Im Ursprung stand Violett, das Lila Veilchen, für Demut, Tugend, Bescheidenheit, Treue und Buße, und Violetta war ein beliebter Mädchenname. Lang, lang ist es her und die Älteren unter uns werden sich noch erinnern, dass in den 70ern des letzten Jahrhunderts die Frauenbewegung mit der lila Latzhose noch einmal richtig Fahrt aufgenommen hatte. Das war einmal.
Inzwischen findet sich das Lila in der Regenbogenflagge wieder und bunt ist angesagt. Die Frauenbewegung ist etwas auf der Strecke geblieben. Mädchenträume verschwinden im rosa Nebel und Jungen wird immer Blau aufgedrückt. Ein Blick in die Spielwarenabteilung reicht aus, um zu sehen, was Sache ist, auch wenn hier und da Versuche gestartet werden, eine Farbvielfalt zu erwirken.
Interessant ist, dass bis zum Ende des letzten Weltkrieges die Mädchenfarbe Blau war, gemäß der Jungfrau Maria. Rot und Rosa, wie auch kräftige Farben, wurden den Männern zugeordnet, denen, die die Macht hatten. Die Farbwahl für Kleidung hat eine lange Tradition und zeigte, welcher Gesellschaftsschicht eine Person angehörte. Lange Zeit war es dem einfachen Volk verboten Rot zu tragen. Zum einen, weil es die Farbe der Macht darstellte und zum anderen unerschwinglich war, ebenso das Blau. Um jede Farbe ranken sich Geschichten und Mythen. Fakt ist, dass die von Goethe 1810 entwickelte Farbenlehre heute noch bestand hat. Herrn Goethe wurde es bei der Farbe Lila ganz mulmig im Kopf. Eine sinnlich sittliche Wirkung ging angeblich von ihr aus. Sie soll entspannend und beruhigend wirken, aber auch Kreativität fördern. Als Violett wird die „echte Farbe“ bezeichnet, die Teil des Lichtspektrums ist. Das Wort stammt von „violette“, demVeilchen. Und Veilchen bedeuteten auch Jungfräulichkeit, Liebe, Paradies oder gar Jesus Christus.
Zur Zeit der Antike erhielten Kinder, die älter als drei Jahre wurden einen Veilchenkranz, weil sie die schwierige Zeit zum Überleben überstanden hatten. Im 12. Jahrhundert war man in den Donauauen im Frühjahr auf der Suche nach dem ersten Veilchen als Frühlingsboten. Als Mittel gegen den Kater empfahl man das Veilchen, auch gegen Fieber, Kopfschmerzen und Husten wurde es eingesetzt und als Gemisch mit Orangen wurde es als nervenberuhigend gepriesen wie auch als Schlafmittel. Sirup lässt sich aus der Vielfalt der Veilchen gewinnen und zur Parfümherstellung wurde und wird es immer noch benötigt. Das Veilchen soll noch vor den Rosen und Lilien am meisten beschrieben und besungen worden sein. Namenhafte Dichter wie Shakespeare, Goethe, Komponisten wie Mozart oder Strauss widmeten sich dem Veilchen. Im 18. Jahrhundert betrieb ein französischer Edelmann eine Veilchengärtnerei, eigens für seine große Liebe und im 19. und 20. Jahrhundert galt das Veilchen als große Modepflanze. Gärtnereien schossen nur so aus dem Boden, und mit mehr als 500 Arten, neuen Züchtungen und vielen Unterarten versuchte man die Nachfrage zu befriedigen. Dass das „Lila“ mal eine kleine Revolution auslösen könnte, ist vielleicht seltsam, aber so geschehen in der Mitte des 19. Jahrhunderts.
Der 18-jährige William Henry Perkin, bekleckerte in seinem Labor 1856 zufällig sein weißes Hemd bei einem chemischen Versuch. Ein violetter Fleck entstand. Der junge Mann war sich der Bedeutung seiner Entdeckung sehr bewusst, lies sich diese patentieren und gründete die erste Farbenfabrik für synthetische Farbstoffe. Die Herstellung des Mauvein oder Lila ward geboren und wurde zum Renner. Die Legende sagt, dass sein erstes gefärbtes Stück Stoff eine weiße Bluse seiner Schwester war, die dann in schönster leuchtender Malvenfarbe erstrahlte. Als erstes wurde Seide gefärbt, danach Baumwolle und Leinen. Seine Forschung ging weiter und die Farbindustrie setzte sich in Gang. Ein halbes Jahrhundert später gab es 2000 künstliche Farbstoffe. Nach den Stoffen wurden Haare, Würstchen, Fleisch, Pudding, Papier, Leder, Glas, und ganze Möbelstücke gefärbt. Mauvein, das Lila, war der Hit. Magenta wurde auch Solferino genannt und für Uniformen gebraucht. Bis Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts wurden die englischen Penny- Briefmarken mit Mauvein gefärbt. Doch bevor sich die Frauenbewegung die Farbe zu Eigen machte, wurde die Männerwelt davon infiziert.
Im fünfzigsten Jahr nach der Entdeckung des Lilas wurde Perkin weltweit gefeiert. Zu seinen Ehren trugen die Herren bei einem New Yorker Festbankett alle eine lila Fliege zum schwarzen Anzug, die damals in Frankreich extra für diesen Tag gefertigt wurde. Perkin vergaß leider, seine Entdeckung so zu patentieren, dass man in Frankreich ihm nicht den Rang damit ablaufen konnte. Die modische Damenwelt war überall und besonders in Paris verrückt nach dem neuen Lila.
1920 entstand in Deutschland das „Lila Lied“ als erste Hymne der Homosexuellen und feierte Erfolge. Darin heißt es: „Wir sind nun mal anders als die Anderen und wir lieben nur die Lila Nacht, die schwül ist.“ Die Frauenbewegung schwamm ebenfalls auf der Lila Welle mit, in allen Schattierungen.
Farbmischungen sind eine Wissenschaft für sich. Violett ist ein kurzwelliger Farbreiz, während Lila eine gebrochene Farbe sein soll. Wer weiß schon so etwas. Kompliziert wird es dann, wenn die Tönungen zu unterscheiden sind. Magenta bevorzugt Herr Perkin, der Entdecker der Anilinfarben zu sagen. Wir haben noch helles Purpur, Pink oder Indigo, auch das Mauve, welches das Lila der Malve bezeichnet. Meist sagen wir Veilchen und Flieder, wenn es irgendwie lila leuchtet, wie auch immer das aussieht. Die Wahrnehmung unserer Augen treibt dazu noch ihr eigenes Spiel. Die französische Kaiserin Eugenie war einst der Meinung, dass Mauve, also das helle Lila, sehr gut zu ihren Augen passe, und die Queen Victoria trug Mauve zur Hochzeit ihrer Tochter. Sie war die Ururgroßmutter der langjährigen Königin Elisabeth, die ja auch Farben wie Lila und Pink liebte. Als die Damen der Königshäuser sich damals besuchten, wurde bemerkt, dass die Mode in Frankreich viel moderner durch das Mauve wurde. In einer Illustrierten Londons schwärmte man in höchsten Tönen vom Vormarsch der Farbe Lila in Frankreich. Und in einer eine Londoner Satirezeitschrift machte man sich lustig, dass nun alle Frauen um die Kaiserin sich ebenfalls mit Mauve umhüllten. Es war noch die prüde viktorianische Epoche. Als die Möglichkeit entdeckt wurde, mit Lila oder Mauve Baumwolle einzufärben, war die Mauve Manie perfekt und die neue Industrie kam gar nicht mehr mit ihrer Produktion hinterher. In Deutschland wurde die Farbe Anilinviolett genannt. Perkin selbst sprach immer nur Mauvein, auch deshalb, weil es nach Pariser Haut Couture klang. Und tatsächlich brachten die Pariserinnen diese Farbe auf den Weltmarkt. Das hört sich alles so einfach an, aber der 21jährige Perkin hatte ganz schön zu rudern, um so einen wachsenden Industriezweig voranzubringen. Nun sollte ja alles Mögliche noch gefärbt werden, was wiederum die Satiriker auf den Plan rief. Sie schrieben:
“London befinde sich im Griff der Mauve Masern, einer Krankheit, leichte Form von Geisteskrankheit, eine Epidemie französischen Ursprungs, die mit masernartigen Borten und Bänderausschlag hauptsächlich Frauen betrifft.“
Männer könnte man mit einer kräftigen Dosis Spott entgegnen.
Charles Dickens sang in einer Zeitschrift ein Loblied auf Mauve, dass nicht so wie das tyrannische Purpur, zahm, langweilig und derb erscheint, sondern die Hemden unter den Westen und die Handschuhe färbt.
Bis 1861 hätte man in London einen Wahlkampf für Lila vermuten können, oder „Lang lebe Perkin!“
Die Schaufenster in der Oxford Street waren ausgeschlagen mit Stoffen, die den leuchtenden Extrakt des Steinkohleteers zur Schau trugen. Streifen, Bänder und Sommerkleider wehten in den Straßen. Purpurhände winkten aus den Kutschen. Und die Krinoline war ein besonderer Werbeträger für die neue Farbe. Die gesamte Modebranche war beschäftigt.
1860 kamen die ersten großen Exportaufträge aus Stuttgart, Amsterdam und Honkong. 6 Pfund pro Liter Mauveinlösung, die etwa 10fach verdünnt werden konnte. Diese neue Farbe versprach eine neue Weltanschauung und das Verfahren der Herstellung wurde in ganz Europa kopiert, um neue andere Farben herzustellen. Trendfarben wurden entwickelt und damit auch das Konsumverhalten der Frauen. Während man früher an der Farbe der Kleidung die Leute einer Gesellschaftsschicht zuordnen konnte, wurde das immer schwieriger.
Im 18. Jh. waren es beispielsweise Hofbedienstete und Angeber, die blaue Strümpfe trugen. Der gut gekleidete Herr trug zur feinen Abendgarderobe schwarze Seidenstrümpfe. Der Begriff Blaustrumpf war damals ein Spottname für Gerichtsdiener, die oft blaue Socken trugen. Als ein Botaniker, der blaue Baumwollstrümpfe im Salon einer Damenrunde trug, bei der sich schöngeistig über Literatur ausgetauscht wurde, war das ein modisches Vergehen. Die ganze Damenrunde machte sich zum Gespött und alle wurden als Blaustrümpfe bezeichnet. Seither wurde „Blaustrumpf“ zum Schimpfwort für Frauen, die sich bildeten, belesen waren und für die Emanzipation der Frau eintraten, wie beispielsweise die Suffragetten und die ersten Frauenrechtlerinnen. Lange hießen sie Blaustrumpf bevor sich die Lila Bewegung in Gang setzte.
Auf der Weltausstellung tauchten nach Perkins Erfolg mit dem Mauvein 28 andere Farbhersteller auf, alle aus Europa. Farben wie Mauvein ähnelten sich, hatten aber alle andere Namen.
Seit 1991gibt es in Deutschland das „Lila Archiv“, das die Aktivitäten zur Frauenbewegung sammelt. Wenn es auch heute noch hier und da eine Lila Villa gibt, Vereine die sich mit Lila outen, oder gar eine Partei, die sich „Die Violetten“ nennt, dann verbirgt sich dahinter nicht mehr die kämpferische Frauenbewegung, die in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts aufbrachen. Die Frauen sind bunter geworden, was generell ja nicht schlechter ist. Nur die Mädchen, die nachfolgende Frauengenerationen, sind vom Rosa oder Pink infiziert, und das weltweit. Angeblich soll dieser Farbton positiv die Psyche beeinflussen, Aggressionen und Gewalt besänftigen, eben sittsam wie einst das Veilchen im Moose. Die Rosa Welle rollte nach dem 2. Weltkrieg los. Bis dahin war die Mädchenfarbe Blau. Wie es in den Geschäften inzwischen aussieht, kann niemanden entgangen sein. Rosa wohin das Auge blicket, selbst wenn eine Trendfarbe dominiert. Rosa Perücken, Rosa Radio, Rosa Kinderzimmer, oder Rosa Geburtsklinik in Japan. Schauen jetzt alle durch eine rosarote Brille? Nicht zu vergessen, dass in der Zeit des Nationalsozialismus homosexuelle Männer mit einem Rosa Winkel in den Lagern gekennzeichnet wurden, die Männer also, die für manche keine richtigen Männer waren, eben nicht heterosexuell. Die Sexualität der Frauen hingegen wurde nicht ernst genommen. Lesben gab es nicht, die wurden dann eher als asozial eingestuft. Und was hat es zu bedeuten, dass man im Vatikan außer dem Weiß viel Rot, Pink und Violett sieht?
Auf alle Fälle lassen sich Frauen mit der Rosa Welle und den Regenbogenfahnen, gut von ihrem Kampf für Geschlechtergerechtigkeit ablenken, schade!
1891 schrieb O. Wilde:
Trauen Sie nie einer Frau, die Mauve trägt, wie alt sie auch sein mag und nie einer Frau über 35,
die auf rosa Bänder versessen ist.
Das bezeugt immer eine Vergangenheit.
Wie mag er das wohl gemeint haben?
Und wohin führen uns Farben noch?