Der nächste große Landnutzungswandel steht vor der Tür. Landwirtschaft wandelt sich zur Energiewirtschaft. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass dieser Wandel die Ansicht der altmärkischen Kulturlandschaft für sehr lange Zeit verändern wird. Nicht die Ansicht der Städte, nur die Ansicht der Dörfer.
Eine vermehrte technische Homogenisierung und damit einhergehende Fragmentierung der Landschaft durch den großzügigen Bau von Freiflächen-PV-Anlagen und Windkraftanlagen hat begonnen. Auch in der Altmark. Einige Bereiche traf es früher, einige Areale trifft es später. Die technische Zurichtung dessen, was wir Kulturlandschaft nennen, nennt sich „Energiewende“. Dahinter steckt, wenn man genau hinschaut und alle Fakten untersucht, ein weiterer Raubbau an der Natur. Diesmal sogar ohne Landschaftsschutzbelange und Artenschutzbelange berücksichtigen zu müssen.
Haben wir in der Altmark nicht bereits eine Überlast an Windenergieerzeugung?
Der Druck auf alternative Energieerzeugungen umzusteigen ist hoch. Sehr hoch. Weg von Gas, Kohle und Atomkraft – das ist gut und sinnvoll. Windkrafträder und PV-Anlagen werden benötigt, um die Energiewende zu vollziehen. Ob es in diesem hohen Maß sinnvoll ist, traut sich kaum einer zu fragen. Von Verzicht und Einsparungen zu sprechen ist unpopulär geworden. Und das zu einem Zeitpunkt wo wir diese Diskussion vermehrt führen müssen.
Haben wir in der Altmark nicht bereits eine hohe Überlast an Windenergieerzeugung? Produzieren wir nicht bereits mehr, als verbraucht werden kann? Und das seit Jahren. Die Anlagen für die Energiewende müssen irgendwo stehen. Stadtgelände bietet sich nicht an – zu gefährlich, zu teuer und zu wenig nutzbare Flächen, zu viele Bewohner. So offenbar die einheitliche Meinung. Das Land zwischen den großen Städten soll aushelfen. Wieder einmal. Das Ökosystem Land soll das liefern, was die Stadt und Industrien verbrauchen. Erst waren es nur Boden, Klima, Tiere, Pflanzen und Wasser im industriellen Maßstab. Nun kommt die Energie dazu. Stadt verbraucht Land.
Erst waren es nur Boden, Klima, Tiere, Pflanzen und Wasser im industriellen Maßstab. Nun kommt die Energie dazu. Stadt verbraucht Land.
Eine zu große technische Zurichtung des ländlichen Raumes wird den Lebensrhythmus, die Ästhetiken und damit die Zukunft des Landlebens wahrscheinlich weiter empfindlich stören. Zudem werden die meisten Landbewohner von der Energiewende nichts haben als ein erschrockenes Staunen und Wundern darüber, was mit dem Land um sie herum passiert. Die einträglichsten Gelder, die mit der Energiewende generiert werden, fließen aus den Dörfern heraus an große Unternehmen. Da hilft die knapp bemessene finanzielle Beteiligung der Gemeinden am Energiewende-Geldfluss nicht wirklich weiter. Das Wort „abgespeist“ fällt mir ein. Merken werden die Gemeinden und wir Gemeindemenschen das erst später. Wenn es zu spät ist. Wenn unsere Blicke nach Nord, Ost, Süd und West an hohen unschönen Zaunanlagen sowie dicken Masten hängen bleiben. Wenn die Geräuschketten der Rotoren nicht abreißen wollen. Wenn nachts der Sternenhimmel durch rote Warnlichter gestört wird. Wenn sich weniger Gäste in unsere Region verirren, weil sich längst herumgesprochen hat, dass wir in der Altmark Energieerzeugungsfläche und keine Erholungsfläche sind.
Der Mensch suchte immer nach technischen Möglichkeiten sein Leben zu verbessern. Und das ist tatsächlich gelungen! Sein Leben wurde immer komfortabler, der Natur ging es vermehrt an den Kragen. Man kann einwenden, dass wir uns sowieso auf dem Weg der vermehrten technischen Nutzung des Landes befinden. Der Bau von Stromtrassen, Biogasanlagen, Autobahnen, Wohn- und Industriegeländen reißt nicht ab. Ja, so ist es. Wir rauben und brandschatzen, wir lassen nicht nach, wenn es um das Thema Naturverbrauch geht. Das ist kein Fortschritt, den ich mir wünsche. Das ist ein als Fortschritt getarnter Rückschritt. Man könnte sogar sagen, wenn man den ganz großen Bogen schlägt, ein schleichender Vernichtungsfeldzug gegen uns selbst. Er lässt das Ästhetische, das uns Menschen erst zu fühlenden und empathischen Wesen macht, in eine bedrohliche Bedeutungslosigkeit absinken.
Es ist eine traurige Ironie der Naturschutzbewegung, dass die großen deutschen Naturschutzverbände keine eigene Energiewende-Vision entwickeln konnten
PV-Anlagen gehören auf Dächer. Alle Dächer. Auch Asbest. Windkrafträder: Jedem Dorf eine mittelgroße Anlage oder 2/3 Dörfer teilen sich eine anpasste Anlage mittels genossenschaftlichem Engagement. Preise runter und weitere Förderung für privat genutzte Dach- oder Balkon-PV-Anlagen, damit sich auch Geringverdiener diese Energieerzeugung leisten können. Autonome Energieerzeugungen vermehrt zulassen, nicht nur auf Großunternehmen setzen, die die Energie aus der Fläche ziehen und Gewinne generieren, von denen das Land, das diese Energie erzeugt, nichts hat.
Es ist eine traurige Ironie der Naturschutzbewegung, dass die großen deutschen Naturschutzverbände keine eigene Energiewende-Vision entwickeln konnten. Sie beugen sich dem um sich greifenden Wegfall des Arten- und Landschaftsschutzes. Dabei haben sie jahrelang dafür gekämpft, dass diese Gesetzgebung Wirklichkeit wurde.
Amanda Hasenfusz, Mai 2024
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