Ende Oktober fand im Gemeindehaus St. Briccus ein Tischgespräch mit Menschen aus dem Stadtteil Halle-Trotha und der Bürgerstiftung statt. Die Gespräche sind Teil des partizipativen´Projektes „Halle besser machen“, das im Oktober 2021 mit einer Abschlusskonferenz enden wird.
Neben der Moderatorin und dem Gastgeber der Räumlichkeit konnten unter Beachtung aller Schutzmaßnahmen zwölf Gäste an den Gesprächen teilnehmen, darunter auch der Autor dieser Zeilen. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde wurden die konkreten Verbesserungsideen aufgenommen – auffällig viele davon betrafen die Umwelt. Anschließend sortierten sich die Teilnehmenden in kleinen Gesprächskreisen. Aus diesen heraus sollten ähnliche Anliegen verknüpft werden und nach Lösungen gesucht werden. Abschließend fanden sich alle wider gemeinsam zusammen, um die Ergebnisse abzugleichen.
Konkrete Vorschläge für Trotha
Was waren nun die gewünschten Veränderungen in Halle Trotha? Drei wesentliche Punkte konnten sich festigen.
Lebensfeld Wiesen schützen
Um etwas gegen das Insektensterben, für den Artenerhalt und die biologische Vielfalt im Stadtgebiet zu tun sollten die vielen Rasenflächen im Stadtteil nicht mehr flächig gemäht werden. Weiterhin wünschen sich die Anwohner*innen Blühstreifen oder -inseln. Eine gestaffelte Mahd soll zu dem in der Wiese lebende Insekten ein Überwechseln in "sichere" Bereiche ermöglichen.
Mehr Augenmaß beim Beschnitt von Sträuchern und Gehölzen
Zum Zweiten stören sich anwesende Bürger*Innen an den üblichen radikalen Rückschnitten von Gehölzen und Sträuchern. Oft sind ganze Straßenzüge davon betroffen, weil die Arbeiten von Gartenbaufirmen ausgeführt werden und die großen Wohnungsunternehmen scharf kalkulieren. Doch für die darin lebenden Vögel und Insekten werden jedes mal Katastrophen verursacht. Plötzlich ist Nahrungsgrundlage, Unterschlupf und Ansitz weg. Es dauert dann meist einige Jahre, bis sich die Gehölze entsprechend erholen können. Doch spätestens dann droht die Folgekatastrophe. Wünschenswert wäre nach Ansicht der aktiven Bürger*innen aus Trotha also eine Beschneidung von höchstens immer nur einem Drittel der Bepflanzung. So können sich Lebewesen entsprechend besser anpassen. Nebenbei bemerkt leisten Gehölze ja auch noch Lärmschutz, Luftverbesserungen und Schatten.
Wege und Naturpfade sichern
Zum Dritten wurde festgestellt, dass durch mangelnde Kapazitäten des Grünflächenamtes der Stadt einige Wege halb oder gar ganz aufgegeben wurden. Das ist als schlecht anzusehen, da doch die Liebe zur Natur nur gestärkt werden kann, wenn Menschen die Möglichkeit bekommen, sich in ihr zu bewegen, sich in ihr wohlzufühlen. Besonders für Kinder stellen Wege durch die Natur wichtige Pfade fürs Leben her. Die Teilnehmer wollten diesen Wert herausarbeiten und für Wege in Trotha kämpfen.
Konkrete Beispiele dafür sind zum einen der Weg an der Saalepromenade, welcher zwischen Trotha und dem Viertel Giebichenstein über die Klausberge verläuft. Dieser untere Weg wächst von Jahr zu Jahr mehr mit Brombeeren zu. Eine einmalige Beschneidung der Triebe im Spätsommer ist nicht ausreichend. Dank Wanderer, welche mit Gartenschere bewaffnet sind, ist der Weg noch passierbar. Die Beschaffenheit des Untergrundes ruft ebenfalls nach Sanierung.

Bedrohtes Kleinod: Trothaer Wäldchen
Zum anderen ist ein Weg östlich entlang der Bahn zwischen Geschwister-Scholl-Straße und dem Karl-Ernst-Weg seit circa drei Jahren unpassierbar geworden. Dieser Weg stellte einen Zugang zum beliebten Trothaer Wäldchen her, um dessen Erhalt sich in letzer Zeit ein erbitterter Kampf eröffnet hatte. Wir berichteten über den naturschturelevanten Umbau und deren Proteste 2019. Mittlerweile hat sich quer über den Acker aus Richtung Karl-Ernst-Weg ein Trampelpfad gefestigt, welcher den nördlichen Zugang zum Wäldchen illegal sichert. Illegal deshalb, weil der Zugang zum Wäldchen durch die beauftragte Firma gesperrt wurde. Den Weg wieder durchgängig zu machen, sehen die Teilnehmer von Vorteil, da so eine Runde zum Spazieren wieder möglich wird, welche über Jahrzehnte bestand. Nebenbei bemerkt, war dieses Areal ein sehr beliebter Rodelberg. Ob die Klimaerwärmung solch Kinderfreuden jemals wieder zulässt, ist zu bezweifeln.
Hamburg gab das Beispiel
Halle besser machen wird davon leben, dass möglichst viele Bürger*Innen davon Gebrauch machen. Nicht nur die Eingabe von Ideen ist dabei wichtig und wertvoll sondern mindestens ebenso das Engagement und Mitwirkung bei der Umsetzung und öffentlichen Überprüfung.
1959 gründete in Hamburg Herr Kurt A. Körber eine Stiftung, mit deren Hilfe die Stadt Hamburg alle Bürger mitnehmen wollte, Verbesserungen einzubringen. Die Körberstiftung war ein voller Erfolg. Sie war vor allem beispielhaft für andere Städte in Deutschland. Im Juni 2020 setzte sich die Bürgerstiftung Halle mit der Körberstiftung in Verbindung und heraus kam ein phantastisches Projekt: Halle besser machen.
Hoffnung und Tatkraft im Miteinander

volle Ideenkarte für Halle
In Halle startete die Aktion mit der Freischaltung einer Website zur Eingabe und Darstellung von Ideen und Vorschlägen. Diese werden zu verschiedenen Themen gesammelt: Wirtschaft, Umwelt, Kultur und Freizeit, Integration, Wohnen und Soziales, Bildung, Mobilität und alle sonstigen Anliegen. Es folgten digitale Infotreffen und dann die Tischgespräche, welche im Oktober 2020 zum Abschluss kamen. In Zeiten der Corona-Pandemie fanden alle Gespräche mit dem nötigen Abstand und den vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen statt. Aktuell werden nun in Ideenwerkstätten die Umsetzungen angegangen. Und immer parallel dazu läuft eine Onlinebeteiligung. Wer sich also auf die Seite Halle besser machen wählt, der gelangt auf eine Stadtkarte von Halle, in der alle Ideen sichtbar sind.
Man kann den Urhebern der Stiftung und den bereits sehr engagierten Bürgern*Innen nur viel Erfolg wünschen, diesen eingeschlagenen Weg konsequent weiter zu gehen. Für unsere Demokratie und unsere direkte Mitbestimmung ist „Halle besser machen“ ein Meilenstein. Eine (Stadt)Gesellschaft, welche im Miteinander Probleme benennt und gemeinsam an deren Lösungen mitwirkt, erscheint zukunftsfähig und hoffnungsvoll.
Steffen Neubert
Grafik Collage: Robert Voss/ Openstreetmap