Ehrenamtliche Helferinnen und Helfer leisten einen entscheidenden Beitrag zur Integration von Flüchtlingen vor Ort. Sie geben Kurse, betreuen Patenkinder, helfen bei Behördengängen oder schaffen ganz einfach Angebote für Begegnungen.
Die Jugendwerkstatt „Frohe Zukunft“ Halle-Saalekreis e. V. trägt eines der vielen Projekte in Halle, die sich direkt um die Integration von Flüchtlingen kümmern. Da ich mich entschieden hatte, dieses Projekt ehrenamtlich zu unterstützen, wurde ich im September einer bunt gemischten Gruppe von acht Frauen aus Eritrea, Pakistan, Vietnam, dem Irak, Tschetschenien und Syrien vorgestellt.
Die freundliche und offene Art der Projektleiterin schuf schnell eine lockere Atmosphäre, welche erste Berührungsängste auf beiden Seiten in Luft auflöste. Nun traf ich also auf Frauen, welche schon seit mehreren Jahren hier in Halle leben. Ich erfuhr, dass sie alle Kinder haben, welche in unseren Schulen gut zurecht kommen und teilweise beachtlich gute Abschlüsse erreichen. Doch leider sind ihre Mütter noch immer nicht ganz integriert. Ihnen fehlt die Möglichkeit zu arbeiten. So besprachen wir gemeinsam unsere Aktionen, die zu mehr Selbstbewusstsein und zur Verbesserung der Sprache führen sollen.
Mobilität auf zwei Rädern und auf dem Wanderweg
Unseren zweiten Termin hatten wir dann dem „Fahrradies“ zu verdanken. Hier erhielten wir wiederholt Leihfahrräder. So konnten wir auf der Ziegelwiese einen lustigen Tag verbringen, an dem wir mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen das Fahrradfahren übten. Für mich war es unglaublich schön, wie viel Spaß erwachsene Frauen haben können bei für mich so selbstverständlichen Dingen. In arabischen Ländern ist es nur Männern und Kindern gestattet, Rad zu fahren, nicht aber Frauen. Die strahlenden Augen über die kleinen Fortschritte bewegten mich nachhaltig. Auch die anschließende „Verkehrserziehung“ im leider etwas verlotterten Verkehrsgarten auf der Peißnitz machten alle bereitwillig mit. Zwischendurch blieb viel Zeit für persönliche Gespräche.
Als wir uns zum dritten Termin trafen, unternahmen wir eine Fotowanderung. Diese führte vom Markt, entlang der Saale, bis nach Trotha. Das herrliche, herbstliche Wetter meinte es richtig gut mit uns. Beim Wandern konnten wir uns ganze drei Stunden ausgiebig unterhalten. (Wenn ich doch nur so gut Englisch könnte, wie diese Frauen deutsch! Seit Jahren versuche ich nachzuholen, was ich in meiner Schulausbildung nicht habe.) Ich erfuhr zum Beispiel, dass Frau B. aus Eritrea leider ihren Arbeitsplatz im Maritim-Hotel verlor. Dort verdiente sie sich als Reinigungskraft ihren Lebensunterhalt. Nun sucht sie erneut eine Arbeit und hat sich deshalb für dieses Projekt entschieden. Frau L. aus dem Irak war Lehrerin. Ihre Abschlüsse müssen hier in Deutschland noch anerkannt werden. Auch dabei wird sie von der Jugendwerkstatt „Frohe Zukunft“ unterstützt und beraten.
Bio-Praktikum und Erste-Hilfe
Im Bio-Laden „naturata“ stärkten wir uns im netten Bistrobereich. Der Geschäftsführer konnte seine Offenheit für Flüchtlinge erneut beweisen. Er unterstützte uns bereits bei der ersten Gruppe des Projekts und ermöglichte Frau S. ein vierwöchiges Praktikum in seinem Bio-Supermarkt. So konnte Frau S., aus dem Irak, Erfahrungen im Lebensmittelhandel sammeln. Sie arbeitet in ihrer Heimat als Informatikerin.
Unseren vierten Termin konnten wir dank der Rettungsdienstschule „ems-mediz“ durchführen. Da ich dort gelegentlich als Gastdozent tätig bin, konnte ich einen kostenlosen Erste-Hilfe-Kurs anbieten. Fünf Stunden beschäftigten wir uns mit Notrufen, Blutungen, Knochenbrüchen und Herz-Lungen-Wiederbelebungen. Für einige Mütter war es besonders interessant, da der Beruf des Rettungssanitäters eine mögliche Option für die Berufswahl ihrer Kinder sein könnte. Für die entstehenden Ausbildungskosten kann man Fördergelder beantragen. Für einige der Frauen wäre diese Berufsausbildung auch sehr interessant. Leider sind viele alleinerziehend und können die Schicht- und Nachtarbeit nicht mit der Kinderbetreuung vereinbaren. Schade!
Bevor der nächste Durchgang Mitte Februar 2016 beginnt, wollen wir uns noch einmal treffen, um über das Erlebte zu sprechen. Und wir wollen gemeinsam herausfinden, was besonders hilfreich war und was eher nicht.
Konkrete Erfolge auf dem Weg in ein neues Leben
Bislang konnten folgende Ergebnisse im Rahmen des Projektes erzielt werden:
- eine Teilnehmerin ist seit 01.11.2015 in
einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung
- eine Teilnehmerin nahm einen Mini-Job auf
- zwei Teilnehmerinnen besuchen einen Sprachkurs
- vier Teilnehmerinnen absolvierten ein mehrwöchiges Praktikum in einem Kindergarten, einem Bio-Supermarkt, einer Gaststätte und in einem Labor in der Universität Halle-Wittenberg
- alle Teilnehmerinnen erhalten ein Zertifikat über die erworbenen EDV-Grundkenntnisse
Auch wenn nicht sofort Arbeitsverträge zustande kommen, so sind diese Projekttage doch wichtige Schritte in eine gemeinsame Zukunft der Integration, der gegenseitigen Akzeptanz und des Miteinanders. Ich persönlich kann nur jedem Hallenser empfehlen, dieses Projekt zu unterstützen. Es macht Spaß und es verhindert Missverständnisse und Vorurteile.
Die Projektarbeit mit den Migrantinnen findet an zwei Tagen pro Woche in der Jugendwerkstatt „Frohe Zukunft“ statt. Hier werden die Teilnehmerinnen bei der Suche nach Arbeits-, Ausbildungs- und Praktikumsplätzen und bei Bewerbungen unterstützt. Weitere Ziele können auch der Beginn eines Deutschkurses oder ein Schulabschluss sein.
Infos unter: www.jw-frohe-zukunft.de