Mitte des 19. Jahrhunderts gründeten Hermann Schulze-Delitzsch und Friedrich Wilhelm Raiffeisen die ersten Genossenschaften in Deutschland. Am Ende des Jahres 2013 existieren knapp 8.000 solcher Kooperationen in Deutschland*. Eine davon ist „Halle im Wandel“ eG.
Als Grundsätze für die ersten Genossenschaften galten Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung. Diese Schlagworte sind für die meisten Genossenschaften auch heute noch wichtig – oder sie gewinnen gerade jetzt wieder an Bedeutung. Die ursprünglichen liberalen und sozialen Beweggründe waren einigen Kooperationen, besonders den großen Genossenschaftsbanken und Wohnungsbaugenossenschaften, im Zuge der neoliberalen Umgestaltung der Gesellschaft abhanden gekommen. Viele große Genossenschaften, funktionieren heute nicht anders als Aktiengesellschaften. Doch auch diese besinnen sich im Moment wieder auf Mitbestimmung, Transparenz und Solidarität. Selbst wenn es bis jetzt nur Schlagworte in ihren Werbebroschüren sind, eine gewisse Attraktivität scheinen diese Begriffe doch zu besitzen. Gerd Schaumann (Vorstand des pvdp e. V., einem von mehreren Genossenschaftsdachverbänden) konnte im November 2013 als Grund für den Aufschwung des Genossenschafts- oder Kooperationsgedankens ebenfalls einen allgemeinen Wertewandel konstatieren, der unter anderem Begriffe wie Selbstverantwortung, Vertrauen und Transparenz beinhaltet.
Gegenseitige Hilfe aus eigener Kraft
Die ersten Genossenschaften waren als Hilfsgemeinschaften für notleidende Bauern und Handwerker entstanden. Und auch die vor genau 30 Jahren gegründete „OEKOGENO“ (eine der bekanntesten Genossenschaften zur Finanzierung ökologisch nachhaltiger und sozialer Projekte) entstand mehr oder weniger aus der Not heraus, als Menschen beschlossen, ihr Geld nicht irgendwo anzulegen, sondern für ihre eigenen Projekte zu verwenden. Und genau dieser Gedanke ist es, der heute viele Menschen (Ende 2013 werden es ca. 21,6 Millionen Genossenschaftsmitglieder sein (Quelle: s.u.) dazu bringt, sich – ganz ohne Not – in Genossenschaften zusammenzufinden und gemeinsam wirtschaftlich tätig zu werden.
In Kooperation statt in Konkurrenz: Ein Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit ist „Fairnopoly“ eG. Unter www.fairnopoly.de ist ein Online-Marktplatz entstanden, der das überaus erfolgreiche „Amazon-Modell“ mit fairer Unternehmenskultur, Förderung verantwortlichen Konsums sowie absoluter Transparenz und Korruptionsbekämpfung verbindet.
Für eine neue Vision vor Ort
Auch für „Halle im Wandel“ gilt das Anliegen gemeinsam Ideen zu verwirklichen. Das, was die Menschen in dieser Genossenschaft verbindet, ist die Vision einer sinnvollen Nutzung des alten Schlachthofgeländes in Halle Ost. Wie das passieren kann haben wir in der letzten Ausgabe beschrieben. Aber die Vision einer nachhaltigen und solidarischen Nachbarschaft ist dabei nur eine Möglichkeit. Das wichtige ist, zusammen Ideen zu entwickeln und zu verwirklichen – wie auch immer die Zukunft aussehen wird – und jede/r, die/der mitmachen möchte, ist herzlich willkommen!
Nils Wagner
*Quelle: http://www.raiffeisen.de/2013/11/trend-haelt-an-immer-mehr-genossenschaften/29/
Foto: Kontraste/ Genossenschaften in der arbeitsmarktpolitischen Disskussion