Ein Ort der Kom­mu­ni­ka­ti­on: Welt­la­den in Halle

Wenn man den Welt­la­den, der sich seit Anfang Okto­ber in der Ran­ni­schen Stra­ße 18 befin­det, betritt, fühlt man sich sofort zu Hau­se. Das war­me Licht und die schö­ne Sitz­ecke in dem Laden, der seit nun­mehr 22 Jah­ren in Hal­le exis­tiert, wir­ken sich sofort posi­tiv aufs Gemüt aus.

Erst nach­dem ich eine hal­be Stun­de dort ver­bracht habe, mer­ke ich, dass in dem neu­en Stand­ort noch ein paar Din­ge auf Vor­der­mann gebracht wer­den müs­sen; und auch nur, weil mich Mari­on Feu­er­stein mit gro­ßer Offen­heit dar­auf auf­merk­sam macht.

Kein "bui­siness as usual"

Es ist der inter­es­sier­ten und zuge­ta­nen Mit­be­trei­be­rin des Welt­la­dens anzu­mer­ken, dass sie sehr um sei­ne Behag­lich­keit bemüht ist. Die in dem Baden-Würt­tem­berg­schen Kraich­tal gebo­re­ne Wahl-Hal­len­se­rin sieht ihn vor allem als einen Ort der Kom­mu­ni­ka­ti­on, was sofort zu spü­ren ist, wenn man sich den Umgang der bei­den Mit­ar­bei­te­rin­nen mit ihrer Kund­schaft ansieht. Hier fin­det kein rein geschäft­li­cher Betrieb statt, son­dern ein Aus­tausch und per­ma­nen­tes Ken­nen­ler­nen. Man hat das Gefühl, will­kom­men zu sein und jeder­zeit auf ein freund­li­ches Gespräch blei­ben zu kön­nen. Die­se Locker­heit hängt mit der Phi­lo­so­phie zusam­men, aus der das Kon­zept „Welt­la­den“ ent­stan­den ist: Sämt­li­che Gewin­ne wer­den hier in neue Pro­duk­te jeg­li­cher Art inves­tiert. So könn­te man mei­nen, die pro­mo­vier­te Afri­ka­nis­tin und Yoga­leh­re­rin, die übri­gens unter ande­rem die vor­wie­gend in West­afri­ka gespro­che­ne Spra­che Hau­sa beherrscht, und ihre Kol­le­gIn­nenen ver­zich­ten auf ein Gehalt um den Erhalt des Ladens zu sichern. Doch gera­de die­ser Ver­zicht bie­te ihr Frei­räu­me. Hier­durch, meint sie, kön­ne man Din­ge aus­pro­bie­ren, die man sich sonst nicht unbe­dingt trau­en würde.

Im Vor­der­grund steht jedoch ein ande­res Anlie­gen: Den Her­stel­lern der ange­bo­te­nen Pro­duk­te einen fai­ren Preis zu bie­ten. Mari­on Feu­er­stein ist es sehr wich­tig, dass die­je­ni­gen, die das Pro­dukt lie­fern, selbst­be­stimmt über ihren Gewinn ent­schei­den kön­nen. Mit einer ange­mes­se­nen Bezah­lung, so meint sie, könn­ten sie eine gewis­se Auto­no­mie bei­be­hal­ten und sei­en nicht auf das Dik­tat einer aus­beu­te­ri­schen Fir­ma angewiesen.

Nie­mand wird fal­len gelassen

Auf die­se Wei­se freut man sich nicht nur an einer guten Scho­ko­la­de aus dem Laden, son­dern unter­stützt mit dem Pro­dukt auch ein inno­va­ti­ves Pro­jekt, das sonst nicht  ohne Wei­te­res über­le­ben könn­te. Beson­ders wich­tig ist es ihr, dass man die­se Pro­jek­te auch in schwie­ri­gen Zei­ten wei­ter­hin bestärkt. Sie ver­weist auf einen perua­ni­schen Anbie­ter, der Auf­grund eines plötz­li­chen Käl­te­ein­bruchs die­ses Jahr kei­ne Alpa­ca­woll- Pro­duk­te ter­min­ge­recht lie­fern konnte.

Es sei selbst­ver­ständ­lich, die Han­dels­be­zie­hung ganz kapi­ta­lis­mus-unty­pisch trotz­dem auf­recht zu erhal­ten, sagt sie, und fügt hin­zu: „Hier wird nie­mand fal­len gelas­sen.“ Die­se Denk­wei­se beglei­tet Mari­on Feu­er­stein bereits seit lan­ger Zeit. Das The­ma „Gerech­tig­keit“ ist für sie schon immer ein zen­tra­ler Punkt, der auch ihr Beweg­grund für das Orga­ni­sie­ren von Ver­an­stal­tun­gen und ent­wick­lungs­po­li­ti­sche Arbeit war. In dem Kon­zi­lia­ren Pro­zess, einem gemein­sa­men Pro­jekt christ­li­cher Kir­chen zur Schaf­fung von „Gerech­tig­keit, Frie­den und Bewah­rung der Schöp­fung“, sieht sie die Wur­zeln ihrer akti­vis­ti­schen Laufbahn.

Neue Impul­se statt Zeigefinger

Sie wür­de sogar noch einen Schritt wei­ter gehen: „Dort ist mei­ne geis­ti­ge Hei­mat.“ Die durch unser Wirt­schafts­sys­tem ent­ste­hen­de Unge­rech­tig­keit war ihr stets bewusst, doch seit einer Rei­se in die Phil­ip­pi­nen weiß sie, dass sich ihre wah­ren  Aus­ma­ße nur erah­nen las­sen. Dort wur­de sie zu sozia­len Brenn­punk­ten geführt und sah mit eige­nen Augen, wie sich unser Wohl­stand auf ande­re Men­schen aus­wir­ken kann. Die­ses Schlüs­sel­er­leb­nis präg­te sie stark und mach­te ihr vor allem klar, dass es nicht wei­ter­ge­hen kann, wenn hier kei­ne Bewe­gung stattfindet.

Trotz die­ser Erfah­run­gen will sie jedoch nie­man­den beleh­ren. Wich­ti­ger, als ande­rer Leu­te Lebens­wei­sen zu kri­ti­sie­ren, ist es ihr, Impul­se und Anre­gun­gen zu geben. So wünscht sie sich zum Bei­spiel, Lebens­mit­tel näh­men in unse­rem Leben eine höhe­re Stel­lung und in unse­rem Bud­get einen grö­ße­ren Anteil ein. Die­se bezeich­net sie als das bei­na­he Wich­tigs­te, was man kau­fen kann. Macht es nicht wenig Sinn, aus­ge­rech­net an der Stel­le zu spa­ren, woher wir unse­re Kraft und Ener­gie bezie­hen? In die­sem Punkt ist ein­deu­tig ein Umden­ken an der Rei­he, der Kör­per und die Umwelt wer­den es uns auf lan­ge Sicht danken.

Von Hei­del­berg nach Halle

Und wie kam sie nun dazu, im Welt­la­den zu arbei­ten? Lächelnd erin­nert sie sich an das win­zi­ge Geschäft in Hei­del­berg, das sie damals in ihrer Stu­di­en­zeit als Kun­din ken­nen lern­te. Dies war nur eine ihrer vie­len Etap­pen gewe­sen, doch Welt­lä­den waren immer gegen­wär­tig, sei es als Ort zum Ein­kau­fen oder zum Arbei­ten. So kam es auch, dass jener in Hal­le ihr ers­ter Anlauf­punkt war und für einen fes­ten Halt in der unge­wohn­ten Umge­bung sorg­te. Als die lang­jäh­ri­ge Ver­eins­vor­sit­zen­de Ulri­ke Stein starb, über­nahm sie den Vor­sitz des Ver­eins, der Trä­ger des Welt­la­dens ist und damit wei­te­re Aufgaben.

Nach­dem sicher gestellt wor­den ist, dass die vie­len Blu­men im Laden genug Was­ser haben, erzählt Mari­on Feu­er­stein, was sie an die­ser Tätig­keit beson­ders genießt. Neben dem Wis­sen, unzäh­li­ge Pro­jek­te unter­stüt­zen zu kön­nen, sei­en es vor allem die Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter und die Kund­schaft, die ihr am Her­zen lie­gen. Mit ihnen kön­ne man stets inter­es­san­te und, wie sie sagt, wich­ti­ge Gesprä­che füh­ren. Auch ist sie sehr dank­bar für den guten Anklang, den der Welt­la­den in Hal­le fin­det. Wie sonst hät­te er sich über solch eine lan­ge Zeit hal­ten und sogar noch ver­grö­ßern kön­nen? Den­noch wünscht sie sich für den Laden einen stär­ke­ren regio­na­len Bezug, um ihn bes­ser in der Stadt zu ver­an­kern. Dadurch ist es auch mög­lich, die Idee des Welt­la­dens weni­ger abs­trakt wir­ken zu las­sen. Hin­ter ihm steht nicht bloß eine gro­ße Phi­lo­so­phie, son­dern er hilft auch, dass es uns gut geht. Ein kon­kre­ter Plan für die nahe Zukunft ist ein Städ­te­kaf­fee, ein selbst­ver­ständ­lich fair gehan­del­tes Pro­dukt, das spe­zi­ell auf Hal­le zuge­schnit­ten ist. Die­se Tas­se Kaf­fee tut nicht nur gut, son­dern auch Gutes.

Der Welt­la­den ist offen für euch:
Mo-Fr. 10-18 Uhr und Sa. 10-14 Uhr
Wir sit­zen hier: Ran­ni­sche Stra­ße 18 in Halle
Infos gibt es unter: www.weltladenhalle.de

Nora Key
Foto: Thies Streifinger








 

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