Diese Post kommt von weit her. Unsere junge Leserin Nora Key möchte das Redaktionsteam ab Juni verstärken. Vorab ihr Blick aus der Ferne in die Heimatstadt.
Da auf der anderen Seite des Gartenzaunes das Gras bekanntlich immer grüner ist, erscheint es keineswegs verwunderlich, dass sich viele junge Menschen von der Stadt, in der sie aufgewachsen sind, so schnell wie möglich losreißen. Ich selbst bin durchaus keine Ausnahme, denn schon ziemlich früh stand für mich fest, ein Austauschjahr machen zu wollen und somit meiner Heimatstadt Halle vorübergehend den Rücken zuzukehren.
Allerdings hätte ich mir niemals träumen lassen, mich einige Jahre später ausgerechnet in Estland zu befinden, genauer gesagt in dem kleinen Ort Kadrina im Norden des ebenfalls mit 1,4 Millionen Einwohnern nicht gerade großen Landes. Ursprünglich hatte ich andere Pläne gehabt: Wie so viele wollte ich die große weite Welt bereisen. Die große weite Welt, das bedeutete die USA. Doch da diese Variante nicht geklappt hatte und ich mich mehr aus einer spontanen Eingebung heraus um einen Platz im eisigen Norden beworben habe, befinde ich mich nun auf einer, wenn auch auf andere Weise, mindestens ebenso abenteuerlichen Reise. Sie hat mir viel gegeben, wie zum Beispiel neue Freunde, Kenntnis der estnischen Sprache und die Herausforderung, sich in einer Gastfamilie einzuleben. Doch da war noch etwas anderes, etwas, womit ich vorher nicht gerechnet hatte.
Erst hier wurde mir bewusst, wie sehr ich Halle liebe. Die alt bekannte Wahrheit, dass man die Dinge erst zu schätzen lernt, wenn man sie entbehren muss, habe ich so am eigenen Leibe erfahren. Wenn man aus einer Stadt von Halles Größe in einen 3.000-Einwohner Ort zieht, wie ich es getan habe, fällt einem natürlich erst einmal das Offensichtliche ins Auge: Ich vermisse den belebten Marktplatz, die schönen Geschäfte, die Freibäder und Cafés…
Aber es ist mehr als nur das. Die eben genannten Orte kann man in jeder x-beliebigen Stadt finden, doch Halle vermittelt auf wunderbare Weise den Sinn fürs Detail. Das kulturelle Angebot in der Saalestadt, von gemütlichen Programmkinos bis hin zu zauberhaft stimmungsvollen Freiluft-Veranstaltungen, und der unerschütterliche Wille seiner Bewohner, es zu einem lebensund liebenswerten Ort zu machen, sind es, was meine Stadt auszeichnet, und darauf bin ich persönlich stolz.
Das erste Mal in meinem Leben überlege ich, in Halle zu studieren. Bis dahin kann ich es kaum erwarten, nach Hause zurückzukehren.
Nora Key, 11.04.13
Foto: Blick vom Zoo auf Halle 2008/ Streifinger