Der Fotograf Semjon Prosjak (1931−2018) gilt als ein Meister klassischer Fotokunst – mit Ausstellungen in der Ukraine, Russland, Litauen, Estland, Armenien, Tschechien, Polen, Frankreich, Großbritanien, Israel oder Argentinien. Durch ein Netzwerk engagierter Hallenser*innen kann ein großer Teil des Werkes des 2018 in Halle gestorbenen Künstlers nun in zwei Ausstellungen, einer Datenbank und einem Buch bewahrt und bleibend sichtbar gemacht werden. Wir sprachen aus diesem Anlass mit einem der Akteuere, dem Fotografen René Schäffer.
Wie kam es dass Du Dich so intensiv mit dem Nachlass eines anderen Künstlers beschäftigt hast ?
Semjon Prosjak war ein großartiger Mensach und heraussragender Fotograf. Wir kannten ihn persönlich. Ich habe viel von ihm gelernt. Es ist mir eine Ehre dem Meister Bilder in die Welt zu tragen und so sein Werk lebendig zu halten.
Wie viele Werke fandet Ihr insgesamt im Nachlass vor und welche fachliche / wissenschaftliche Hilfe konntet ihr in Anspruch nehmen ?
Es gibt verschiedene Anteile des Nachlasses. Einen, den sein Sohn Igor Prosjak sichergestellt hat. Dabei handelt es sich um ein großes Konvolut von circa 1900 fertigen Arbeiten und Negativen und einen, den man vor dem Container retten konnte. Als erstes ist es gelungen, seine Arbeiten in die Werkverzeichnisse des BBK Sachsen-Anhalt aufnehmen zu lassen und dort wesentliche Aspekte zu seinen Arbeiten professionell aufarbeiten zu lassen.
Ansonsten gibt es eine Handvoll Menschen, die sein Werk sehr zu schätzen wissen. Unter anderem wurde mit T.O. Immisch dem ehemaligen Kustos der photographischen Sammlung der Staatlichen Galerie Moritzburg und Roman Pliske von MDV ein Buchprojekt vorbereitet und beantragt. Dieses ist aktuell in Druck. Die Moritzburg hat ungefähr 20 Werke in Besitz. Frau Jule Schaffer und Frau Manuela Winter betreuen diese Arbeiten. Dort ist es aus Anlass der beiden Ausstellungen und im Zusammenhang mit der unserer Buchveröffentlichung zur Bestandsaufnahme gekommen. Natürlich gab es viele weitere Beihelfer, unter anderem auch Spender, die dazu verholfen haben, dass es einen russischsprachigen Text im Buch gibt und die Ausstellungen beaufsichtig werden.
Die Bilder von Semjon Prosjak zeigen sowjetisches und postsowjetisches Leben in schwarz weiss, viele Bilder offenbar ohne zeitliche Datierung. War die Einordnung in bestimmte Jahrzehnte überhaupt sinnvoll oder sind die Bilder aus Deiner Sicht zeitlos?
Es gibt zeitlich und geografisch drei große Wekreihen: Dnjepro, Halle und Sednjev. Diese sind nur teilweise zuordenbar. Ich sehe im wesentlichen zeitlose gefühlvolle Bilder. Eine exakte Datierung ist kaum möglich und aus meiner Sicht auch nur für einige Bilder wesentlich.
Der Künstler kam schon in den neunziger Jahren nach Halle und starb vor dem Ukraine-Krieg. Welches Feedback erlebt Eure Ausstellung und das Buchprojekt gerade?
Semjons "Fans" sind hoch erfreut, dass man endlich wieder etwas von ihm sehen kann. Das Buch wird mit Spannung erwartet. Die aktuelle Situation der Ukraine spielt eine nebengeordnete Rolle. Seine persönlich Geschichte zeigt jedoch, dass man schon einiges hätte lernen können.
Krieg und das was darum passiert hat sein Schaffen geprägt und doch nicht gebrochen. Er hat es geschafft, trotz seiner Eindrücke einen liebevollen Blick auf die Menschen zu eröffnen.
Künstlernachlässe sind auch ein kulturpolitisches Thema. Was geschieht mit den originalen Abzügen, nachdem Ihr diese digitalisiert und online archiviert habt?
Das Thema Künstlernachlässe ist ein sehr wichtiges. Wie man an Semjons Werk sehen kann ist es essenziell, solche kulturellen Schätze zu bewahren und sichtbar machen zu können. Im Moment sind die Arbeiten per Leihvertrag bei mir untergebracht. Da ich kein Kunstwissenschaftler oder Galerist bin, ist der Aufwand diese Arbeiten weiterhin sichtbar zu machen eine Anstrengung, die ich auch für meine eigenen Arbeiten aufbringen sollte. Somit bin ich tendenziell auf der Suche, die Aufgabe an professionelle Hände abzugeben. Vorerst bleiben die Arbeiten bei mir. Die jüdische Gemeinde hat für nächstes Jahre finanziellen Beistand für eine Ausstellung zu seinem fünften Todestag zugesagt. Schön wäre es, wenn es da schon ein enthusiastische Team gäbe, welches zu diesem Anlass eine Ausstellung mit seinen Arbeiten organisiert.
Das Projekt mit Ausstellung, Buch und Digitalisierung nahm einen großen Raum von mehreren Jahren ein. Inwieweit hat Dich das Projekt selbst in deiner Kunst beeinflusst und zurückgewirkt?
Semjons Haltung und Bildsprache sind ein großer Schatz an Bildung. Man kann viel lernen über Stille, Respekt, Liebe und Bildkomposition. Auch technisch sind einige Kniffe, die er persönlich im Labor gegeben hat unbezahlbar. Ich bin sehr froh ihm begegnet zu sein und die Ehre erweisen zu können, seine Arbeiten auch nach seinem Leben sichtbar zu halten.
Die Ausstellung "Fotografien von Semjon Prosjak" kann noch am 2. und 3. Juli im Literaturhaus Halle und parallel in in Teilen parallel in der Galerie Nord besichtigt werden.
Ein Bildband erscheint dieser Tage im Mitteldeutschen Verlag.
Semjon Prosjak in der Bilddatenbank des BBK Sachsen-Anhalt