Das EU-Parlament in Strasbourg hat unter begleitenden Protesten in dieser Woche dem CETA-Abkommen zwischen der EU und Kanada zugestimmt. Für ein Ja votierten 408 Abgeordnete vorwiegend aus dem konservativen, liberalen und sozialdemokratischen Lager. Die 254 Gegenstimmen wurden aus dem linken und grünen sowie aus dem rechten Spektrum abgegeben. 33 Parlamentarier enthielten sich. Mit der Bestätigung durch das EUP können nun große Teile des Vertragswerkes vorläufig in Kraft treten.
CETA kein Schutzschild gegen Trumps Politik
Vor wenigen Wochen hatte der Handelsausschuss des Parlamentes das Abkommen durchgewunken und damit den Weg zur Abstimmung freigemacht. Nun beginnt ein langwieriger Ratifizierungsprozess mit Abstimmungen auf der Ebene nationaler Parlamente.
Wie umstritten die Entscheidung für CETA ist, wurde auch noch einmal durch die kontroverse Debatte vor der Abstimmung deutlich. Während der lettische Parlamentspräsident das Abkommen als „liberalen und demokratischen goldenen Standard“ gegen protektionistische Politik a la Trump anpries, interpretierte der wirtschafts- und finanzpolitische Sprecher der grünen EUP-Fraktion, Sven Giegold, CETA genau spiegelverkehrt.
CETA, so Giegold, sei genau die Fortsetzung einer Handelspolitik, die Trump erst möglich und groß gemacht habe. Nötig sei aber eine Globalisierung mit sozialen, demokratischen und ökologischen Regeln. Das "Ja" zu CETA sei also in wahrheit ein "Nein" zu fairem Handel', so der grüne Politiker und ehemalige Attac-Mitbegründer.
Protest im und vor dem EU-Parlament
Eine Politikerin der europäischen Linken-Fraktion trat aus Protest mit den symbolischen 3,5 Millionen Gegenunterschriften von EU-Bürger*innen im Arm auf. Auch vor dem Parlamentsgebäude demonstrierten Vertreter*innen der Millionen ablehnenden Stimmen in der EU-Bevölkerung.
Die Reaktionen in Deutschland und vor Ort in der Region sind ebenfalls gespalten. Während die IHK Halle-Dessau im Chor mit anderen Wirtschaftsverbänden das Abstimmungsergebnis bejubelte, beharrten kritische Bürgerinnen und Bürger auf ihren Bedenken.
Campact! wies alle kritischen Menschen noch einmal darauf hin, dass den besonders heiklen CETA-Bestandteilen wie die Investorenklagerechte von den EU-Mitgliedsländern einzeln zugestimmt werden müsse. Dies aber sei eine reale Chance für weitere Gegenproteste und wirksame parlamentarische Opposition.
Volksbegehren in Bayern durch Justiz verhindert
In Bayern stoppte der Verfassungsgerichtshof derweil ein Volksbegehren gegen CETA im Freistaat, obwohl die Initiatorinnen die erforderliche Stimmenzahl von 25.000 für eine Zulassung deutlich erfüllt hatten. Durch ein Volksbegehren könnte eine entsprechende Gesetzesvorlage gegen CETA in den bayrischen Landtag eingebracht und über einen Volksentscheid herbeigeführt werden.
Die Rettung des Westens durch CETA?
Kommentar unseres Redaktionsmitglieds Frank-Uwe Neis
EU-Europa ist durch den Brexit und die Wahl von Donald Trump reichlich verunsichert und sieht seine ganze (schöne?) neo-liberale Ordnung dahinschwinden. Da es zu anstrengend scheint, die Ursachen zu analysieren sucht man sein Heil im Weiterso. Da sich nun zwei gesättigte Märkte zum Freihandel entschließen, wird der Effekt minimal sein. Kanada kauft mehr deutsche Autos und hier wird Lachs und Ahornsirup billiger, das war´s dann auch schon.
Das Drama hält sich ohnehin in Grenzen, da zwar 95 % des Abkommens vorläufig in Kraft treten, aber der umstrittenste Teil, diese ominösen Schiedsgerichte, eben nicht. Dem müssen alle nationalen EU-Parlamente einzeln zustimmen, und da wird es haken (und wohl endgültig hängen bleiben).
Entscheidende Fragen sind ohnehin ungeklärt und eine wird nun wichtiger: Wie viele US-Unternehmen mit Sitz in Kanada können sich über CETA in den EU-Markt und gegen EU-Regierungen klagen? 200? 2000? Oder 20.000?
Einer „America first“-Logik folgend könnten derartige Klagen durchaus aggressiver ausfallen als bisher üblich. Da sollte man zumindest mal drüber nachgedacht haben…
Frank-Uwe Neis
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