Nähert man sich der Stadt Halle von Norden, dann grüßt freundlich der Petersberg herüber und es wird Zeit, sich aufs Ankommen vorzubereiten. Ein vertrautes Gefühl beschleicht das Herz. Heimat. Nun stelle man sich vor, der Petersberg wäre eines Tages weg. „Weg? Wie meinen Sie das, weg ...“, werden Sie irritiert fragen, „wohin soll er denn sein, der Berg?“ Nun, am Petersberg nagt der Porphyrabbau. Der Schwerzer Berg ist ihm bereits zum Opfer gefallen. Also doch ein Berg weg.
Ort
Der Schwerzer Berg war mit seinen 132 m ü. NHN niedriger als der Petersberg (250 m ü. NHN), überragte aber das umgebende, langweilige Ackerland um etwa 35 m. Er gehörte zu den vielen Porphyrkuppen im nördlichen Saal(e)kreis, die uns die vulkanische Vorvergangenheit unseres Landstriches hinterlassen hat und die aufgrund der geringen Niederschlagsmengen im mitteldeutschen Trockengebiet und des steinigen Untergrundes eine an diese Verhältnisse angepasste besondere Vegetation tragen, die die Biologen Mager- oder Trockenrasen nennen.
Kultstätte
Die Website der Gemeinde Schwerz-Dammendorf berichtet, dass der Berg, an dessen Fuß der Ort Schwerz liegt, eine slawische Kultstätte gewesen sei, auf der der Sonnengott Svarožić (bei den Elbslawen Radegast) verehrt wurde. Noch bis ins 18. Jahrhundert soll der Berg als Gerichtsstätte genutzt worden sein. In den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurden hier die gefallenen „Helden“ des ersten Weltkrieges geehrt, von 1933 bis 1962 wurde der Maifeiertag auf dem Berg begangen.
Steinbruch
Um 1750 wurde mit dem Abbau von Gestein begonnen. Die Altsteinbrüche befanden sich zwischen Berggipfel und Straße sowie auf der Nordostseite des Berges. Neben dem Hauptgipfel lagen ca. 300 m weiter westlich zwei Nebengipfel. Sie blieben bis zuletzt erhalten.
1962 wurde der Volkseigene Betrieb (VEB) Natursteinkombinat Halle, Schotterwerk Schwerz, auf dem Schwerzer Berg errichtet. Damit begann der große Abtrag der Spitze. Für den Abtransport des Schotters (ca. 610 t am Tag) wurde ein Gleisanschluss von Niemberg aus gelegt. 1991 wurde das Werk auf dem Schwerzer Berg abgerissen und neu gebaut. Der Betrieb gehört seitdem zur Mitteldeutschen Baustoff GmbH mit Sitz in Sennewitz. Seit der Neuerrichtung beträgt der Abbau 800 Tsd. bis 1 Mio. t im Jahr. Es sind 29 Personen beschäftigt. Der Vorrat wird auf noch 10 Mio. t geschätzt. Der Bahntransport des Schotters nach Niemberg wurde 1990 eingestellt, der Schotter seitdem per Lastverkehr abtransportiert. Am Standort Schwerzer Berg befindet sich heute das Edelsplittwerk Schwerz.
Abgesang
Ein Anfang der 90er Jahr aufgenommenes Luftbild zeigt, dass zu dieser Zeit der Hauptteil des Berges schon vollständig in Anspruch genommen war, aber die westlichen Kuppen noch unbeschädigt waren. Dort befand sich die Gärtnerei Knibbe. Dieser Bereich wurde auf eine Vorschlagsliste der im Saalkreis als flächenhafte Naturdenkmale unter Schutz zu stellenden Objekte gesetzt. Trotz offenkundiger Schutzbedürftigkeit scheiterte die Unterschutzstellung daran, dass sich die Flächen bereits im Bergwerkseigentum befanden. Der Steinbruchbetrieb erfolgte auf der Grundlage einer immissionschutzrechtlichen Genehmigung, die zu den hochwertvollen Trockenrasenflächen lediglich bestimmte: „Die Trockenrasenflächen sind zu schonen“, was immer das konkret meinte. Trockenrasen gehören zu den geschützten Biotopen. Noch die Reste, die sich in dieser Zeit auf dem ruinierten Schwerzer Berg fanden, durften als artenreichste des ehemaligen Saalkreises gelten. Dutzende Pflanzenarten kamen nur dort vor. So hatte der deutsche Ginster hier sein letztes Vorkommen im Großraum Halle.
Die Gärtnerei Knibbe wurde um das Jahr 2000 auf Betreiben und mit Unterstützung des Steinbruchbetreibers nach Niemberg umgesiedelt, um die Sicherheitszone auflösen und die verbliebenen Felskuppenbereiche abbauen zu können. Anschließend wurde der Steinbruch schrittweise erweitert und das Wäldchen hinter dem Gärtnereigelände abgeholzt. Der Naturschutz bemühte sich nun verstärkt um den Erhalt der restlichen Trockenrasen.
Bei Gesprächen mit dem Betreiber wurde dargelegt, dass der Weststoß des Steinbruchs infolge von Sprengungen und wegen der Art der Klüftung hochgradig erosionsgefährdet sei, es nach der Frostperiode alljährlich zu Felsabbrüchen komme und deshalb aus Sicherheitsgründen für die im Steinbruch Beschäftigten Felsmaterial abzutragen sei. Der Vorschlag, diesen Konflikt durch Herstellung einer standsicheren Böschung zu lösen, wurde mit einer Planunterlage beantwortet, bei der die Böschungsoberkante mehr oder weniger im Bereich des Hügelfußes (unter Totalverlust des Trockenrasens) zu liegen kam. Der Restbestand des Schwerzer Berges war mit dieser Argumentation bereits damals nicht mehr zu halten.
Nach der Abräumung des Wäldchens kam 2004 eine kleine dritte Vorhügelkuppe mit Trockenrasenbestand zum Vorschein, die bis dahin nicht zu erkennen gewesen war und so in der Diskussion keine Rolle gespielt hatte. Sie war unter der Oberfläche bis in relativ große Tiefe von quartären Ablagerungen umgeben, so dass eine Böschungsinstabilität dort nicht zu befürchten gewesen wäre. Diese Kuppe wurde noch 2004 beseitigt. Gegen den Betreiber wurde Strafanzeige erstattet. Die Anzeige wurde offenbar nicht an die zuständige Naturschutzbehörde weitergeleitet. Zur Einleitung eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens kam es nicht. In den nachfolgenden Jahren wurden die verbliebenen Resthügel in mehreren Abschnitten abgebaut, der letzte im Jahr 2013.
Nun ist er weg der Berg, auf dem einst der Gott der Sonne angebetet wurde. Ein Stück Heimat ist verloren.
Marianne Heukenkamp
(mit faktischer Zuarbeit vom Naturschutz)
Wenn man so einen Kommentar über den Schwerzer Berg, jetzt MdB verfasst, sollte man auch bei der Wahrheit bleiben, und richtig Recherchieren.
Ach ja, wie fährt es sich denn so, auf glatten Straßen? MfG
Entspannte Grüße vom Burgstetten, dem nächsten Abbau-Kandidaten.
http://bringfried.jimdo.com/2015/08/01/feldtage/