Volksbühne: "Dein Kaiser – ein totalitäre Theatererfahrung"
Am 16.03. gab es in Halles erstem und einzigem Zimmertheater eine Uraufführung, eine eher ungemütliche (auch wenn das Wort Zimmertheater vielleicht Gemütlichkeit erwarten lässt): In „Mein Kaiser“ sollen wir Publikum „zur Teilnahme am Totalitarismus verführt“ werden, zur Teilnahme an „autoritärer Erziehung. An Tyrannei“. Und wer verführt uns? Caligula. Das ist jener römische Kaiser, der in die Geschichte als wahnsinniger Tyrann eingegangen ist.
Textgrundlage ist Albert Camus‘ Stück „Caligula“. Zwei der Rollen werden gespielt (Caligula: Jonas Schütte/ Caesonia [Geliebte Caligulas]: Jennifer Krannich). Die anderen werden auf die ZuschauerInnen verteilt: Es sind die römischen Patrizier, mit denen der Caesar so übel umspringt: Er enterbt sie, tötet und verhöhnt sie, zwingt sie zum Verrat und sogar zu Prostitution. Das sind natürlich keine angenehmen Rollen und eigentlich auch welche, auf die man sich lieber vorbereiten würde. Wer nicht pariert, ist tot, d. h. bekommt ein paar Kopfhörer mit beruhigender Barockmusik aufgesetzt und hört neben dieser nur noch den Kaiser selbst. Das alles wird von einer Videokamera aufgenommen, deren Bilder über eine Spiegelillusion ins Unendliche fortgesetzt werden.
Caligula erscheint uns als einer, der sich über alle geltenden Moralregeln hinwegsetzt und das nicht kaschiert, sondern frei heraus sagt, weil er sich als einziger frei fühlt. Ein Nihilist, der sich nimmt, was er will und vor nichts zurückschreckt. Und den, so die Idee, wir alle auch in uns tragen. Im Spiegel des Spiels erahnen wir also unsere eigene Tyrannenvisage und sind „alle schuldig“. Die läuternde Absicht: „Ich möchte, dass Sie sich heute Abend auf Ihre Angst einlassen, denn sie bringt etwas mit, und zwar Lebensmut. Sie schenkt Ihnen ein Lächeln im Angesicht von Brutalität.“ (Begleitheft)
Viel Geistreiches und Witziges ist zu hören, nicht alles davon gut zu fassen. Das Begleitheft erklärt die Grundidee und zentrale Gedanken der Aufführung.
Die beste Einstellung, um diesen angreifenden Theaterabend heil zu überstehen, ist wohl, sich mitspielen zu lassen. Also sich damit zu arrangieren, dass die Scheidung in Schauspieler und Publikum aufgehoben ist und man eben mal vom Halleschen Theatergänger zum toten römischen Patrizier wird.
Nächster Termin: Sa, 14.04. 2019.
Foto: Anna Kolata