Die Forderung nach einer Mobilitätswende - in Zeiten der Pandemie fast vergessen - bleibt dringlich aktuell. Etwa 150 Menschen nahmen am 21. Februar an einer Protestfahrt zur A143-Baustelle in Salzmünde teil, darunter auch unser Autor Steffen Neubert. Er schrieb seine Gedanken dazu auf.
Deutschland hat das dichteste Autobahnnetz in Europa - plant aber weitere 800 Kilometer neu zu bauen, darunter auch das letzte Teilstück der A143. Dieses kurze Ende wird Naturschutzgebiete zerstören, wird freie Natur zerschneiden und für immer teilen. Sie wird das Saaletal überspannen und damit die Chancen für einen zukünftigen Saaletourismus nachhaltig mindern. Die Autobahn soll Gewerbeansiedlungen nach sich ziehen. Man hofft also auf zunehmende Warenströme.
Denn wovon träumt der Mensch ...
Die Saale bildet als Nebenfluss der Elbe einen wichtigen Teil des letzten natürlichen Fluss Deutschlands. Man müsste weite Reisen unternehmen, um solch einen Fluss zu erleben. Wir haben ihn vor der Haustür und schenken ihm keine Beachtung. Manche träumen noch immer von einem Ausbau, damit 2000 Tonnen-Schiffe fahren können. Die behördlich nachgebesserte Umweltverträglichkeit ist nach wie vor sehr umstritten. Ein Tempolimit, welches irrwitziger Weise auf nur wenige Jahre begrenzt ist, soll die erwarteten Emissionen in den zulässigen Grenzen halten. Wer glaubt, dass es von allen eingehalten wird, der träumt. Wer glaubt, dass es für immer bestehen wird, der träumt.
Da träumen die Teilnehme*innen der Demo lieber von einem Baustopp. Bevor also Natur unwiederbringlich zertört wird, könnte man umdenken. Bevor irrsinnig viel Geld in eine veraltete Mobilität fließt, könnte umgelenkt werden. Die Bahn soll den Hauptteil der Güter transportieren in der Zukunft. So gäbe es eine Chance, die Klimaziele zu erreichen. Bis 2030 sind es nur noch 9 Jahre. Eine Festhalten am Bau ist also Denken und Handeln von gestern.
Der Teufelskreis des 'Mehr'
Gibt es keinen Ausweg aus der Zuspitzung von Rationalisiereung und Gewinnmaximierung? Unsere Verkehrspolitik hat uns unglaubliche Vorgänge beschert. Anstatt Arbeitsplätze in der Region zu entwickeln, werden durch Transport ohne nennenswerte Kosten Wertschöpfung verlorengehen. Irgendeine Firma irgendwo kann liefern. Die Masse macht den Preis und Firmen vor Ort gehen leer aus. Ebenso leer gehen Gewerbeeinnahmen aus in der Region. Ein Teufelskreis der uns zwingt, große Firmen hier anzusiedeln, welche ebenfalls in alle Welt leifern können. Und so fahren Rohstoffe, Zwischenprodukte, fertige Ware und die jeweiligen Arbeiter täglich quer durchs Land. Je besser die Straßen und Autobahnen werden, je weiter werden die Arbeitswege. Ein mehr an Autobahnen wird also ein mehr an Fahrzeugen und zurückgelegten Kilometern mit sich bringen. Wer solche Entwicklungen sehen will, braucht in Deutschland nur auf große Ballungsgebiete schauen. Natur ist dort lange Geschichte.
Alptraum StarPark zeigt die Richtung
Und das wollen wir nun endlich auch vor unserer Haustür? Der Gewerbepark Halle - Star Park - zeigt es deutlich. Früher fruchtbarer Acker und heute verbaute Landschaft mit fragwürdigen Konzepten. Da wachsen Logistikzentren wie Pilze aus dem Boden. Einige Hallen stehen bereits wieder leer. Man hat bereits günstigere Standorte im Osten Europas gefunden. Ein Aufschwung mit kurzer Haltbarkeit. Dann werden in einer anderen Halle Brötchen und Brot gebacken und anschließend in die weite Welt gefahren. Energiepolitischer Wahnsinn. Anstatt Bäcker vor Ort nur das Mehl anzufahren, welches monatlich nötig wäre, fahren nun täglich die Endprodukte quer durchs Land. Aber die Kunden möchten es so. Schließlich ist der Preis das Entscheidende. Den Kunden ist der ökologische Hintergrund völlig egal. Billig ist dem Deutschen die Devise. Der Schaden geht keinem was an.
Altmeier und Scheuer als Totengräber einer Verkehrswende
Und so können wir vergeblich auf ein gutes Lieferkettengesetz warten, welches Herr Altmeier untergraben und durchlöchert hat. Die Wählerinne und Wähler werden zu ihm halten, wie auch zum Bundesverkehrsminister, der doch "gute Arbeit" gemacht hat. Die Mehrheit der Deutschen wollen nicht in den Erhalt der Natur investieren. Sie träumen von leeren guten Straßen und von Waren nach jedem Geschmack. Da kommt es schon vor, dass Wasser von Frankreich bis zu uns per LKW gefahren kommt, während die Franzosen womöglich auf Lauchstädter Sprudel stehen. Leitungswasser ist uns nicht mehr gut genug. Woher kommt diese Gleichgültigkeit ? Warum interessiert uns die Natur vor der Haustür weniger als die im Urlaubsgebiet? Haben wir uns dem Zwang von Wirtschaftswachstum gedankenlos ergeben?
Protest = Hoffnung
Die Demo-Teilnehmer*innen wollen nun jeden Monat eine solche Protestfahrt planen. Denn sie sind naturverbunden und hoffnungsvoll. Sie wollen erhalten, solange es etwas zum Erhalten gibt. Es gibt Vernetzungen mit Gruppen anderer Regionen, in denen ebenfalls Autobahnen gebaut werden sollen. Es gibt die Hoffnung, dass sich europäische Gerichte mit der Zerstörung beschäftigen. Es gibt Hoffnungen, dass eine Mobilitätswende eingeläutet werden kann. Ein Baustopp wäre das richtige Zeichen für eine gesunde, nachhaltige Zukunft. Eine Zukunft ohne unaufhaltsames Artensterben. Eine Zukunft ohne Opfer unserer Grundlagen. Diese Planungen sind vor gut 30 Jahren entstanden. Nach heutigem Wissen ist solch ein Bau nicht mehr zu akzeptieren. Empfehlungen der Wissenschaft gehen deutlich in eine andere Richtung.
Wir befinden uns schließlich im Wahljahr. In Halle gibt es klare Aussagen zu diesem Projekt seitens der Parteien. Das Befragen der Politiker wäre die eine Möglichkeit, das Saaletal in seiner Schönheit zu erhalten. Das bewusste persönliche Vermeiden von Verkehr wäre die dazugehörige andere Möglichkeit. Unser Verhalten im täglichen Leben entscheidet über Erhalt oder Zerstörung .
Es ist ein schönes Gefühl war es, in der Gruppe für die Natur zu radeln. Gutes Tun und darüber reden macht glücklich. Das schlechte Gewissen sollten wir an die Planungstische senden.