Am Montag dem 27. Juni rief der Stura der MLU Halle zu einer Vollversammlung auf. Hauptinhalt waren Beschlüsse für Aktionen gegen die geplanten massiven Kürzungen im Zusammenhang mit Stellen- und Bildungsabbau. Die Versammlung gab grünes Licht für weitere Proteste unter anderem mit der Forderung, das "als Hochschulentwicklungsplan getarnte Kahlschlagspapier" zurückzunehmen, alle Fächer zu erhalten und die Streichung von Professuren zu revidieren. Über die realen Möglichkeiten und Handlungsoptionen einer solchen VV als demokratisches Instrument sprachen wir mit Lucas Warnke vom Bündnis #MLUunterfinanziert
Wie gut war die Vollversammlung besucht und verdiente sie auch wirklich diesen Namen ?
Lucas W: Es waren gut 80 Leute da. Damit ist es natürlich keine Versammlung, die einen Großteil der Studierenden abdeckt. Aber man muss natürlich sagen, dass ja nicht wir als Aktionsbündnis, sondern der StuRa als gewählte Vertretung der gesamten Studierendenschaft dazu eingeladen hat - und das mit wirklich sehr breiter Werbung von der Straßenbahn bis zu Campus-Ständen. Das heißt, die Beschlüsse und die Diskussionen können meiner Meinung nach Geltung und Repräsentativität beanspruchen.
Inwieweit können den nun Impluse aus der Studierendenschaft aufgenommen, formuliert und hoffentlich wirksam gemacht werden?
Lucas W: Natürlich ist das grundsätzliche Problem studentischer Hochschulpolitik, das unsere Macht relativ gering ist. Wäre es nach den Studierenden und Mitarbeiter*innen gegangen, dann hätte es diese Kürzungen nie gegeben. Das Problem mit der Wirksamkeit bleibt also bestehen. Nichtsdestotrotz haben wir mit dem nahezu einstimmigen Beschluss zum Leitantrag, der ja sehr deutlich macht, dass die Grundfinanzierung verbessert werden muss, ein Zeichen setzen können. Es ist eben nicht so, dass nur politisierte Leute in den Gremien damit ein Problem haben, sondern es bringen sich auch andere Studis in den Protest mit ein und halten die Kürzungspolitik für katastrophal - was die Landespolitik ja gerne ignoriert.
Welche Verbindlichkeit haben VV-Beschlüsse überhaupt bei hochschulinternen Gestaltung und Verteilung von Haushaltmitteln und Besetzung von Lehrstühlen - sind sie mehr als ein symbolisches Feigenblatt für Teilhabe?
Beschlüsse der Vollversammlung haben nach meinem Verständnis Verbindlichkeit für die Studierendenschaft, also z.B. den Studierendenrat der MLU. Ich bin dort nicht mehr Mitglied, aber ich gehe stark davon aus, dass das entsprechend umgesetzt wird. Ich denke auch nicht, dass der StuRa das als Feigenblatt nutzt, sondern als Symbol - ich denke, dass man das unterscheiden kann und muss. Auf die konkrete Zuteilung von Mittel der MLU hat diese leider keine Auswirkung, außer dass sich die Studierenden in den universitären Gremien hoffentlich daran gebunden fühlen und entsprechend aus ihrer Minderheitsposition abstimmen können (zum Beispiel im Senat oder Fakultätsrat).
Welches Mitspracherecht wäre aus Sicht des Bünsnisses als demokratisch zu bezeichnen und inwieweit gibt es in Deutschland oder anderswo dafür bereits erfolgreiche Vorbilder?
Demokratisch wäre eine Viertelparität in den universitären Gremien, das heißt mit jeweils einem Viertel der Sitze pro Statusgruppe. Das gab es nach der 68er-Revolte bereits in Westdeutschland, wurde vom Verfassungsgericht damals aber gekippt. Seitdem ist viel passiert. Es braucht also einen neuen Versuch, diese gleichen Rechte für Mitarbeiter*innen und Studierende endlich wieder umzusetzen. Nur das hilft gegen die absolute Mehrheit der Professorenschaft. Darüber hinaus muss wieder Macht vom Rektorat auf den Senat übergehen. Es kann nicht sein, dass das Leitungsgremien den Haushalt aufstellt und ihn dem Senat als höchstem Gremium nur zur Kenntnis geben muss. Das ist eine extrem besorgniserregende Tendenz, die wir in viele Bundesländern haben.
Die so genannte Studentenrevolte der 68er ist musealisiert und mystifiziert worden. Ist eine ähnliche Bewegung ansatzweise in Sicht- oder Hörsaalweite aus Eurer Perspektive ahnbar?
Ich habe mich ja vorhin schon positiv auf die 68er bezogen. Deren Errungenschaften stehen natürlich in einem besonderen historischen Kontext: Der sozial-liberalen Bildungsexpansion und dem Aufrütteln reaktionärer Strukturen in der gesamten Hochschullandschaft, die davor ja extrem konservativ bis rechts war. Diese Bildungsexpansion hat sich zwar glücklicherweise bis heute fortgesetzt, aber gleichzeitig hat der Neoliberalismus die allgemeinen Bildungsbedingungen immer weiter verschlechtert, sodass die Uni kein Ort mehr ist, den man sich z.B. in einer Revolte aneignen möchte, sondern viele versuchen eher, möglichst wenig Zeit an der Uni zu verbringen. Das ist der große Unterschied. Ich glaube, dass das größten Potential tiefgreifenderer gesellschaftlicher Veränderungen schon aufgrund der Notwendigkeit in einem sozial- und weniger in einem bildungspolitischen Protest liegt, an dem sich Schüler*innen, Studierende und Arbeiter*innen gleichermaßen beteiligen. Aber natürlich hängen Bildungs- und Sozialpolitik, generell Bildung, Arbeit und Herrschaft, ja auch untrennbar miteinander zusammen.