Pflug­scha­re zu Schwer­tern - Neu­jus­tie­rung christ­li­cher Friedensethik?

In der Dis­kus­si­on zur so genann­ten Zei­ten­wen­de spie­len hoch­ran­gi­ge Mili­tärs eine gewich­ti­ge Rol­le. Sie sind die zu befra­gen­den Exper­ten, wenn es um mili­tä­ri­sche Logi­ken und das Abwä­gen von bri­san­ten poli­ti­schen Ent­schei­dun­gen geht. Ende Febru­ar lud die Pau­lus­ge­mein­de den aus zahl­rei­chen TV-Talk­shows bekann­ten Bri­ga­de­ge­ne­ral a.D. Klaus Witt­mann zu einem Vor­trag im Rah­men der 'Mon­tags­ge­sprä­che' ein.

Witt­mann reis­te wohl­ge­merkt nicht nur als Mili­tär­ex­per­te, son­dern auch als ehe­ma­li­ges Mit­glied der EKD-Syn­ode und Mit­ver­fas­ser einer evan­ge­li­schen Frie­dens­denk­schrift an. Das Inter­es­se war dem­entspre­chend hoch. Neben Gemein­de­mit­glie­dern und Bür­ge­rin­nen und Bür­gern der Stadt waren auch Akteu­re ört­li­cher Frie­dens­in­itia­ti­ven anwe­send. Doch vom ange­kün­dig­ten The­ma des Abends, das Impul­se für eine mög­li­che Frie­dens­ethik im Ange­sicht des Krie­ges ver­sprach, war nicht viel zu hören. Viel­mehr schwor der Refe­rent sein Publi­kum auf sei­ne hin­läng­lich bekann­te Hard­li­ner-Posi­ti­on ein, die kei­ner­lei Raum für Frie­dens­ge­dan­ken auf­kom­men ließ.

Witt­mann plä­dier­te für mehr und schnel­le­re Waf­fen­ex­por­te, für eine Ori­en­tie­rung auf einen mili­tä­ri­schen Sieg anstatt Ver­hand­lun­gen und rela­ti­vier­te die Gefahr einer wei­te­ren Eska­la­ti­on mit ato­ma­rer Ver­nich­tung. Und er teil­te kräf­tig aus gegen sei­nen Berufs­kol­le­gen Bri­ga­de­gen­ral a.D. Erich Vad, der als ehe­ma­li­ger Mili­tär­be­ra­ter der Mer­kel-Regie­rung beim Ber­li­ner „Auf­stand für Frie­den“ gespro­chen hat­te. Auch mach­te er kei­nen Hehl dar­aus, Kanz­ler Scholz nicht nur für zu zöger­lich zu hal­ten, son­dern auch für gänz­lich unge­eig­net. Schließ­lich hät­te die­ser als stell­ver­tre­ten­der JUSO-Vor­sit­zen­der ja schon den NATO Dop­pel­be­schluss von 1982 abge­lehnt und so zum Sturz von Hel­mut Schmidt bei­getra­gen, für den Russ­land ja nichts wei­ter als ein rück­stän­di­ges „Ober­vol­ta mit Atom­ra­ke­ten“ gewe­sen sei.

Mit der­lei Anek­do­ten und Details aus sei­ner Zeit als Stabs­of­fi­zier im Sturmau­ge des Kal­ten Krie­ges ver­stand es Witt­mann als erfah­re­ner Rhe­to­ri­ker, die Zuhö­rer­schaft ein­zu­stim­men auf sei­nen har­ten mili­ta­ris­ti­schen Kurs. Rus­si­sche Sicher­heits­in­ter­es­sen psy­cho­lo­gi­sier­te er dabei zu „Befind­lich­kei­ten“ oder „impe­ria­len Phan­tom­schmerz“ um. Das ist irri­tie­rend, denn Witt­mann war jahr­zehn­te­lang auf NATO-Kom­man­do­ebe­ne tätig - hat­te also maß­geb­lich sowohl an ato­ma­ren Plan­spie­len als auch an einer euro­päi­schen Sicher­heits­ar­chi­tek­tur nach dem Zer­fall der Sowjet­uni­on mitgewirkt.
Erstaun­lich auch, wie wenig wirk­sa­me Gegen­re­de von Sei­ten des Publi­kums zu hören war. Ein ehe­ma­li­ger christ­li­cher Frie­dens­ak­ti­vist begann sei­ne Fra­ge mit dem Satz “Ich stim­me ihnen voll zu“ und ein offen­bar waf­fen­tech­nisch inter­es­sier­ter Bür­ger woll­te wis­sen, was der Gene­ral per­sön­lich von der Neu­tro­nen­bom­be hal­te. Ledig­lich ein ukrai­ni­scher Zuhö­rer und ein Teil­neh­mer der Ber­li­ner Frie­dens­de­mo ver­such­ten, das Gehör­te ansatz­wei­se zu rela­ti­vie­ren, ohne dass sich dar­aus eine frucht­ba­re Dis­kus­si­on ent­spin­nen konn­te. Denn es gab nicht mal eine Moderation.

So war das Set­ting des Abends nicht auf einen argu­men­ta­ti­ven Aus­tausch ange­legt. Dabei wäre gera­de das von größ­tem Wert gewe­sen. Denn wenn schon ethi­sche Fra­gen wie etwa die­je­ni­ge nach der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit ange­sichts hun­dert­tau­sen­der Tote kei­ne Rol­le an die­sem Abend spiel­ten, hät­te wenigs­tens die angeb­li­che mil­tä­ri­sche Logik auf den Prüf­stand der Ver­nunft gestellt wer­den kön­nen. Schließ­lich ist auch ein geschmäh­ter Bri­ga­de­ge­ne­ral a.d. Vad nicht gegen Waf­fen­lie­run­gen, son­dern kri­ti­siert als erfah­re­ner Mili­tär­be­ra­ter die feh­len­den poli­ti­schen Zie­le, an die sie geknüpft wer­den müss­ten. Und wenn Vad dar­auf hin­weist, dass ein Abnut­zungs­krieg à la Ver­dun in der der­zei­ti­gen Patt­si­tua­ti­on kei­ne Lösung sein kann, beruft er sich immer­hin auf den Gene­ral­stabs­chef der US Streit­kräf­te Marc Milley.

Frie­dens­ethisch war der Abend in der Pau­lus­ge­mein­de also ein Total­aus­fall, denn das Wort fiel erst gar nicht. Dabei gäbe es zu die­sem The­ma theo­lo­gisch ver­sier­te Refe­ren­ten wie die ehe­ma­li­ge EDK-Rats­vor­sit­zen­de Mar­got Käß­mann oder den Theo­lo­gen Eugen Dre­wer­mann zu befra­gen: Was hat es heu­te noch auf sich mit der Berg­pre­digt und 'Schwer­ter zu Pflug­scha­ren' ? Kön­nen die Grund­über­zeu­gun­gen des Kon­zi­lia­ren Pro­zes­ses uns heu­te noch hel­fen und den Weg für drin­gend benö­tig­te Ver­stän­di­gung ebnen? Und ist es ethisch ver­tret­bar, Deser­teu­ren den nöti­gen Schutz und Asyl zu ver­wei­gern, damit sie für "unse­re Wer­te" auf dem Schlacht­feld sterben?

Im Juni 2023 fin­det in Nürn­berg der evan­ge­li­sche Kir­chen­tag statt. Den Ankün­di­gun­gen nach soll es dort hoch her gehen.

 

 

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