DIE & GO - Als Mara­dona nach Leip­zig kam. Erin­ne­run­gen an gro­ße Fußballmomente

Wer wie der Autor sei­ne prä­gen­de Kind­heit und Jugend in den 1980er Jah­ren erleb­te, für den kann es als Fuß­ball­fan und -genie­ßer kei­nen Bes­se­ren und Grö­ße­ren geben als Argen­ti­ni­ens Fuß­ball­hel­den und Fili­gran- und Edel­tech­ni­ker mit dem lin­ken Zau­ber­fuß: Die­go Mara­dona! Wer zudem das unver­hoff­te und unfass­ba­re Glück hat­te, ihn am Zenit sei­nes Kön­nens und Erfol­ges wenigs­tens ein­mal live erle­ben zu dür­fen - und das auch noch in der DDR - der wird all das im Spiel und drum her­um erleb­te für immer im Her­zen bewahren.

Sie war wie die Ankunft von Außer­ir­di­schen und wie aus der Zeit gefal­len: Die Lan­dung der "Mars-Men­schen" mit ihrem "Gött­li­chen" in Leip­zig 1988: Der Welt­meis­ter von 1986, Die­go Mara­dona, und der ita­lie­ni­sche Meis­ter des Jah­res 1987, SSC Nea­pel, in sei­nen him­mel­blau­en Tri­kots mit dem "Mars"-Schriftzug "ver­süß­ten" den trü­ben und tris­ten Spät­herbst auch der DDR. Was damals noch nicht abseh­bar war: Nur genau ein Jahr nach dem 0:2 im Rück­spiel im "San Pao­lo" von Nea­pel - das nach sei­nem Tod den Namen Mara­donas bekom­men soll ("San Die­go"?) - fiel die Mau­er am 9. Novem­ber 1989. Es war zudem auch das letz­te Euro­pa­po­kal­spiel des 1. FC Lok Leip­zig. Erst 29 Jah­re spä­ter, im Sep­tem­ber 2017, soll­te es wie­der ein Euro­pa­po­kal­spiel in Leip­zig geben..

"Haupt­sa­che rein!"

"Mara­do-Napo­li ist da" lau­te­te 1988 eine Über­schrift zum Ereig­nis in der Libe­ral­de­mo­kra­ti­schen Zei­tung (LDZ) aus Hal­le. Kurz vor sei­nem 28. Geburts­tag besuch­te also tat­säch­lich Mara­dona die Mes­se­stadt Leip­zig, gab sich und uns die Ehre ... es war unglaub­lich! Das Fuß­ball­fie­ber stieg qua­si stünd­lich. Die Vor­freu­de und Kar­ten­nach­fra­ge waren natür­lich rie­sen­groß und das Spiel im größ­ten Sta­di­on der DDR selbst­ver­ständ­lich aus­ver­kauft. Schon nach den ers­ten vier Tagen waren 40.000 Kar­ten im Vor­ver­kauf abge­setzt. In der LDZ stand: "Kein Kar­ten­ver­kauf mehr - Der 1. FC Loko­mo­ti­ve Leip­zig gibt bekannt, daß eine Anrei­se zum Fuß­ball-UEFA-Cup-Spiel 1. FC Lok Leip­zig gegen SSC Nea­pel ohne Ein­tritts­kar­ten nicht mög­lich ist. Es erfolgt kein Kar­ten­vor­ver­kauf an den Tages­kas­sen.". Sol­che Mel­dun­gen haben aber Unent­weg­te und Enthu­si­as­ten wie mich nie abge­schreckt ...  Eine Ein­tritts­kar­te hat­te ich natür­lich nicht, egal. Erfah­rungs­ge­mäß und mit Gespür, Glück und Geschick bekam ich immer vor den Sta­di­en oder Hal­len eine Kar­te. (Ticket sag­te damals nie­mand!) Das klapp­te irgend­wie immer! Teu­rer, Ver­hand­lungs­sa­che, aber bezahl­bar. Haupt­sa­che rein! Die Kar­te für das Nea­pel-Spiel bekam ich für 25 DDR-Mark. (Auf der Kar­te, ein­ge­klebt auf meh­re­ren Sei­ten zum Spiel in einem mei­ner vie­len Fuß­ball-Bücher, steht: 8,10 M einschl. Sport­fonds. Eini­ges mehr als DDR-Ober­li­ga, aber dafür ...Mara­dona! Wann immer mög­lich, fuhr ich - wenn "West­mann­schaf­ten" in den "Osten" kamen - sogleich dort­hin. Rück­fahrt usw., der Rest ergibt sich ... egal wie weit, wie lan­ge, wie wenig Schlaf ... Jede Chan­ce muss­te genutzt wer­den, so vie­le gab es nicht und or allem: Wann wür­de sie je wie­der­kom­men? So mach­ten es vie­le ... und sicher noch viel exzes­si­ver, inten­si­ver und fana­ti­scher als ich. Auch als "Tran­si­tis".

Auf der Jagd nach Autogrammen

Man­ches und man­che bekam ich dadurch mit - vor und in den Sta­di­en und Hotels, in denen die Pro­fi-Mann­schaf­ten abstie­gen. Oft waren es die glei­chen Fan-Gesich­ter und vor allem das glei­che Begeh­ren, wie schwie­rig auch immer es war trotz Ord­nern und ande­ren Sicher­heits­leu­ten: mög­lichst unauf­fäl­lig auf Tuch­füh­lung gehen mit den Stars, Auto­gram­me sam­meln, Auto­gramm­kar­ten bekom­men, Fan­ar­ti­kel, Ein­tritts­kar­ten, West­kon­tak­te, Geschen­ke, Infor­ma­tio­nen, Gespräch, Tratsch, Gerüchte …

Auch wenn man viel Geduld mit­brin­gen und oft lan­ge war­ten muss­te - als DDR-Bür­ger aber dar­in geübt ... -, bis die Spie­ler, Mann­schafts­be­treu­er usw. end­lich kamen ... es lohn­te sich meist. Schon der Anblick gro­ßer west­lich-bun­ter Bus­se, Anzü­ge, Sport-Taschen, "Kul­tur­beu­tel" und ande­re (Parfüm-)Gerüche stell­te man­che wohl zufrie­den ... 🙂 Der Hauch der gro­ßen frei­en Welt ... Mir ging es jedoch v.a. um Auto­gram­me u.a. auf Sta­di­en­pro­gramm­hef­te, Ein­tritts­kar­ten und Zei­tungs­fo­tos o.ä. in mit­ge­brach­ten selbst voll­ge­kleb­ten Fuß­ball­bü­chern ... immer gut vor­be­rei­tet, um schnell die rich­ti­gen Sei­ten und schreib­fä­hi­ge Stif­te parat zu haben ... oft nicht leicht im Gedrän­ge und unter Zeit­druck und je nach Spiel­ergus­to. Die Auto­gram­me der meis­ten DDR-Fuß­bal­ler hat­te ich sowie­so bereits. Inter­es­san­ter waren daher die Auto­gram­me von Spie­lern der Gäs­te­mann­schaf­ten, die nach­zu­ah­men mir viel Spaß machte.

Rie­sen­schüs­sel Zen­tral­sta­di­on überfüllt

So fuhr ich auch schon am Vor­tag des Spiels gleich nach der Schu­le 14:07 Uhr mit dem Zug von Hal­le nach Leip­zig (oran­ge­ne DR-Fahr­kar­te: 1 Kind  038KM  01.60 M) und dann zum Abschluss­trai­ning des SSC Nea­pel ins Zen­tral­sta­di­on und zum Hotel Mer­kur, dem von Japa­nern gebau­ten größ­ten Hotel Leip­zigs, in dem sie ein­quar­tiert waren. Alles war span­nend, über­ra­schend und ergab sich oder erfuhr man irgend­wie vor Ort. Ner­ven­kit­zel ohne Ende ...!
Das Abschluss­trai­ning mit dem (fast nur) ball­jon­glie­ren­den und trick­sen­den Mara­dona sowie das gan­ze Drum­her­um waren fast inter­es­san­ter als das Spiel selbst, das unspek­ta­ku­lär war, wenn auch mit zwei wun­der­schön her­aus­ge­spiel­ten Toren (der 1:1-Ausgleich u.a. von Mara­dona vor­be­rei­tet) und einer ein­zig­ar­ti­gen Atmos­hä­re in der über­füll­ten Rie­sen­schüs­sel im eins­ti­gen "Sta­di­on der Hun­dert­tau­send" ...  So vie­le waren es bestimmt, offi­zi­ell 80.100. Wahr­schein­lich ist es das Fuss­ball-Spiel mit den "zuletzt" meis­ten Zuschau­ern bis heu­te in Deutsch­land (!). Womög­lich waren es im Jahr zuvor im Euro­pa­po­kal-Halb­fi­na­le der Leip­zi­ger gegen Girondins Bor­deaux 1987 noch mehr, da auch die Trep­pen­auf­gän­ge wohl voll waren ... aber das wird wohl nie mehr geklärt wer­den können ...

Jeden­falls wur­den die­se schon unter den lan­ge vor der Coro­na-Pan­de­mie herr­schen­den Sicher­heits­be­stim­mun­gen usw. mög­li­che zah­len- und platz­mä­ßi­ge Sta­di­on­aus­las­tung und Zuschau­er­zahl seit­dem nicht annä­hernd erreicht, nicht ein­mal in Dort­mund ...! Ein Rekord für die Ewig­keit, unter den jet­zi­gen gege­be­nen Bedin­gun­gen erst recht ... Wer das damals mit­er­lebt hat, die­se Men­schen­men­gen, das Rie­sen­ge­drän­ge und trotz­dem doch weit­ge­hen­de Dis­zi­plin, die­se unglaub­li­che Stim­mung und die mehr­fach durchs wei­te Sta­di­on­rund schwap­pen­de La-Ola-Wel­le ... a`la Mexi­co ...  Der wird sich heu­te sicher fra­gen, wie es damals alles so funk­tio­nie­ren und gut gehen konn­te, nichts oder wenig pas­siert ist, trotz man­cher Gerüch­te und Erzäh­lun­gen. Aber es waren ande­re Zei­ten ohne Sicher­heits­wahn, ohne Luxus­kom­fort und ohne Über­da­chung! Heu­te ist so etwas völ­lig unvor­stell­bar und wird es sol­che Dimen­sio­nen und Sta­di­on­aus­las­tun­gen (nicht nur wegen und seit Coro­na) nie wie­der geben.

 

Mehr als nur 90 Minu­ten auf dem Platz

Am Spiel­tag selbst führ ich 16:05 Uhr nach Leip­zig, dann sogleich zum Zen­tral­sta­di­on, um schnell eine Ein­tritts­kar­te zu ergat­tern und mich anzu­stel­len. Die Sta­di­on­pro­gramm­hef­te des Spiels waren längst alle ver­kauft. Je eher im Sta­di­on, des­to bes­ser der Platz und die Sicht. Meis­tens hat­te ich auch ein Fern­glas dabei, im Leip­zi­ger Sta­di­on sehr praktisch ...
Bereits gegen 18:30 war ich im Sta­di­on, um so viel wie mög­lich mit­zu­be­kom­men, natür­lich auch das Auf­wär­men der Mann­schaf­ten und alle Zere­mo­nien. Ich habe es nie ver­stan­den, war­um die meis­ten so spät wie mög­lich und pünkt­lich zum Spiel­be­ginn kom­men und so schnell wie nur denk­bar nach Spie­len­de (oder schon vor­her) das Sta­di­on ver­las­sen (wegen des Autos ... und mit dem Auto zum Spiel fah­ren ...). Ein Spiel ist viel mehr als nur 90 Minu­ten auf dem Platz!

"Ich habe es nie ver­stan­den, war­um die meis­ten so spät wie mög­lich und pünkt­lich zum Spiel­be­ginn kommen."

Nach dem Spiel ver­weil­te ich also noch im Sta­di­on und fand danach wie öfters trotz Ord­nern den Weg ins Sta­di­on­in­ne­re, vor allem dort­hin, wo der Bus in der rie­si­gen Durch­fahrt auf die Spie­ler, Trai­ner, Betreu­er und Offi­zi­el­len war­te­te ... Natür­lich woll­ten auch an die­sem Ort die meis­ten nur Mara­dona sehen. Aber er spiel­te nicht allein, son­dern u.a. mit den bra­si­lia­ni­schen Star- und natür­lich Natio­nal­spie­lern Care­ca und Ale­mao. "Ale­mao" ist sein Künst­ler­na­me, ein Spitz­na­me, den er auf­grund sei­ner hel­len Haut­far­be und blon­den Haa­ren erhielt. Der Wer­de­raner Die­ter Eilts, der ein Jahr spä­ter mit Wer­der Bre­men den SSC Nea­pel über­zeu­gend aus­schal­te­te, bekam danach den ver­dienst­vol­len "Künst­ler­na­men" ... "Frie­sen-Ale­mao" 🙂 Ja, die Süd­ame­ri­ka­ner zau­ber­ten, unter­stützt z.B. vom ita­lie­ni­schen Natio­nal­spie­ler mit dem pas­sen­den Nach­na­men Fer­nan­do di Napo­li und dem jun­gen Ciro Fer­ra­ra. Von Care­ca und di Napo­li bspw. bekam ich Auto­gram­me ... und schließ­lich auch eines von Mara­dona. Wie immer schrieb er vom Bus­fah­rer-Sitz aus. Alle Uten­si­li­en, Stif­te, Blät­ter, Hef­te usw. wur­den durch das geöff­ne­te Fens­ter durch­ge­reicht. Ein schö­nes Foto davon war im "Deut­schen Spor­techo" zu sehen, Bildunterschrift:

"(Fünf Ster­ne) für DIEGO ARMANDO MARADONA. In allen Sät­teln wird der "Gold­jun­ge" sei­nem Ruf gerecht. Selbst auf dem des Bus­fah­rers, um bes­ser Auto­gram­me zu geben."

Tat­säch­lich hat­te ich irgend­wie am Bus auf einem Zet­tel ein Auto­gramm von DIEGO erkämpft und bekom­men - Wahn­sinn! Nur weni­ge Minu­ten dau­er­te lei­der mei­ne Freu­de dar­über an, als mich vor der Aus­fahrt ein jun­ger Mann dar­auf ansprach und es sehen woll­te. Nichts­ah­nend und viel­leicht etwas naiv - obwohl man durch­aus mal sei­ne "Errun­gen­schaf­ten" vor­zeig­te oder jeman­den danach frag­te - zeig­te ich es ihm. Er griff sogleich zu und lief davon ... Wie Ben John­son und ich auch noch mit Tasche gehan­di­capt ... Ich hin­ter­her, aber letzt­lich kei­ne Chan­ce ... Dumm gelau­fen ... Unter der ein­ge­kleb­ten DR-Fahr­kar­te habe ich geschrie­ben: "23:57 Rück­fahrt (demo­ra­li­siert)" Aber das ist längst ver­ar­bei­tet und ver­ges­sen, denn viel mehr als der Kra­kel von Mara­dona (der schö­ner zur Fuß­ball-WM im "Spor­techo" gedruckt wur­de) zähl­te doch (ange­lehnt an den nea­po­li­ta­ni­schen Som­mer­hit des Jah­res 1984: "Oh Mama, Mama, Mama, ich habe Mara­dona gese­hen."): Ich habe Mara­dona wirk­lich live gese­hen, sogar aus der Nähe, mehr­fach. Und - o.k., scha­de - ich hat­te mal kurz ein Auto­gramm von ihm ... (Dafür aber vie­le ande­re.)  Ja, es gab ihn wirk­lich, und mit nur 1,65 Meter Kör­per­grö­ße. Noch 10 cm klei­ner als ich ... (Im Fern­se­hen wir­ken sie immer grö­ßer.) Aber er war ein ganz Gro­ßer, der Mil­lio­nen begeis­ter­te und ansteck­te mit sei­ner unbän­di­gen Spiel­freu­de und -tech­nik. So bleibt er in Erinnerung!

"Mara­dol­lar" bei Bar­ca gegen den SV Meppen

Mara­dona gab sein Pro­fi­de­büt am 6. Geburts­tag des Autors die­ser Zei­len, der davon natür­lich nichts mit­be­kam :-).  Zuerst nahm ich ihn bei der Fuss­ball-WM 1982 wahr, bei der er aber kei­ne gute WM spiel­te, auch weil er viel getre­ten wur­de. Nega­ti­ver Schluss­punkt für ihn (und Argen­ti­ni­en) war die Rote Kar­te nach einem gro­ben Foul im Spiel gegen Bra­si­li­en. Auch des­sen Vor­ge­schich­te hat Mara­dona in sei­ner Bio­gra­phie erklärt. Den Ehren­tref­fer zum 1:3 eben­falls kurz vor Schluss erziel­te Ramon Diaz, der auch eine Sai­son in Nea­pel spiel­te, Tor­schüt­zen­kö­nig bei der U20-WM 1979 in Japan und gemein­sam mit Mara­dona Fuss­ball-Welt­meis­ter der Junio­ren. Diaz war es übri­gens auch, der den letz­ten aus­län­di­schen Tref­fer vor dem Mau­er­fall in der DDR schoss (!)
Es geschah am 1. Novem­ber 1989 in (Ost-)Berlin im Euro­pa­po­kal der Pokal­sie­ger beim Spiel BFC Dyna­mo - AS Mona­co, als Diaz mit einem herr­li­chen Frei­stoß kurz vor Ende der Ver­län­ge­rung die BFC-Euro­pa­po­kal­his­to­rie been­de­te ... Der Autor die­ser Zei­len war dabei eben­so anwe­send wie bei den letz­ten Europapokal(heim)spielen des Chem­nit­zer FC und 1. FC Mag­de­burg ... wohl für alle Zeit ...   Aber wel­ches Spiel war 1989 - 1991 nicht "his­to­risch"?

Jenes 1:3 Argen­ti­ni­ens gegen Bra­si­li­en 1982 ging im "Sar­ria" von Bar­ce­lo­na über die Büh­ne. Ins grö­ße­re Sta­di­on der Stadt, ins "Camp Nou", wech­sel­te Mara­dona nach jener WM, zum FC Bar­ce­lo­na. Sein Wech­sel nach Euro­pa voll­zog sich jedoch sozu­sa­gen eine Spiel­zeit zu spät, sonst hät­te er bereits weni­ge Mona­te zuvor im Pokal­sie­ger-Wett­be­werb in Leip­zig beim 1. FC Lok spie­len kön­nen, am 3. März 1982 im Zen­tral­sta­di­on. Bar­ca mit Trai­ner Udo Lat­tek hol­te danach den Cup, zu Hau­se im "Camp Nou". Als danach Mara­dona dort ein­traf und auf­grund sei­ner hohen Ablö­se­sum­me "Mara­dol­lar" genannt, führ­te ihn der Zufall zum ers­ten Spiel mit sei­nem neu­en Ver­ein nach Mep­pen ins Ems­land! Gegen den SV Mep­pen gab er also Anfang August 1982 sein Bar­ca- und Euro­pa-Debüt! Auf die­se inzwi­schen oft erwähn­te kurio­se Anek­do­te brau­che ich hier nicht wei­ter eingehen.

 

"FC Mara­dona" in Magdeburg

"FCM zer­brach am Fuß­ball total des "FC Mara­dona" 1:5 gegen Welt­klas­se­geg­ner / Bar­ce­lo­na klar überlegen

(So titel­te die LDZ und Sport­re­dak­teur Axel Mei­er nach dem Euro­pa­po­kal-Hin­spiel der Pokal­sie­ger vom 14. Sep­tem­ber 1983)

Weni­ger bekannt ist viel­leicht, dass Mara­dona etwa ein Jahr spä­ter sei­nen ers­ten Auf­tritt in der DDR hat­te und dass die Mag­de­bur­ger das unglaub­li­che Glück hat­ten, den noch halb­wegs "unzer­stör­ten" Mara­dona mit einer Tor-Gala (3 Tore) zu erle­ben, nur zehn Tage vor des­sen viel­leicht ers­ter gro­ßer Ver­let­zung nach einem bru­ta­len Foul von Ando­ni Goi­koetxea, dem "Schläch­ter von Bil­bao", wie geti­telt wur­de. Im Rück­spiel des 1. FCM fehl­te der noch 22-jäh­ri­ge Mara­dona bereits und fiel über drei Mona­te ver­letzt aus, das rest­li­che Jahr 1983.
Als ein­zi­ger DDR-Spie­ler war Dami­an Hala­ta 1983 für Mag­de­burg und 1988 für Leip­zig gegen Mara­donas Klub­mann­schaf­ten dabei. 1988 ergat­ter­te Hala­ta Mara­donas Tri­kot, das er nun (in) einer Zei­tung zeig­te. Kurz-Aus­zug aus einem Mara­dona-Inter­view in der LDZ vor dem Leip­zig-Spiel (Er hat­te zuvor von Video-Stu­di­en Leip­zi­ger Spie­le gespro­chen.): Fra­ge (Wolf-Diet­rich Bal­ze­reit): "Wer fiel Ihnen bei Lok beson­ders auf?" Ant­wort: "Vor allem Dami­an Hala­ta, den ich noch vom Spiel in Mag­de­burg ken­ne. Nach sei­nen fünf Toren sind wir gewarnt." Fra­ge: "Mit dem FC Bar­ce­lo­na gewan­nen Sie damals 5:1 in Mag­de­burg. Den­ken Sie in Leip­zig an ein ähn­li­ches Ergeb­nis?" Ant­wort: "Wir sind hier­her gekom­men, um zu gewin­nen. Mit dem Spiel vor fünf Jah­ren läßt sich die Par­tie nicht ver­glei­chen. Jedes Spiel läuft anders. Aber ich glau­be, der SSC Nea­pel ist noch bes­ser besetzt als Bar­ce­lo­na sei­ner­zeit." Übri­gens: Hala­ta war erst kurz vor Sai­son­be­ginn 1988/89 nach Leip­zig gewech­selt. Im Som­mer 1988 sah ich ihn noch beim IFC-Spiel der Mag­de­bur­ger gegen Bay­er 05 Uer­din­gen (1:2) mit Trai­ner Rolf Schaf­stall, der unlängst starb.

Das Los führ­te 1983 die Pokal­sie­ger Spa­ni­ens und der DDR in der 1. Run­de zusam­men. Das Hin­spiel in Mag­de­burg fand vor 32.000 Zuschau­ern statt und war von Spiel­be­ginn an eine kla­rer "Klas­sen­un­ter­schied". Es ende­te mit 1:5 (0:2) u.a. durch die drei Tore von Mara­dona (14., 76., 79. Foul­straf­stoß). Aus­zug aus der LDZ: "Die ers­te "Fal­le" schnapp­te bereits zu, ehe eini­ge Spie­ler des DDR-Pokal­sie­gers über­haupt rich­tig zur Sache gin­gen. Kapi­tän Pom­me­ren­ke ver­tän­del­te das Leder im Mit­tel­feld gegen Schus­ter, blitz­schnell trat Mara­dona an, flank­te haar­ge­nau auf den Kopf des BRD-Aus­wahl­spie­lers, und schon war es pas­siert: 0:1 nach 120 Sekun­den. "Einen schlech­te­ren Anfang hät­te es nicht geben kön­nen", ärger­te sich FCM-Schluß­mann Dirk Hey­ne." Der FC Bar­ce­lo­na "hat­te im schwarz­lo­cki­gen Wir­bel­wind Die­go Arman­do Mara­dona, der über den regen­nas­sen Rasen feg­te wie ein Orkan über die Pam­pa sei­ner argen­ti­ni­schen Hei­mat, den über­ra­gen­den Mann auf dem Platz."

Bar­ca-Trai­ner Luis Cesar Menot­ti, Argen­ti­ni­ens Welt­meis­ter­trai­ner von 1978, wird zitiert: "Durch die frü­hen Tore­Der Spiel­be­richt endet mit die­sen Sät­zen: "Was folg­te, war das Reagie­ren einer voll­ends demo­ra­li­sier­ten Elf gegen das Agie­ren der spa­ni­schen Welt­klas­se­ver­tre­tung. Im Mit­tel­feld lie­fen Witt­ke (gegen Schus­ter), Pom­me­ren­ke (gegen Alon­so) und Stein­bach (gegen Vic­tor) ihren Gegen­spie­lern fast nur hin­ter­her. Cra­mer konn­te Mara­dona nun nicht mehr stel­len. Die Spa­ni­er erstick­ten durch ihr nun vor­züg­li­ches Fore­che­cking zudem jede Angriffs­ent­wick­lung der Mag­de­bur­ger im Keim. Vie­le Bäl­le wur­den schon an der Mit­tel­li­nie abge­fan­gen, und dann brann­te es bei den schnel­len Steil­durch­brü­chen jedes­mal lich­ter­loh. Die bei­den Tore zum 1:4 und 1:5, und wei­te­re kla­re Gele­gen­hei­ten (u.a. Lat­ten­schuß Schus­ters) doku­men­tier­ten die Über­le­gen­heit des Fuß­ball total bie­ten­den "FC Mara­dona". "Wir stan­den wie das "Kanin­chen vor der Schlan­ge". Der Geg­ner, der zu den bes­ten Klub­mann­schaf­ten der Welt gehört, hat uns gezeigt, wie man Fuß­ball spie­len kann", aner­kann­te FCM-Trai­ner Claus Kreul.
Auf dem Schwarz-Weiß- bzw. Schwarz-Grau-Foto ist nicht viel zu erken­nen, am schlech­tes­ten Mara­dona, der viel­leicht zu schnell für die Kame­ra oder den Foto­gra­fen war? Bild­un­ter­ti­tel: "AUSNAHMEKÖNNER. Die­go Arman­do Mara­dona, der sich hier gegen sei­nen Bewa­cher Gerald Cra­mer (rechts) durch­setzt, unter­strich mit drei Toren in Mag­de­burg sei­ne Extraklasse."

Aber auch ein Aus­nah­me­kön­ner wie Mara­dona schoss nicht in jedem Spiel Tore und gleich drei auf ein­mal auch nicht all­zu häu­fig. Inso­fern hat­ten die Mag­de­bur­ger Zuschau­er Glück. Doch Mara­dona konn­te viel mehr als Tore schie­ßen! (Sport­lich gese­hen - und dabei möch­te ich es belas­sen. 🙂  Dass er leb­te wie er spiel­te - immer am Limit - ist hier nicht das Thema.
Denn er hat­te es auch schwer durch sei­ne fuß­bal­le­ri­sche Extra­klas­se und Genia­li­tät, mit sei­ner rie­si­gen Popu­la­ri­tät als Volks­held, dem Erfolg, dem vie­len Geld und im viel­zi­tier­ten "gol­de­nen Käfig" klar­zu­kom­men, aus dem er immer mehr aus­zu­brach, und mit all den Begehr­lich­kei­ten, Mög­lich­kei­ten, Pro­ble­men und Gefah­ren: Seid umschlun­gen, Mil­lio­nen! Seid ver­schlun­gen, Mil­lio­nen ...  Das Leben, der Lebens­stil, die Dro­gen, die Volks­nä­he, der Ruhm - all das hat­te sei­nen Preis.


Aus­zug aus einem "Sportecho"-Interview mit Mara­dona im Hotel "Mer­kur" in Leip­zig vor dem Spiel am 26. Okto­ber 1988:

Fra­ge (JENS MENDE): "Haben Sie wie­der wie vor fünf Jah­ren in Mag­de­burg Ihre gan­ze Fami­lie als Unter­stüt­zung mitgebracht?"
Ant­wort: "Nein. Mit dem SSC ist dies auch nicht mehr nötig. Ich bin jetzt wesent­lich ruhi­ger als beim FC Bar­ce­lo­na, denn ich füh­le mich in Nea­pel wie zu Hause."


Gefoult & attackiert

Und wie häu­fig wur­de Mara­dona gefoult ... atta­ckiert, umge­tre­ten oft von rabia­ten fuß­bal­le­risch limi­tier­ten Spie­lern, die sich nicht anders zu hel­fen wuss­ten gegen sei­ne Spiel­kunst und ihn "mit allen Mit­teln aus­schal­ten" soll­ten. Weni­ge Video­se­quen­zen rei­chen aus, um Mara­dona stän­dig gefoult am Boden lie­gend mit schmerz­ver­zerr­tem Gesicht und flu­chend zu sehen ...  Ins­be­son­de­re in den 1980er Jah­ren herrsch­ten rau­he "(Un-)Sitten" gegen alle, die bes­ser spie­len konn­ten. Von den Schieds­rich­tern wur­den sie oft nicht aus­rei­chend geschützt ...  Kon­se­quen­tes Kar­ten­zei­gen wie heu­te und Video­be­wei­se gab es noch nicht, bru­ta­le Fouls und schwe­re Ver­let­zun­gen waren an der Tages­ord­nung. Bun­des­li­ga-Rekord­hal­ter Klaus Gja­su­la, was die Anzahl an Gel­ben Kar­ten in einer Spiel­zeit angeht (17 in der Bun­des­li­ga-Sai­son 2019/20 für den SC Pader­born, spiel­te zuvor beim HFC), ist mit sei­nen vie­len tak­ti­schen und klei­nen Fouls fast noch ein "Wai­sen­kna­be" im Gegen­satz zu den vie­len gro­ben und rüden Fouls (mit oft bewusst in Kauf genom­me­nen Ver­let­zungs­fol­gen) der Abwehr­spie­ler-Genera­tio­nen vor ihm.

Zehn Tage nach dem Spiel in Mag­de­burg wur­de Die­go beim Spiel des 4. Spiel­ta­ges 1983/84 gegen Athletic(o) Bil­bao am 24. Sep­tem­ber 1983 von Ando­ni Goi­koetxea (dama­li­ge und ande­re Schreib­wei­se hier: Goi­coechea) bru­tal von der Sei­te gefoult. Auch die­se schlim­me Sze­ne hält you­tube natür­lich bereit ... Des wei­te­ren fin­det man diver­se Zei­tungs­ar­ti­kel und Berich­te schnell und Über­schrif­ten wie die­se: "Der "Schläch­ter von Bil­bao" haut Mara­dona mit der bru­tals­ten Blut­grät­sche aller Zei­ten um" ...  Jeden­falls wur­de Goi­koetxea 2007 in der "Times" auf einer Lis­te der 50 här­tes­ten Spie­ler aller Zei­ten auf Platz 1 ein­ge­stuft und eben­so 2013 in "11 Freun­de" in der Rang­lis­te zum här­tes­ten Spie­ler aller Zei­ten gekürt ...  Das Foul an Mara­dona hat­te unver­meid­lich auch eine Vor­ge­schich­te (z.B. schwe­res Foul an Bernd Schus­ter, der auch lan­ge aus­fiel) und "Nach­spiel" im Pokal­fi­na­le 1984, sodass Mara­dona nach Nea­pel "floh" ...  Auch die­se Tumul­te kann man sich anschauen.

Ganz unschul­dig und uncle­ver war Die­go Mara­dona selbst­re­dend auch nicht: Vier Jah­re nach der "Hand Got­tes" in Mexi­ko - es war die lin­ke - sorg­te Mara­donas rech­te Hand für Ärger. Nach dem über­ra­schen­den 0:1 im Eröff­nungs­spiel gegen Kame­run brauch­te der Welt­meis­ter am 13. Juni 1990 aus Mara­donas Heim­spiel in Nea­pel gegen die Sowjet­uni­on unbe­dingt einen Sieg. Dem 2:0-Erfolg durch Tore von Tro­glio (27.) und Bur­rucha­ga (79.) - 1986 Sieg­tor­schüt­ze - half der erfah­re­ne Schieds­rich­ter Erik Fre­driks­son aus Schwe­den auf die Bei­ne, als er über­sah, dass Mara­dona Oleg Kus­net­zows Kopf­ball auf der Linie mit der Hand auf­hielt. Luis Sua­rez (der aller­dings "Rot" bekam) bei der WM 2010 lässt grü­ßen ...   Auch gegen ein ande­res (noch-)sozialistisches Land hat­te Mara­dona 1990 "Glück im Unglück": Im Elf­me­ter­schie­ßen gegen Jugo­sla­wi­en traf Die­go Mara­dona nicht. Letzt­lich kam Argen­ti­ni­en glück­lich wei­ter, da zuletzt ein Bos­ni­er ver­gab ...  Im Fina­le war irgend­wann Argen­ti­ni­ens Glück aufgebraucht.

Du warst der Größ­te! MUCHOS GRACIAS!

Als wäre es abge­spro­chen gewe­sen oder "insze­niert" wor­den, die­se Dra­ma­tur­gie: Einen Tag, bevor Die­go starb, mach­ten gro­ße finan­zi­el­le Pro­ble­me des SSC Nea­pel inter­na­tio­na­le Schlag­zei­len: Die Spie­ler hät­ten seit Mona­ten kei­ne Gehäl­ter bekom­men, mäch­ti­ge Unru­he etc.  Dann der tie­fe Schock mit der Todes­nach­richt ihres "unsterb­li­chen Hei­li­gen" DIEGO. Wie­der­um einen Abend spä­ter gewann SSC Nea­pel in der Euro­pa League gegen den FC Rije­ka 2:0. Die lan­ge Fackel-Cho­reo in Nea­pel ging um die Welt. Was für eine (zu erwar­ten­de) welt­um­span­nen­de tie­fe Trau­er und ech­te Anteil­nah­me, nicht nur in Argen­ti­ni­en und Neapel ... !

Viel wäre noch zu bemer­ken, in Erin­ne­run­gen zu schwel­gen, von Toren und Tricks zu schwär­men uvm. So man­ches könn­te der Autor, übri­gens auch ein fei­ner Links­fuß (1983÷84 antrai­niert :-), noch aus unend­li­chen Sei­ten und aus­ge­schnit­te­nen und ein­ge­kleb­ten Arti­keln über und von Mara­dona zitie­ren ... ins­be­son­de­re von der Fuß­ball-WM 1986 und eben von des­sen legen­dä­ren Auf­tritt in Leip­zig 1988. Aber es sei damit belassen.

Ich erin­ne­re (mich) an die vie­len schö­nen Spiel­zü­ge, unver­ges­se­ne Spie­le; ich ver­wei­se auf die zahl­lo­sen Vide­os, die sei­nen fuß­bal­le­ri­schen Glanz für die Nach­welt wei­ter strah­len lassen!

DIEGO - Du warst der Größ­te!  DANKE! MUCHOS GRACIAS!

R.I.P.     (Mara)dona nobis pacem

Andre­as Thulin, Hal­le (Saa­le)
30.11.2020








 

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