Heute ist es passiert: am Freitag, dem 8. Juni 2018 hat die Stadt Halle (S.) die Wilde Saale für Paddelboote, Kajaks und Kanus geöffnet. Zur Eröffnungsfahrt mit dem OB und seinem Tross war ich (D. S.) eingeladen, nahm dann mit einigen Gewissensbissen auch teil.
Mit der Öffnung der Wilden Saale für einen "sanften Tourismus" wirft die Stadtverwaltung mit der redensartigen Wurst nach der Speckschwarte - Eingriff in ein Naturschutzgebiet gegen eine mögliche Förderung des Wassertourismus.
[rl_gallery id="19079"]Start war am Bootsverleih unter der Peißnitzbrücke, überall wurde in Kameras und Mikrofone gesprochen. Ich kam auf das "Dichterboot" und führte angenehme Gespräche mit einer ehemaligen Stadtschreiberin. Sanfter Tourismus also, auf einem Rundkurs entlang des Ziegelwiesen-Ufers mit der Badestelle. Weiter entlang des Riveufers zum Amselgrund. Dann eine scharfe Kurve in das bisher streng geschützte Naturrefugium. Ein Biber (oder Nutria?) suchte empört das Weite (ich habe seinen Schwanz nicht gesehen). Eine Stockenten-Familie ergriff schnatternd die Flucht. Wenigstens hielten sich die Eisvögel und Beutelmeisen zurück und zeigten sich nicht.
Die nördliche Wilde Saale ist weitgehend ausgeräumt, auch die Biber-(Nutria?) Fraßspuren waren komplett weggefräst. Im südwestlichen Teil der Wilden Saale hat man mehr Wildwuchs stehen gelassen, so dass sich eine reizvolle, beinahe slalomartige Paddelstrecke ergibt. Die größte Herausforderung ist zweifellos die Sandbank nahe der Schafbrücke. Kein wirkliches Hindernis, auf der Ideallinie setzen auch zentnerschwere Senioren nicht auf. Dann gibt es noch die Reste eines Holzpfahls unter der Schafbrücke. Auch die sollen stehenbleiben, erklärte ein Mitarbeiter des Bootsverleihs, um der Stecke eine gewisse Naturnähe und Abenteuerlichkeit zu lassen. Wobei sich bestimmt bald Vollkasko-Touristen darüber beschweren werden.
Am Stadthafen ging der OB von Bord und biss in das nächste hingehaltene Mikrofon. Ich dachte an den AHA, den Arbeitskreis Hallesche Auenwälder, der kürzlich vermutete, das Ganze sähe danach aus, dass man die Paddler in die Nebenarme „abzuschieben“ versuche, um den schnellen und langsamen Motorbooten auf den Saalehauptarmen den freien Raum zu überlassen. Der AHA fordert eine wissenschaftlich fundierte Tourismuskonzeption, welche Naherholung und Tourismus dem Schutz und Erhalt von Natur, Landschaft und Umwelt unterordnet. Die Arten- und Strukturvielfalt schwindet, welche aber u. a. die anziehende Wirkung für die Bevölkerung ausmacht. Daher gilt es die Flusslandschaft der Saale in Halle nicht zu vermarkten, sondern zu schützen und zu erhalten, sie für künftige Generationen zu bewahren.
Die Spinner von der Wasserwacht rasten in Höchstgeschwindigkeit an uns vorbei. Unnötige Poser-Fahrten müssten verboten werden, schon allein wegen der Uferschäden! Die allgegenwärtigen Abgas- und Lärmbelästigungen müssen in Landschafts- und Naturschutzgebieten auch nicht unbedingt sein. Insgesamt also ein Bild mit gemischten Farben und Gefühlen. Die Öffnung der Wilden Saale ist nicht das "Reich des Bösen", hat aber die Tür zu späterer Naturzerstörung weit geöffnet.