Angesichts eines weiteren Hitzesommers hat das Klimabündnis Halle einen offenen Brief an den OB, Stadtrat und -verwaltung gerichtet. Das Bündnis kritisiert ein fehlendes kommunales Konzept, um mit Dürre, Hitzetürmen und Extremtemperaturen in Zukunft umgehen zu können. Das koste und gefährde Menschenleben - es müsse gemeinsam gehandelt werden. Der Brief im Wortlaut:
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Geier, sehr geehrte Mitarbeiter*innen der Stadtverwaltung, sehr geehrte Stadträt*innen,
der nächste Sommer steht unmittelbar vor der Tür und die Stadt Halle hat noch immer kein erkennbares Konzept für einen Klimaschutzrat (trotz Stadtratsbeschluss vom 23.2.22) und vor allem kein Konzept um die Bürger*innen von Halle rechtzeitig und effektiv vor Extremhitze, Tornados, Bränden etc. zu warnen und zu schützen. Das kann in unserer Stadt viele Leben kosten.
2018 starben in Deutschland über 20.000 Menschen in der Altersgruppe 65+ durch Extremhitze (1). Auf Halle umgerechnet, waren das mindestens 60 Menschen, die vorzeitig zu tode kamen. Solche lebensbedrohenden Extremhitzeereignisse sind die größte Gefahr und in Zukunft immer häufiger zu erwarten, gerade hier in Halle. Gefährliche urbane Hitzeinseln findet man bereits heute, nicht nur in der Altstadt, sondern auch in Halle Neustadt und Silberhöhe (2).
Das Klimabündnis Halle vereinigt eine Vielzahl von Klima- und Umweltgruppen, die sich in Halle vielfältig konstruktiv einbringen möchten , z. B. Stadtbürger*innen mit Expertise in den Bereichen Photovoltaik, Präventionsmedizin, klimagerechte Stadtplanung und Naturschutz. Wir können ehrenamtlich wichtige Beiträge leisten, bei der Aufklärung der Bevölkerung, bei der Entwicklung von Extremwetterschutzkonzepten, bei der Reduzierung von Klimagasen, bei Mobilitäts- und Bebauungskonzepten, und weit darüber hinaus.
Wir fordern die Stadtverwaltung hiermit dringend auf, umgehend einen produktiven Dialog mit uns zu beginnen, damit Halles Bürger*innen zukünftig besser vor den Folgen der Klimakrise geschützt sind. Die wenigen bisherigen Vorgespräche auf Initiative des Klimabündnisses, im Abstand von mehreren Monaten, waren nach unserem Empfinden ziemlich schleppend und noch kaum hilfreich. Wirklich konkrete Ergebnisse von Wichtigkeit gab es keine.
Wir fordern die Stadtverwaltung hiermit dringend auf, umgehend einen produktiven Dialog mit uns zu beginnen, damit Halles Bürger*innen zukünftig besser vor den Folgen der Klimakrise geschützt sind.
Die baldmöglichste Einberufung eines Klimaschutzrates durch die Stadt, unter Einbeziehung allen Interessengruppen in der Stadt, ist ein erster wichtiger Schritt. Hierbei möchten wir intensiv mitwirken, wie es auch im Stadtratsbeschluss vom Frühjahr diesen Jahres gefordert wird. Wir freuen uns über alle Stadtratsfraktionen und Verwaltungsmitarbeiter, die dieses wichtige Anliegen bereits unterstützen.
Es passiert natürlich schon einiges in Sachen Klimaschutz in Halle, z.B. bei der nichtöffentlichen Steuerungsgruppe Klimaschutz (3), aber bisher eben leider sehr oft hinter verschlossenen Türen.
Es fehlt an Transparenz und Berücksichtigung sinnvoller Ideen aus der informierten Bürgerschaft. Wir als Bürger*innen erwarten eine bessere Informationspolitik und unsere frühzeitige Einbeziehung in klimaschutzrelevante Diskussionsprozesse, wie z.B. bei der aktuell entstehenden Roadmap Klimaneutralität der SWH für Halle (initial vorgestellt im Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt und Ordnung am 13.1.2022).
Es fehlt an Transparenz und Berücksichtigung sinnvoller Ideen aus der informierten Bürgerschaft. Wir als Bürger*innen erwarten eine bessere Informationspolitik
Das ist momentan vor allem bei den kaum vorhandenen Schutzmaßnahmen für die Bürger*innen vor lebensbedrohlichen Extremwetter-Ereignissen höchst dringlich.
Jedes weitere Zögern von Seiten der städtischen Administration riskiert schwere und schwerste Schäden, vor allem bei besonders vulnerablen Gruppen wie Hochbetagten, chronisch Kranken, Schwangeren, Kleinkindern usw.
Es gilt also endlich rasch und konsequent zu handeln, bevor die erwartbaren Katastrophenwetter erneut zuschlagen. Das Hochwasser 2013 ist vielen Hallenser*innen sicher noch gut im Gedächtnis, die sehr heißen Sommer 2018, 2019 und 2020 wohl auch. Wir dürfen nicht weiter viel Zeit verlieren. Natürlich müssen wir auch für die kommenden Jahre und Jahrzehnte proaktiv planen und handeln.
Alte, große Bäume, die das Stadtklima verbessern, verschwinden für Bauvorhaben, selbst wenn das nicht unbedingt notwendig ist
In Halle werden z.B. aktuell deutlich mehr Bäume gefällt als neu gepflanzt. Alte, große Bäume, die das Stadtklima verbessern, verschwinden für Bauvorhaben, selbst wenn das nicht unbedingt notwendig ist, werden bestenfalls durch kleine Bäume ersetzt, die erst viele Jahre wachsen müssen um wieder gut klimawirksam zu sein. Die Expert*innen des Klimabündnisses Halle möchten sich dazu mit konstruktiven Anregungen und Fachexpertise einbringen.
Laut dem Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt wird die Lufttemperatur in Halle ohnehin schon bis 2050 um 2,7 Grad Celsius steigen, heiße Sommertage werden also noch deutlich heißer werden und die Zahl der Hitzetage (über 30 oC) wird sich wohl mehr als verdoppeln, von 9 auf 22 (4). Hinzu kommt noch der städtische Hitzeinsel-Effekt, der die lokale Temperatur nochmals um bis zu 10 oC steigen lassen kann, gut zu beobachten auf unserem Marktplatz mit seinen dunklen Steinplatten.
Halle hat gute Voraussetzungen künftig zu einer sehr grünen, attraktiven Fahrradstadt mit einem starken ÖPNV zu werden.
Natürlich reicht es nicht aus, ein paar kurzfristige, lokale Schutzmaßnahmen zu treffen. Halle muss auch seinen fairen Klimaschutz-Beitrag zum globalen Klima leisten, damit wir möglichst rasch Klimaneutralität erreichen. Das bedeutet konkret z.B. den massiven Ausbau einer CO2-armen Mobilität.
Halle hat gute Voraussetzungen künftig zu einer sehr grünen, attraktiven Fahrradstadt mit einem starken ÖPNV zu werden. Das verbessert nicht nur die Luftqualität, sondern schafft deutlich mehr Sicherheit für Radfahrer und mehr Möglichkeiten zur Belebung der Stadt als attraktive Erholungs- und Erlebniszone, wovon Tourismus, Gastronomie, Handel usw. profitieren werden. Das Klimabündnis und seine relevanten Aktivengruppen (z.B. ADFC) können auch hier wichtige Impulse geben.
Beispiele für andere wichtige Themen, bei den wir uns gerne produktiv und kompetent einbringen möchten sind natürlich Stadtentwicklung, Öffentlichkeitsarbeit, Bürgerbeteiligung, Energieversorgung etc.
Klimaschutz bedeutet vor allem Menschenschutz, heute und in Zukunft, für uns, unsere Kinder und Enkel. Gemeinsam können wir das schaffen und Halle für alle Menschen lebenswert erhalten. Das ist unsere Vision als Klimabündnis.
Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Klimabündnis Halle (Saale)
Email: kontakt@klimabuendnis-halle.de
Webseite: https://klimabuendnis-halle.de/
Literatur/Weblinks
1. https://www.spektrum.de/news/immer-mehr-hitzetote-in-deutschland/1803545
2. Klimafunktionskarte, 2021 erstellt vom Thüringer Institut für Nachhaltigkeit und Klimaschutz GmbH; zu finden unter http://www.halle.de/de/Verwaltung/Stadtentwicklung/Raeumliche-Konzepte/Fachbeitrag-Stadtklima/index.aspx).
3. https://www.halle.de/de/Verwaltung/Umwelt/Klima-Energie-und-M-06752/Steuerungsgruppe-Kli-10343/
4. ReKIS für Halle (Saale): https://www.klima.sachsen.de/rekis-regionales-klima-informationssystem-sachsen-sachsen-anhalt-und-thuringen-12461.html