Wer derzeit einen Spaziergang am Saaleufer macht, erlebt eine farbenfrohe Überraschung. Weite Teile des Uferbereichs der Peißnitzinsel sind mit rosa Porphyrschotter bedeckt.
Mit 100 % Fluthilfegeldern werden von der Stadt Böschungen befestigt. Erst als die Steinschüttungen etwa 15 Meter in das Naturschutzgebiet „Nordspitze der Peißnitz“ hinein reichten, regte sich Protest. Botanik-Professor Helge Bruelheide fragte bei der Unteren Naturschutzbehörde nach. Deren Dienstherr, der Baudezernent René Rebenstorf meinte, dass für die Arbeiten keine Genehmigung erforderlich sei. Erst als auch der Arbeitskreis Hallesche Auenwälder (AHA), die Initiative Pro Baum und weitere Persönlichkeiten Einspruch erhoben, wurden die Arbeiten im Schutzgebiet eingestellt.
Die Naturschützer fordern inzwischen den Rückbau der Schotterflächen. Die Schüttungen verstoßen sowohl gegen Naturschutzrecht wie auch gegen das Bundeswasserstraßengesetz. Die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) hält sich dezent heraus. Die Berliner Behörde spricht zwar nicht mehr von der Saale als "Restwasserstraße", sieht aber an deren Flusslauf keinerlei eigenen Handlungsbedarf.
Die Arbeiten werden von der Stadt Halle (S.) als "Instandsetzung vorhandener Anlagen“ ausgeführt, wie René Rebenstorf auf Anfrage der MZ erklärte. Man habe von der WSV die Genehmigung erhalten und arbeite an einem Naturschutzgebiet und nicht darin.
Das sehen die Saaleschützer anders: der Uferbereich sei eine der wichtigsten Zonen des Schutzgebiets. Durch die Fällung von Bäumen fänden Jungfische in Ufernähe keinen Schatten mehr. Die seltene Prachtlibelle werde vertrieben, auch der Eisvogel, der hier keine Nester mehr bauen kann. Zwergtaucher suchen im Winter Schutz unter Bäumen. Da kämen sie aber über den groben Schotter nicht mehr hin. Geschützte Lurche und Käfer wie der Sumpfwald-Enghalsläufer (Platynus livens) seien auf ihrer Wanderung vom Wasser abgeschnitten. Schlammflächen verschwinden, die Insekten für ihre Eiablage benötigen. Ohne Insekten fehlt den Vögeln die Nahrungsgrundlage.
Auch ästhetisch sei der rosa Schotter eine Katastrophe für das Landschaftsbild, das frühere Tourismus-Werber einmal als "Gestade der Romantik" vermarkten wollten. Der Natur-Soziologe Conrad Kunze weist auf die Untersuchung "Männerphantasien" von Klaus Theweleit hin, der das 1933 beginnenden Schottern von Flussufern in Deutschland als faschistoide Zwangshandlung gegen das freie Fließen deutete.
Die Naturschützer hoffen nun auf die nächsten Hochwässer, welche den teuren Schotter unzweifelhaft ins Flussbett spülen werden.
Das Schottern geht immer weiter. René Rebenstorf am 27.10.2021 im Stadtrat: "An der Peißnitz-Nordspitze wird momentan nicht weitergebaut, weil es noch Gespräche gibt."