowsky
Greenpeace Halle