Am 25. Mai 2013 wird bundesweit erstmals der Deutsche Entwicklungstag stattfinden. Das Motto hierzu lautet: „Dein Engagement. Unsere Zukunft.“ Dieser Tag ist all jenen gewidmet, die sich in Deutschland und in anderen Ländern für Entwicklungszusammenarbeit engagieren, so heißt es auf der Homepage.
Die Veranstaltung findet parallel in 16 deutschen Städten statt und soll die Vielfalt der zahlreichen Akteure sichtbar machen. Hier in Halle gestalten die Initiativen, Organisationen und Vereine der Region auf dem Markt ein buntes Programm für ihre MitbürgerInnen, um ihnen ein modernes Bild von Entwicklungszusammenarbeit zu vermitteln und sie zu eigenem Engagement anzuregen. Durchgeführt wird die Veranstaltung von der Engagement Global gGmbH im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). So die offizielle Pressemitteilung.
In anderen Worten, die Engagierten rödeln, damit sie mal ins Licht der Öffentlichkeit kommen und vor allem von dem ablenken, was das Bundesministerium gemeinhin unter Entwicklung versteht: Kapitalistische Einflussnahme auf die Wirtschaft der Länder des Globalen Südens. Eine Feigenblattaktion also. Die Engagierten haben dennoch reichlich Publikum verdient, denn sie sind diejenigen, die echte Entwicklungszusammenarbeit erproben. Informationen zu Akteuren und Programm: Entwicklungstag.de
Sophie Marie Thiele
Die Grenzen der Hilfe
Man könnte meinen, Hilfe zu leisten sei zumindest theoretisch eine ganz einfache Sache. Feststellen, wenn jemand Hilfe benötigt, und die Initiative ergreifen. Fertig. Doch schon beim Erkennen von Hilfsbedürftigkeit offenbaren sich dem verantwortungsvoll Helfenden schwierige Grundsatzfragen, welche das Helfen als eine ziemlich komplexe Angelegenheit erscheinen lassen.
Wenn man hilft, geht man allzu oft ganz subjektiv allein von sich aus, von den eigenen Bedürfnissen: Was möchte ich selbst gern? Wie sollte mein Leben aussehen, damit es mir gut oder eben besser geht? Und sind diese Fragen erst einmal geklärt, dann ist es häufig naheliegend, daraus auch auf die Bedürfnisse des anderen zu schließen und die ausgemachte Lücke zwischen dem beobachteten mangelhaften Ist-Zustand und dem subjektiv definierten Soll-Zustand durch Hilfsleistung zu füllen. Am Ende stehen da nicht selten ein sich gut fühlender Helfender – denn Helfen macht glücklich – und ein „überforderter Geholfener“.
Für letzteren war es die falsche Hilfe, denn er ist nicht glücklicher als zuvor. „Ich wollte doch nur helfen …“, sagt der beleidigte Helfer und versteht die Welt nicht mehr – oder vielmehr: die fremde Lebenswelt seines Nächsten, derer er sich doch eigentlich annehmen wollte.
So ähnlich oder vielleicht ganz genauso verhält es sich mit der Entwicklungshilfe. Mindestens so komplex wie die Entscheidung über die richtige Hilfe für den Nächsten – den Nachbarn, die Oma, den Obdachlosen – gestaltet sich die Strategieentwicklung bei der Hilfsorganisation in fernen Ländern. Hier kommt zu den unterschiedlichen Persönlichkeiten und den daraus resultierenden verschiedenen Bedürfnissen der Beteiligten noch der andersartige kulturelle Hintergrund als wichtige Größe hinzu.
Auch die Akteure der Entwicklungshilfe erkannten die Schwierigkeiten des Konzepts Hilfe irgendwann und nannten die Essenz aus dieser Erkenntnis schließlich Entwicklungszusammenarbeit. Ziel sollte es nun sein, Problemlösungen für die sogenannten „Entwicklungsländer“ nicht einseitig in Gang zu setzen, sondern gemeinsam mit den Betroffenen vor Ort zu erarbeiten. Hilfe zur Selbsthilfe oder ganz modern „Empowerment“ sind die Schlagwörter für das neue Konzept. Die moderne Entwicklungszusammenarbeit und ihre sicher als fortschrittlich anzusehende Strategie funktioniert in vielen Fällen gut und eigentlich immer besser als so manch postkolonialer Hilfsaktionismus.
Doch existieren auch weiterhin Probleme, trotz guter Vorsätze – gerade im Bereich der aufgeblähten institutionalisierten finanziellen Entwicklungszusammenarbeit (EZ).Ein wichtiger Aspekt, der im globalen Entwicklungsdiskurs immer wieder zur Debatte steht, ist im Fortschrittsnarrativ zu sehen, das der Entwicklungszusammenarbeit immer noch zugrunde gelegt wird.
Fortschritt wird von vielen Entwicklungstheoretikern und Praktikern mit wirtschaftlichem Wachstum nach kapitalistischer Wertlogik gleichgesetzt. Aber auch andere Aspekte unseres als fortschrittlich bewerteten westlichen Lebensstils fließen in die Zielsetzungen der modernen Entwicklungszusammenarbeit ein und führen am Ende dahin zurück, wo die „alte Entwicklungshilfe“ ihre Schwächen offenbarte. Zwar bekommen die Akteure vor Ort im Zuge der EZ nun oft Geld von den sogenannten „Geberländern“ in die Hand gedrückt, um eine Selbsthilfe zu organisieren, die an den lokalen Bedürfnissen ausgerichtet ist.
Doch bleiben diese Geldleistungen nicht selten an Bedingungen geknüpft, die der „Nehmer“ erfüllen muss und die sich wiederum an den Vorstellungen von Fortschritt nach westlichem Muster ausrichten.
Am Ende verkommt das Wort Zusammenarbeit in Verbindung mit dem Entwicklungsbegriff nicht selten zur Legitimation für das Oktroyieren von Maßnahmen, die den „Gebern“ Rechnung tragen und Nutzen bringen. So können Kampagnen der EZ auch oft als Erweiterung des Wirtschaftsraumes der Geberländer oder ausgelagerte Konjunkturmaßnahmen verstanden werden. Schließlich entwickelt sich im Zuge praktischer EZ oft der Bedarf an Waren, die im Nehmerland nicht hergestellt werden (können) und die dann teuer aus den Geberländern importiert werden müssen. Auch die Generierung von Einfluss auf die politischen Kulturen der Nehmerländer ist häufig maßgebliches Ziel der finanziellen EZ.
Nun kann man den Akteuren der EZ nicht per se schlechte Motive unterstellen. Doch selbst diejenigen, die tatsächlich aus ganz altruistischen Motiven heraus Entwicklungsprojekte in Gang setzen und begleiten, laufen Gefahr, im Zuge ihrer Arbeit Gefangene der eigenen Kultur zu bleiben. Westliche Moralvorstellungen bzw. Vorstellungen von Recht und Unrecht beispielsweise sind Konstruktionen, die nicht allgemeingültig sein müssen und trotzdem vielen Praktikern als universale ideelle Arbeitsgrundlage dienen. Auch hier lauern also Gefahren für die Selbst- und Mitbestimmung der betroffenen „Nehmer“.
Es bleibt also festzustellen, dass Hilfe, aber auch Zusammenarbeit mit dem Ziel der Veränderung immer Einflussnahme bedeutet. Das Außen verändert einen bestimmten Aspekt im Innern. Jeder Akteur der EZ muss sich dementsprechend fragen, inwieweit er sich legitimiert und vor allem im Stande fühlt, diese Veränderung zu initiieren, damit ein positives Ergebnis für alle Beteiligten erreicht wird. Am Ende jeder Maßnahme sollte im besten Fall immer die Autonomie stehen: selbstbestimmtes Handeln, das ein gutes Leben ermöglicht.
Der Artikel entstand mit Unterstützun von
Thomas Erling, solidaridad e. V. Halle - Verein für Bildungs- und Projektarbeit
in und über Lateinamerika.
www.solidaridad-ev.org; info@solidaridad-ev.org
Buchempfehlung: Richard Rottenburg: Weit hergeholte Fakten. Eine Parabel der Entwicklungshilfe.
Stuttgart: Lucius & Lucius, 2002
Die Bilder dieser Seite sind wie auch unser Titelbild in der Fotografieausstellung „Gesichter Maharashtras“ von Martin Kahles, Mitglied des studentischen Photoclubs „Conspectus Halle“, zu betrachten. Ort: Harz-Mensa, Öffnungszeiten Montag bis Freitag von 11:15 Uhr bis 14:00 Uhr.