Sehr schön zu sehen sind die Ausstellungen „Hier. Gestern. Halle“; „Halle. Vom Leben und Verfall in der DDR“ und immer wieder die „Diva in Grau“. „Sehr schön zu sehen“ steht in der Presse und dass es ein Magnet für alle Besuchenden sei. Mehrheitlich stöhnend oder zumindest tief durchatmend kommen Leute aus der Ausstellung und sagen. „Dahin wollen wir nicht wieder.“ „Das war ja schlimm“ – so werden wir von einigen bedauert. Jüngere Leute und diese aus westlicher Region sind meist erstaunt wie wir das überlebt haben, den Verfall alter schöner Häuser und die Mangelwirtschaft. Nur bei den Fotos „Halle und der Rest der Welt“ gab es kleine Lichtblicke.
Ich bin nicht die Einzige, die langsam genervt ist, von der einseitigen Blickrichtung in die Vergangenheit meiner Stadt, meines Lebens, und mit mir fühlen auch andere ihr Leben nicht wiedergegeben. Nach 1945 kroch ganz Europa aus Ruinen mit Sicht in Richtung friedfertigere Zukunft. Und überall packten die Leute an und arbeiteten körperlich schon allein, um das Kriegselend und die Folgeerscheinungen zu vergessen. Die Amerikaner pumpten Geld und Waren in ihre Besatzungszonen. Sie hatten schließlich kein verwüstetes Land. Und was konnten wir schon erwarten, die da in russischer Besatzungszone waren?
Das sind Ursachen, die natürlich auch Tatsachen schafften. Mit Gründung der DDR entstand dann auch die BRD automatisch und die Wege waren klar, wer wen wieder ausbeutet. Gearbeitet wurde überall, nur hatten nicht alle ein Recht auf Arbeit und der Besitz an Produktionsmitteln war auch total verschieden. Doch da das menschliche Wesen nach Erfüllung strebt, waren alle fleißig. Im Osten im Namen der Diktatur des Proletariats und im Westen im Namen der Diktatur des Kapitals – auch Demokratie genannt. Und die Wertigkeit der Tätigkeiten war sehr, sehr unterschiedlich in beiden deutschen Staaten. Das Wirtschaftswunderland erlebten wir im Osten nur über Rundfunk und Fernsehen, aber wir erlebten es.
Im Westen schaute man nicht so sehr nach Osten zu denen, die da so billige Mieten hatten, bei denen Bildung kostenfrei war, Kinder in der Krippe im Kindergarten und der Schule versorgt waren, alle sich sportlich oder kulturell betätigen konnten, sowie Gelder auch ziemlich gleichmäßig verteilt waren, weil die Arbeit im Krankenhaus nicht wertvoller war als die am Hochofen. Ich will damit sagen, dass die sozialen Unterschiede nicht ökonomisch beeinflusst wurden und somit die Klassenunterschiede nicht so vorhanden waren, wie es heute der Fall ist. Bis zum Mauerfall lebten die Bürgerinnen und Bürger der DDR eingesperrt (seit Mauerbau 1961), eingeengt, in grauen Häusern, primitiven Wohnungen, ohne Luxus und auf dem Speiseplan fehlten permanent die Bananen. Unser Leben war grau und trist und irgendwie schienen wir alle zurück geblieben. So einen Eindruck bekomme ich immer, wenn ich mir die Fotoausstellungen über die ehemalige DDR ansehe.
Hinter der „Diva in Grau“ dem Pseudonym für Halle tobte das farbige Leben. Die Leute waren erfinderisch, wurden immer kreativer – was das sozialistische Umstapeln anbelangte oder die Devisenschieberei. Schließlich wussten viele, wenn auch nicht alle, welch großartige Exportschlager für wenig Geld vom Osten nach dem Westen gingen oder auch zum großen Bruder in die Sowjetunion. Unsere eigenen guten Produkte wollten die Leute auch haben. Und gearbeitet haben dafür auch fast alle Frauen Vollzeit. Was im Westen aus dem Osten glänzte, kam hier kaum oder nur selten zum Strahlen. Allein der Bezirk Halle, was heute etwa Sachsen Anhalt ist, produzierte über 40 % des Nationaleinkommens. Das, was wir hier wie eine Kolonie für uns und andere Länder produzierten, wurde nach dem Mauerfall erneut platt gemacht. Nun im neuen System müssen die Leute im Osten Deutschlands schon wieder erfinderisch sein und sie sind es – manchmal nicht unbedingt positiv.
Die grauen unsanierten Häuser sind verschwunden, die Dreckschleudern von Leuna und Buna auch. Dafür haben sich viele voneinander entfernt. Die Einen durch das Hetzen nach dem schnöden Mammon und anderen durch das Hetzen um den Erhalt ihrer nackten Existenz, aber frei sind sie, können reisen wohin sie wollen, wenn sie das Geld und die Zeit dafür haben. Sicher gehörte ich nicht zu der Masse der DDR Bürgerinnen. Aber auch ohne in der führenden Partei gewesen zu sein, konnte ich gewisse Privilegien genießen. Doch hatten wir diese nicht alle irgendwie, die gewissen Beziehungen? Wir lebten ja auch ziemlich gut mit den Tauschgeschäften und ich finde, daran sollten wir wieder verstärkt anknüpfen. Meine bunte Welt und mein fröhliches Dasein, und ich bin kein Einzelfall, fand jedenfalls nicht im Schatten der Diktatur statt, und das spiegelt sich leider auch nicht in all den Geschichten und Ausstellungen der ehemaligen DDR wieder.
Und Eckehard Pokladeck verweist auf die Biographien derer, die in dem Land DDR gelebt haben, eine kostenfreie Ausbildung und ein sicheres Berufsleben genossen haben und, und und… Das waren nicht wenige. Eine „Schwarz- Weiß- Darstellung“ lässt alles leicht nur grau erscheinen. Der Blick durch ein Vergrößerungsgerat lässt das zu.
Monika Heinrich
Foto: Thies Streifinger/ Postromantik/ Diva in bunt/ Thies 2011
Hallo, der Artikel ist sehr interessant:-)
Allerdings ist mir noch etwas anderes aufgefallen. Ich meine das Bild der Saale mit der alten Fabrik. Da ich derzeit auf der Suche nach Bildern der Stadt Halle bin, möchte ich Sie fragen ob es möglich wäre, mir das Bild zukommen zu lassen. Ich bin natürlich auch gern bereit einen Betrag dafür zu zahlen.