Der gro­ße Sodann ist tot (1.6.36 -5.4.24)

Der deutsch­land­weit bekann­te Mime und Ex-Inten­dant des nt Peter Sodann ist tot. Noch ein­mal gibt es gro­ße media­le Auf­merk­sam­keit für den eigen­sin­ni­gen Künst­ler und Grün­der­va­ter der Hal­le­schen Kul­tur­insel. Der lang­jäh­ri­ge SPD- und LIN­KEn-Poli­ti­ker Die­ter Dehm wür­dig­te sei­nen Künst­ler­kol­le­gen Peter Sodann in einem Nach­ruf auch als kon­se­quen­ten Friedensaktivisten. 

Als Hele­ne Weigel 1964 den rot­haa­ri­gen, gelern­ten Werk­zeug­ma­cher am Ber­li­ner Ensem­ble für des­sen Traum­be­ruf ange­stellt hat­te, soll eine Schau­spiel­kol­le­gin geraunt haben: „Gott, ist der hässlich.“

Der Ein­me­ter­acht­und­sech­zig-Klei­ne muss­te über­wie­gend mit krea­ti­ver Intel­li­genz zum Gro­ßen wach­sen. Mit tie­fer Stim­me, mit end­los lan­gen Span­nungs­bö­gen über sei­nen Sprech­pau­sen, mit dem arg­wöh­nisch zuge­knif­fe­nen rech­ten Auge lud er sein Publi­kum zum Mit­den­ken ein. Ob er nun Karl May las, den Brecht oder ob er den ers­ten ost­deut­schen Tat­ort-Kom­mis­sar Bru­no Ehr­li­cher 15 Jah­re lang für die ARD spielte.

Er war Thea­ter­in­ten­dant, Regis­seur, Schau­spie­ler, Rund­funk­spre­cher, spä­ter Biblio­theks­lei­ter, aber immer: Friedenskämpfer.

So sprach er am 15.2.2003 neben Kon­stan­tin Wecker und Rein­hard Mey am Gol­de­nen Engel in Ber­lin vor den 500.000 Men­schen gegen eine deut­sche Betei­li­gung am Irak-Krieg. Und anrüh­rend davon, wie er sei­nen Vater an der Ost­front ver­lo­ren hatte.

Peter Sodann woll­te im Brecht’schen Sin­ne nütz­lich sein. Und ließ sich dar­um auch nut­zen. Als er von der Stadt Hal­le als Inten­dant „vor die Tür des Neu­en Thea­ters gesetzt wor­den war“, das er 1981 mit eige­nen Hän­den auf­ge­baut hat­te, erklär­te er das sich und ande­ren, er habe „wohl dort zu kämp­fe­risch und zu oft den 1. und den 8. Mai gefeiert“.

Und dann war der gewitz­te Gysi 2009 auf einen Floh in Sodanns Ohr ver­fal­len: des­sen Kan­di­da­tur als Bun­des­prä­si­dent. Aber allein, weil Peter zwar über ein unge­heu­res Dar­stel­ler­ta­lent ver­füg­te, aber über so gar nichts Prä­si­dia­les, hät­ten ihm gute Freun­de die­ses gewiss aus­ge­re­det. Hät­te nicht Gysi den popu­lä­ren Schau­spie­ler beschwo­ren, es vor­erst nie­man­dem zu erzäh­len, schon gar­nicht in der Füh­rung der Links­par­tei. Nutz­nie­ßer die­ses Coups war Gysi sel­ber. Denn er, der Ewig-Sta­si-Ver­däch­tig­te, konn­te nun Peter Sodann neben sich vor­zei­gen: einen, der selbst mona­te­lang in Sta­si-Ein­zel­haft geses­sen hat­te. Aber der Künst­ler zahl­te teu­er für die­se Weiß­wä­sche­rei. Als er zur Stra­fe für die Prä­si­dent­schafts-Kan­di­da­tur von den ARD-Gran­den alle TV-Rol­len gestri­chen bekom­men hat­te, gab es von Gysi nicht viel mehr als ein war­mes Bei­leid. Par­tei­po­li­tik ist schon des­we­gen oft so unpo­li­tisch, weil sie instrumentalisiert.

Gleich­wohl: Auch für den bit­ter gewor­de­nen Peter Sodann wur­de Soli­da­ri­tät kei­ne Ein­bahn­stra­ße und sein Talent war auch für die Markt­plät­ze. Nach 1989 ret­te­te er hun­dert­tau­sen­de Bücher des „Lese­lands DDR“ vor dem Reiß­wolf des Wil­de-Wer­te-Wes­tens. In zwei gro­ßen Archiv-Gebäu­den stampf­te er die „Peter-Sodann-Biblio­thek“ in Stau­cha aus dem Boden, eti­ket­tier­te, kata­lo­gi­sier­te und ver­lieh Bücher, von denen er fürch­ten muss­te, dass sie ansons­ten viel­leicht sogar ver­brannt würden.

Wie­der und wie­der allei­ne gelas­sen: gera­de von jenen, die sich am Ber­li­ner Ensem­ble, bei Dreh­ar­bei­ten des ARD-Stars und wäh­rend der Fei­ern des neu­en Ehren­bür­gers von Hal­le, Peter Sodann, ger­ne in sei­ner Nähe gesonnt – aber hin­ter sei­nem Rücken den Kopf über den „beten­den Kom­mu­nis­ten“ und den „Putin-Ver­ste­her“ geschüt­telt hat­ten. Dem wider­bors­ti­gen Strei­ter stand dabei immer sei­ne Frau Con­ny zur Sei­te. Sonst hät­te die Krank­heit ihn wohl schon eher erwischt.

Ende letz­ten Jah­res frag­te er mich, wie wir wie­der mehr als „nur ein paar Zehn­tau­send gegen die NATO, für Frie­den mit Russ­land und in Gaza über alle Par­tei­gren­zen und Blo­cka­den hin­weg“ mobi­li­sie­ren könn­ten. Sei­ne Fra­ge sei hier­mit weitergereicht.

Die­ter Dehm

Diet­her Dehm arbei­te­te künst­le­risch und poli­tisch eng mit Peter Sodann zusam­men; u.a. an Revu­en im Neu­en Thea­ter Hal­le, am Thea­ter­stück „Hei­mat­abend“ mit Sodann und Nor­bert Blüm; am Thea­ter­stück „ABS“ im Saal der Auschwitz­pro­zes­se Ffm. (Weltnetz.tv), an der Roman-Ver­to­nung des Hör­buchs „Bel­la Ciao“ und bei diver­sen CDs.

Der Nach­ruf erschien zuerst auf dem Blog nach­denk­sei­ten

 

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