In ihrem Buch "Das fossile Imperium schlägt zurück - Klimaschutz und Energiewende" wagt die Berliner Energieökonomin Claudia Kemfert einen Rückblick auf 10 Jahre Energie- und Klimapolitik, vorrangig in der westlichen Welt.
Das Buch beginnt mit einer Bestandsaufnahme der europäischen und US-amerikanischen Anstrengungen zur Klima- und Energiewende, beschreibt den aufkommenden "Krieg der Energiewelten", absolviert dann den unvermeidlichen Faktencheck diverser Argumente und wichtet anschließend die Handlungsoptionen für Verteidiger der Energiewende. Ganz offensichtlich ist der energiepolitische Frontalangriff von Lobbyisten fossiler Energien in den USA ausgegangen. Schon unter den Präsidenten Bush und Obama wurden globale Rohstoffkriege fortgeführt oder neu entfacht, begleitet von riesigen Fracking-Investitionen in den ländlichen Gebieten Nordamerikas.
Seit Trump im Amt ist, regiert die fossile Energieindustrie die USA ganz unmittelbar: Ein Anwalt der Öl- und Kohleindustrie leitet die US-Umweltbehörde. Der Energieminister leugnet den Klimawandel. Der Außenminister leitete einst einen Ölkonzern. Und auch der Innenminister sympathisiert mit der Gas-, Kohle- und Ölindustrie. Der "Climate Action Plan" Obamas wurde eingestampft, Investitionen in erneuerbare Energien gestrichen.
Da will die EU-Kommission nicht abseits stehen: Ein ehemaliger Energiekonzernchef leitet das EU-Ministerium für Energie und Wirtschaft. Der europäische Emissionshandel wird bis zur völligen Wirkungslosigkeit reformiert. In Spanien wurden die einst garantierten Förderungen für erneuerbare Energien rückwirkend gestoppt. Claudia Kemfert:
"Selbst in Deutschland, dem Klimapionier, sind die fossilen Energien wieder auf dem Vormarsch. Ausgerechnet die Erfinder der Energiewende blockieren in Brüssel Emissionsgrenzwerte, novellieren das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz zu Tode und beenden mal eben die Bürgerenergiewende. Unternehmen sind verunsichert. Umweltschützer sind fassungslos. Wissenschaftler sind verzweifelt. Sie alle stehen vor derselben Frage: Wie konnte das passieren? Wieso werden die fossilen Energien nach wie vor in deutlich höherem Maße gefördert als die erneuerbaren Energien? ... Fakt ist: Die Lobbyisten arbeiten derzeit auf Hochtouren. Immer erbitterter kämpfen die Vertreter der alten Energiewelt gegen die Welt der erneuerbaren Energien."
Denn die alten Energiekonzerne haben keine zukunftsfähigen Geschäftsmodelle. Die erneuerbaren Energien sind schneller gewachsen und billiger geworden als fossile Energien. Erneuerbare Energien schaffen technologische Wettbewerbsvorteile und sorgen für Wertschöpfung und Arbeitsplätze. Mit milliardenschweren Kampagnen lancieren die alten Energiekonzerne "alternative Fakten" und wiederholten die Unwahrheiten so lange und so laut, bis sich niemand mehr vorstellen kann, dass da gar nichts dran sein könnte.
Jenseits der Fakten
Wissenschaftler und Ökonomen brauchen mittlerweile einen großen Teil ihrer Zeit, um den täglich neu auftauchenden Behauptungen, Mythen und Fehlinformationen entgegenzutreten. Kommunikationsprofis der alten Energiewelt denken sich post-faktische Aussagen aus, testen sie in Varianten und verbreiten die erfolgreichsten dann in den sozialen Medien. Ganz aktuell ist es die Hitzewelle, die die gut bezahlten Ideologen der fossilen Energiewirtschaft zu Höchstleistungen treibt.
In der FAZ vom 4.8.18 und bei "vera-lengsfeld.de" wird wieder einmal geleugnet, dass der Klimawandel ein von Menschen gemachter ist. Die Ursachen seien vielmehr:
"1. Wärmeproduktion des natürlichen Kernreaktors im Erdinneren; 2. Wärmeproduktion durch die permanente unelastische Deformation der Erdkruste durch die Gezeiten; 3. fluktuierende Wärmeproduktion durch die Reibung der driftenden Kontinentalplatten an dem unterliegenden Magma."
Sicherlich gibt es Vorgänge im Erdinneren, die mit einem Kernreaktor zu vergleichen wären, auch die anderen genannten Energiequellen scheinen möglich, aber um diese zu quantifizieren, bräuchte man ein Forschungsprogramm mit Dutzenden ausgewachsener Geologen und Kernphysiker. Und so geht das täglich, Wissenschaftler und Öffentlichkeit werden mit vielen einfachen Behauptungen überschwemmt, die nur schwer exakt zu verarbeiten sind. In unserem Fall gibt es zum Glück den Unterschied zwischen Wetter und Klima, die Hitzewelle gehört zum Wetter und damit gut!
Claudia Kemfert will sich nicht in alltäglichen Abwehrkämpfen verschleißen. Als Abteilungsleiterin im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) setzt sie sich besonders für junge innovative Unternehmen ein: "clevere Start-ups mit dezentralen, flexiblen und digitalen Lösungen."
Besonders Stromspeicher-Technologien genießen ihre Aufmerksamkeit, Solarzellen aus natürlichen Rohstoffen, schwimmende Offshore-Fundamente und Blockchain-Anwendungen:
"Die Energiewende braucht ebenso eine nachhaltige Verkehrs- und Gebäudewende. Speicher-Techniken sind dafür extrem hilfreich. Aus überschüssigem Strom erneuerbarer Energien kann man zum Beispiel Wasserstoff herstellen, den man dann wieder zum Antrieb von Autos oder für die Klimatisierung von Gebäuden einsetzen kann. Einige deutsche Unternehmen haben solche Techniken schon auf den Markt gebracht. Derzeit noch nicht mit wettbewerbsfähigen Geschäftsmodellen. Das wird sich aber ändern, sobald die Energiewende nicht länger ausgebremst wird."
Claudia Kemfert "Das fossile Imperium schlägt zurück - Klimaschutz und Energiewende". Murmann Hamburg 2017. 15,- €
https://klima-luegendetektor.de/
Fotos: Claudia Kemfert, Murmann-Verlag