"Die Lie­der machen Jedem und Jeder Mut" Akki Schulz über Rio Reiser

Am 9. Janu­ar 2020 wäre Rio Rei­ser 70 Jah­re alt gewor­den. Der Kon­tra­bas­sist Akki Schulz gehört zu den­je­ni­gen, die die­ser Tage mit Live­kon­zer­ten an den Aus­nah­me­künst­ler geden­ken. Als Teil des Duos 'Scher­be kon­tra Bass' gibt der klas­sisch aus­ge­bil­de­te Musi­ker gemein­sam mit Ex-Scher­ben-Gitar­rist Mari­us del Mest­re meh­re­re Kon­zer­te. Im Inter­view spricht er über die leben­di­ge Fan­ge­mein­de und das musi­ka­li­sche Erbe von Rio Reiser.

Rio Rei­ser gilt als inzwi­schen als kano­ni­scher Song­po­et im deutsch­spra­chi­gen Raum. Wie geht es Dir als Free- & Fusi­on Jazz­künst­ler damit, sei­ne lied­haf­ten Rock­songs zu inter­pre­tie­ren? Wirkt das auf Dein übri­ges Schaf­fen zurück?

Nein, die „Scher­ben­welt“ ist sozu­sa­gen 'encap­su­lée', ein eige­nes Uni­ver­sum, in dem ich und mein Bass­spiel und mein Gesang sei­nen fes­ten Platz gefun­den hat. Ich betre­te die­se Welt, spie­le das, und es ist mir bei kei­nem ein­zi­gen der Kon­zer­te je lang­wei­lig geworden.
Mei­ne Ver­wur­ze­lung in der klas­si­schen und der Neu­en Musik einer­seits, der Zuge­wandt­heit dem Blues und Soul ande­rer­seits bie­tet wenig Andock­sta­tio­nen dafür, mei­ne Jazz-und Welt­mu­sik Pro­jek­te schon gar nicht. Auch mei­ne Ver­su­che, Rio- Song­wri­ting in eige­ne Songs ein­flie­ßen zu las­sen haben sämt­lich die Lat­te geris­sen. Die liegt eben sehr hoch beim Ver­gleich mit Rio Rei­ser. Und ich wer­de nichts davon veröffentlichen.

Mitt­ler­wei­le bist Du schon mehr als zehn Jah­re mit "Scher­be kon­tra bass" auf Tour. Wie groß ist Euer Radi­us und wie hat sich Euer Publi­kum in die­ser Zeit entwickelt?

Wir spie­len viel in der Punk- und Alter­na­tiv­sze­ne, in Ost und West und vor allem in der Schweiz! Wir spie­len oft vor „Sitz­pu­bli­kum“ in der Klein­kunst- und Kaba­rett­sze­ne. Wir waren zum Bei­spiel ein­ge­la­den von der gro­ßen Romy Haag zu ihrer Show „Blind Date“ in Ber­lin. Und wir haben ein spe­zi­el­les Publi­kum in der alten staats­fer­nen Rock­sze­ne der DDR. Dort hat­ten wir es sehr schwer uns durch­zu­set­zen, man muss authen­tisch sein und alles geben, und das erken­nen die­se. Und die Erben der „Kun­den“ ster­ben auch nicht aus! Sie rich­ten Fes­ti­vals aus, die in kaum einem Kalen­der ste­hen, wer dort spie­len darf ist geehrt. Respekt!

Gibt es auch jun­ge Men­schen die den Mythos "Ton Stei­ne Scher­ben" gar nicht erlebt haben und doch zu Euch kommen?

Ja, und ob. Oft sind sogar drei Genera­tio­nen im Saal anwe­send, das kann einen glück­lich machen! Die älte­ren Leu­te, die Teil der Kämp­fe um Frei­heit, Eman­zi­pa­ti­on und Frie­den waren, sind dies immer noch und bezie­hen Kraft aus unse­ren haut­na­hen Ver­sio­nen. Die sind oft schon um die Sieb­zig. Und dann haben wir oft auch kaum 20-jäh­ri­ge, die Enkel sozu­sa­gen mit­ten dazwi­schen. Sie erfor­schen ihren eige­nen Weg und die bewegt das 1 : 1.  Die Lie­der machen Jedem und Jeder Mut dazu.

Ende 2016 erschien eine 16-fach CD mit zu gro­ßen Tei­len nie gehör­tem Mate­ri­al. Ist der Fun­dus an Stü­cken nun aus­ge­schöpft oder gibt es nach wie vor noch musi­ka­li­sche Ent­de­ckun­gen zu machen?

Mei­nes Wis­sens hat das Rio-Rei­ser-Archiv wirk­lich jeden Fit­zel aus­ge­wer­tet. Jede Auf­nah­me, die brauch­bar ist dürf­te drauf sein. Sicher dürf­te es noch Skiz­zen geben, aber es ist getan; ein wun­der­ba­res Hoch an die Freun­de, die das begon­nen und nun voll­endet haben! Es sind alles Leu­te, die mit Rio noch bis zuletzt gear­bei­tet haben, die die­se gigan­ti­sche Fleiß­ar­beit voll­bracht haben….Mischka, Ker­schow­ski und vie­le ande­re, die ihr eige­nes Schaf­fen für Jah­re lie­gen lie­ßen – Mal schau­en, was sie nun wie­der selbst aus­he­cken wer­den! Wir tref­fen uns am Grab in Ber­lin, wo Rio nun liegt.

Wel­che Songs von Rio habt Ihr aktu­ell neu in Euer Pro­gramm aufgenommen?

Wir haben zwei der sel­te­ner gespiel­ten Stü­cke für die „70 Jah­re Rio“ Kon­zer­te ein­ge­floch­ten. Und zwar das ent­zü­cken­de „Hans­guck­in­die­Luft“ aus der Struw­wel­pe­ter­re­vue und „Lass uns ´n Wun­der sein“. Das Ers­te­re, um ein­fach Mal eine ganz ande­re Sei­te von Rio zu zei­gen und auf die zahl­rei­chen Betei­li­gun­gen an Thea­ter­mu­si­ken hin­zu­wei­sen. Das ande­re, weil es so ein schö­ner Abschluss vor den Zuga­ben ist, ein Impe­ra­tiv wie er schö­ner nicht sein könnte.

 

 

Aus­zug aus dem Pres­se­text von 'Scher­be kon­tra Bass'

Am 9. Janu­ar 2020 wäre Rio Rei­ser 70 Jah­re alt gewor­den. Er hat die­se Welt bereits mit 46 ver­las­sen und wür­de sich über ihren heu­ti­gen Zustand wohl kräf­tig schüt­teln und streit­ba­re Songs schrei­ben. Uns blei­ben sei­ne Lie­der. Eini­ge sind Klas­si­ker gewor­den, ande­re Kult­songs der Sub­kul­tur geblie­ben, tau­chen in kei­ner Radio­play­list auf und sind den­noch schlag­wort­ar­tig prä­sent. Sie geben uns Kraft im Hier und Heu­te, Hoff­nung und Ori­en­tie­rung, ste­hen für musi­ka­li­sche wie text­li­che Substanz.

 

Frei­tag, 10. Janu­ar 20: Hal­le (Saa­le) „Vil­la del Vino“, Anker­stras­se 15  – Beginn 19:30    www.villa-de-vino.de
– Aus­ver­kauft!  – evtl. noch Rest­kar­ten an der Abendkasse

Sams­tag, 11. Janu­ar 20: Ber­lin „Zim­mer 16“, Flo­ra­str. 16,
Beginn 21:00    Tel. 030 48096800  www.zimmer-16.de

Sonn­tag, 12. Janu­ar: Post­feld „Alte Meie­rei am See“, Honig­kamp 16, Post­feld (nahe Kiel),  Beginn 18:00 www.alte-meierei-am-see.de

 

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