Am 3. Dezember wurde der Baubeginn zum sogenannten Lückenschluss des Autobahnringes um Halle und Leipzig mit einem symbolischen Spatenstich besiegelt. Die protestierenden Bürger*innen wurden durch viel Polizei vom Ort des Geschehens fern gehalten. Zu Begegnungen zwischen der feiernden Lobby und Gegnern kam es dennoch. Ein Kommentar
Alle geladenen Gäste und Entscheidungsträger aus der Politik mussten mit ihren großen schwarzen Limousinen direkt an den Demonstranten vorbei fahren. Zwischen beiden Fronten konnte sich die Presse frei bewegen. Sie war bemüht, viele der bunt gemischten Demonstranten zu befragen. Angereist waren Mitglieder der Bürgerinitiative Unteres Saaletal, des NABU, der Umweltschultzbewegungen 'Fridays for future' - oder ,Extinction Rebellion' , aber auch Menschen ohne offensichtliche Zuordnung zu Organisationen. So hatte auch eine Gruppe Jugendlicher mit fünf Ponys aus Brachwitz den weiten Fußweg auf sich genommen, um gegen die Eröffnung zu protestieren.
Viele Fragen der Reporter richteten sich nach der Sinnhaftigkeit des Protestes, da die Rechtsprechung den Bau ja genehmigt hätte. Für die Demonstranten stellt sich die Frage jedoch anders. Wieso muss ausgerechnet jetzt, wo das EU-Parlament den Klimanotstand ausgerufen hat, wo der Weltklimarat tagt, wo die dramatische Faktenlage der Erderwärmung deutlicher denn je wird, eine nutzlose Autobahn durch eines der wertvollsten Naturhabitate Mitteldeutschlands gebaut werden? Gerade dieser Baubeginn unterstreicht also sehr eindrucksvoll, wie wenig ernst es Politik und Wirtschaft mit dem Klimaschutz meinen.
Am bittersten steht ein Fakt im Raum, der die fachliche Klage des NABU mit einer sehr umstrittenen Nachbesserung nun hinfällig machte. Dem Stickstoffeintrag, welcher den zulässigen Grenzwert für die umliegenden FFH-Gebiete erreichen wird, wurde mit einem zeitlich begrenzten Tempolimit begegnet. Die staatlich geführte Planung geht also davon aus, dass ein Tempolimit eingehalten wird. In einem Land, welches als einziges in Europa Tempolimits immer noch ablehnt.
Das zeitliche Ende der Geschwindigkeitsbegrenzung wird nur wenig über die Bauzeit hinaus gehen. Was danach ist, steht nicht geschrieben. Man geht wohl davon aus, dass Fahrzeuge in Zukunft emissionsfreier werden. Doch die Zulassungszahlen beweisen genau das Gegenteil. Die kleinen vernünftigen Fahrzeuge liegen noch immer nicht im Trend. Eine Abnahme des Verkehrs ist nicht zu erwarten. Man nimmt also recht leichtsinnig eine Stickstoffwertüberschreitung in Kauf.
Während des feierlichen Spatenstichs machte das Lager der Gegner in etwa 100 Meter Entfernung viel Lärm mit Trommeln, Rasseln, Pfeifen, Fahrradklingeln und lauten Rufen. Nach einer halben Stunde war der offizielle Baubeginn dann besiegelt und Herr Haseloff kam auf die Protestierenden zu. Ob es provokativ oder naiv war, Zustimmung bei den Menschen erhalten zu wollen, welche 30 Jahre lang (!) Spenden sammelten, um Klagen auf den Weg bringen zu können, ist schwer zu sagen. Er versuchte, mit den alten Lügen das Projekt zu verteidigen: Arbeitsplätze würde diese Autobahn bringen. Damit meinte er auf Anfrage nicht die des Baugeschehens sondern die, welche durch neue Ansiedlungen kommen. Die Stadt Halle werde entlastet. Doch auch hier wird deutlich, dass die Verkehrswende nicht ernsthaft gewollt ist. Denn anstatt Bahn- oder Tramstrecken in umliegende Gemeinden zu planen, hält man am Individualverkehr per Autobahn fest. Die täglichen Pendler werden auch in Zukunft per PKW durch Halle-Trotha ziehen.
Tapfer versuchte Herr Haseloff die rechtlich angeblich saubere Umweltverträglichkeit zu untermauern. Zweifel an der Belastung für die FFH-Gebiete und am Wertverlust von Erholungsgebieten kamen bei ihm nicht auf. Das Problem der Flächenversiegelung stellt sich für ihn ebenfalls nicht. Deutschland ist ja groß genug, um solch kleine Einschnitte zu verkraften. Den jahrelang ungebrochenen Wert von 900 Quadratmeter Verlust an Boden pro Minute muss man offensichtlich nicht gerade jetzt als Aufgabe sehen. Autobahnen, Gewerbegebiete und Siedlungsbau sind nach wie vor wichtiger als Naturerhalt und Agrarflächenschutz.
Mit einer Aussage traf er dann noch den Nerv der Protestierenden. Da nur eine sehr kleine Ansammlung an Gegnern anwesend sei, könnte man davon ausgehen, dass die Mehrheit der Bevölkerung diese Autobahn haben möchte. Womit er leider nicht ganz Unrecht hatte. Die Mehrheit der Bevölkerung möchte den Erhalt der Natur, sie möchte die Rettung des Klimas, doch wirklich entschlossen eine Veränderung mitzutragen sind nur sehr wenige Menschen. Obwohl die Proteste der Freitagsbewegung immer größer werden, hat die Politik immer mehr Angst vor der Wählerschaft als vor den drohenden Problemen.
Wünschenswert wäre, wenn amtierende Politiker mehr Meinungen von Wissenschaftlern als von Wirtschaftsverbänden weitergeben.
Wünschenswert wäre es, wenn mehr Menschen nicht erst auf gesetzliche Vorgaben warten, sondern jetzt aktiv den Erhalt der Natur unterstützen.
Gegeninitiativen wie Fridays for Hubraum können einem nur Angst machen um die Zukunft. Jeder muss sich ganz persönlich entscheiden, was für unsere Kinder geeigneter ist.
Einige hoffnungsvolle Naturschützer pflanzten noch kleine Bäume auf die Trasse.
Die Polizei hatte außer ihrer sichtbaren Anwesenheit keine Aufgabe. Der friedliche Charakter der Protestierenden war die gesamte Zeit gegeben.