An der Stelle des Fäustedenkmals steht seit kurzem eine stählerne Hand, die scheinbar freundlich auf spanisch Hallo, also „hola“ sagt. Das ist so überflüssig und unpassend wie die Architektur des MDR Hauses „Spitze“ im Zentrum, oder das Bunker-förmige Finanzamt am Hallmarkt. Warum Spanien? Und warum hallo? Dass es eine Hand ist, scheint ja nun im Zusammenhang mit den Fäusten zu stehen. Aber eine freundlich dargebotene Hand ist es nicht.
Mit den Zeiten ändern sich die Namen, einst hieß er Thälmannplatz, seit der Wende Riebeckplatz. Danach stand noch zwei Jahrzehnte eine große Betonskulptur am oberen Ende der Leipziger Straße, die so genannten Fäuste. Das waren fünf emporgereckte Fäuste, die den Kamp der Arbeiterklasse für Sozialismus und Frieden darstellten. Daran waren aus der Nähe erkennbare Jahreszahlen befestigt, die sich dem geschulten Betrachter erschlossen, 1917 für die Oktoberrevolution, 1924 Kappputsch, 1949 Gründung der DDR und so weiter. In den Farben schwarz rot gold war als einzige bunte Jahreszahl die 1990 anmontiert, als somit erkennbarer Endpunkt der sozialistischen Arbeitberbewegung. 2003 wurden die Fäuste im Zuge des Umbaus des Riebeckplatzes zerstört, auf Willen des Stadtrates. Wieso eigentlich? Der Bauunternehmer wollte sie sich in den Vorgarten stellen – über Geschmack lässt sich ja streiten – und selbst das wollte die Stadt nicht zulassen. Dabei waren die Fäuste so etwas wie Halles Wahrzeichen, eines unter mehreren freilich. Vom alten Riebeckplatz aus stachen sie ins Auge und wer zu Fuß vom Bahnhof kam lief direkt auf sie zu.
Mit der Zerstörung der Fäuste ist ein weiteres Stück öffentliches Gedächtnis verloren gegangen. Denn Halle hat selbst eine bewegte Geschichte in der Arbeiterbewegung. Im roten Halle tobte im Frühjahr 1919 ein kleiner Bürgerkrieg zwischen Freikorps-Truppen und revolutionären Arbeitern und Soldaten. Das war nachdem die kurzlebige kommunistische Republik in Berlin schon niedergeschossen war und bevor die Räterepublik in München unterlag. Halle war im Zentrum der deutschen, wenn nicht der globalen Geschichte. Hätten die aufständischen Matrosen, Arbeiter und Soldaten gewonnen wäre das Jahrhundert ein ganz anderes gewesen. Während des Kapp-Putsches 1924 kam es erneut zu bürgerkriegsähnlichen Kämpfen mit mehr als hundert Toten. Karl Völker schrieb über die blutige Woche: „Nach einem versuchten Putsch der NSDAP und Adolf Hitlers, der von einem Generalstreik und bewaffneten Arbeitern zurückgeschlagen wurde, versuchten diese, einmal bewaffnet sogleich den Sturz der Klassengesellschaft, und unterlagen der regulären Armee. Bewaffnete Arbeiter kämpften gegen die Bewohner des Paulusviertels, die sich mit damals noch dort befindlichen Kaserne und den stationierten Soladten verbündet hatten. Der Galgenberg war mehrere Tage lang besetzt, auch da wurde gekämpft. So ging es weiter bis zur Machtübernahme durch die Nazis, im roten Halle, wie es hieß, marschierten streikende Arbeiter regelmäßig in Demonstrationszügen durch die Stadt und wurden oft von der Polizei angegriffen."(1)
Man kann nun den Realsozialismus hassen, ihn lieben oder eine Position mit Grautönen und Schattierungen einnehmen. Auf jeden Fall gehört er zur Stadt, er ist eine Realität, die Halle tief geprägt hat. Diese Vergangenheit ist in der Stadt präsent, in den Menschen, ihren Biographien und Erinnerungen. Eine Stadt jedoch, die ihre Denkmäler und historischen Orte zerstört, ist wie ein Mensch, der unter Alzheimer leidet. Die Vergangenheit ist zwar noch da, aber sie zerfällt in Bruchstücke, in Splitter und unzusammenhängende Sequenzen. Nichts wäre wichtiger in der vergesslichen Zeit des Internets und der Halbbildung, als Erinnerungsorte zu bewahren.
An der Stelle des Fäustedenkmals steht seit xx eine stählerne Hand, die scheinbar freundlich auf spanisch Hallo, also „hola“ sagt. Das ist so überflüssig und unpassend wie die Architektur des MDR Hauses „Spitze“ im Zentrum, oder das Bunker-förmige Finanzamt am Hallmarkt. Warum Spanien? Und warum hallo? Dass es eine Hand ist, scheint ja nun im Zusammenhang mit den Fäusten zu stehen. Aber eine freundlich dargebotene Hand ist es nicht. Die hola-Hand ist grotesk häßlich und als Kunstwerk völlig mißraten. Angenommen, sie wäre nicht häßlich sondern wäre tatsächlich eine freundliche Geste, dann wäre sie immer noch Kitsch. Denn was soll diese aufgezwungene Freundlichkeit? Die Fäuste waren reale Geschichte der Stadt, die Hand ist die Ideologie der Geschichtslosigkeit. Wie wäre es, wenn dort ein Geldkoffer aus Bronze stünde, oder eine Statue eines Politikers, der sich einen Umschlag der Bauwirtschaft reichen läßt? Denn was passiert denn zwanzig Meter daneben? Da wurde einer von zwei Türmen mit Wohnunen abgerissen, während die Mieten in der Stadt auf ein für viele Menschen unerreichbares Niveau steigen. Statt dessen wird dort neu gebaut, von der scheinbar einzigen Baufirma in Halle, Pappenburg.
Die debile hola-Hand und ihre völlig gezwungene Freundlichkeit wirken so stahlkalt wie die Verhältnisse es sind. Damit hat sie doch wieder ein Realität, indem sie ebenjene verlogene Häßlichkeit ausdrückt. Aber unverständlich bleibt das ganze doch. Wenn es nach mir ginge, würde die Hand eingeschmolzen und die Fäuste wieder aufgestellt.
Winfried Toste
(1) Die Verhältnisse der Zeit beschrieb Karl Völker in: Völker: Armut in Halle
Lieber Herr Toste,
soweit ich generell nachvollziehen kann, dass sozialistische Geschichte ihren Platz im Stadtbild zusteht, find ich Ihre Kritik an der neuen Hand am Riebeckplatz sehr unangebracht.
Zunächst steht auf der Skulptur gar nichts auf spanisch. Es heißt 'Hallo' oben und 'Holla' unten. Erinnert mehr an "Holla, die Waldfee" als alles andere, und zum spanischen 'Hola' würde vielleicht eher noch ein Ausrufezeichen dazugehören? Oder wissen sie mehr wie das von der Künstlerin gemeint ist?
Mit naiven Augen draufgeschaut, finde ich die Skulptur und das 'Grüß Göttin' erstmal nur witzig. Mal ein bisschen ein Augenzwinkern an die männlichen abrahimitschen Religionen und etwas Exotik zwischen dem Funktionsbeton. Man phantasiert, wie die Hand im Untergrund weitergeht und durch welche Ruinen sie sich durchwühlen musste.
Etwas kritischer gesehen, trägt die Skulptur schon sowas wie Orientalisierung in sich. Fremde Sprachen und Schriftzeichen als Projektionsfläche? Sehnsucht homogenisiert so auch immer das, was man dann als "Eigenes" empfindet. Aber irgendwie find ich die goldene Hand wiederrum schon kitschig und hippiesk genug, als dass es okay ist. Grade für den Ort, wo viele Nicht-Deutsche Ladeninhaber ansässig sind, ist es doch auch ein ganz versöhnliches Zeichen, diese Freundlichkeit. Gehören schließlich dazu, sonst sind wir wieder bei den von Ihnen genannten unzusammenhängenden Sequenzen.
Für mich ist es jetzt zumindest eine Bereicherung. Wenn ich Gäste vom Bahnhof abhole und mit ihnen nach Hause laufe, ist da was an diesem Ort. Erinnerung wird dadurch wieder bewusst. Ich kann sagen, früher waren hier wohl große hohe Fäuste und jetzt eine nicht mehr allzu größenwahnsinnige aus dem Boden stehende Hand. Sie verweigert sich einer Erklärung, aber sie nimmt wenigstens den Anspruch auf den Platz zu gestalten. Augenzwinkernd und zum nachdenken.
Das Stadtbild bildende Kunstwerk, sollte etwas allgemein Verständliche ausdrücken. Die Fäuste sind obsolet gewesen und auch morbide Kälte der Härte eines Freiheitskampf. Die Aufgabe an so eine strenge Geschichte erinnert zu werden ist metaphysischer Natur und kann durch Bildung neue Kunstwerke hervorbringen. Die Hand stört mich nicht, aber es gibt Leute die können mehr mit dem Schweißbrenner. Aber es soll ja auch jeder verstehen können. Die Runen erfordern Interesse und Bildung. Das sind gute Eigenschaften. Sich mit einen Freiheitskampf zu befassen ist düsterer, weil Kampf negativer ist. Sich mit Spanien verbunden fühlen oder erinnern, wo all die großen Künstler herkommen ist doch IO.
Weckt den Klugscheißer in dir: die DDR wurde 1949 gegründet, nach der Wende wurden vier Jahreszahlen hinzugefügt und das Fäustedenkmal wurde 2003 abgerissen. Siehe
https://www.halle-im-bild.de/fotos/gedenksteine-staetten/monument-der-revolutionaeren-arbeiterbewegung