Mit offe­nen Augen durch die Stadt: über die Arbeit des Arbeits­krei­ses Innen­stadt e. V.

Wie vie­le schö­ne Häu­ser habe ich in Hal­le schon mit dif­fu­sem Wohl­ge­fal­len betrach­tet und bin dann vor­über­ge­gan­gen. Aus den Augen, aus dem Sinn … Ich woh­ne nicht erst seit ges­tern hier. Als ich nach Hal­le zog, war es eine „Diva in Grau“ und wirk­te her­un­ter­ge­kom­men. Eine gro­ße Abriss­wel­le über­roll­te die Alt­stadt. Die Geist­stra­ße fiel in Staub, das Gebiet um die Moritz­burg des­glei­chen. Hal­le schien ver­lo­ren und ich habe mei­ne Augen verschlossen.

Nun bin ich mit Hen­ryk Löhr, dem Vor­sit­zen­den des Arbeits­krei­ses Innen­stadt e. V. (AKI) ver­ab­re­det. Wir tref­fen uns in der Alt­stadt in der Nähe des Uni­ver­si­täts­plat­zes. Vor­her habe ich die Web­site des Ver­eins besucht und erfah­ren, dass der AKI 44 gefähr­de­te und 75 seit 1993 abge­ris­se­ne Bau­denk­ma­le listet.

Herr Löhr, ange­sichts die­ser Nega­tiv­lis­te stellt sich die Fra­ge: Ist das alte Hal­le noch zu retten?

Sanie­rung der Neu­müh­le 2021

Es hat sich seit 1993 viel getan und die Innen­stadt heu­te ist nicht mehr zu ver­glei­chen mit der Zeit vor 30 Jah­ren. Es ist viel getan wor­den, wenn­gleich oft zu spät ein­ge­grif­fen wur­de. Bei den abge­ris­se­nen Bau­denk­ma­len sind zwar auch sehr wert­vol­le aus der Zeit des Barock und der Renais­sance, aber auch weni­ger wert­vol­le wie zum Bei­spiel Jugend­stil­häu­ser, von denen es aber noch vie­le in Hal­le gibt. Wir wol­len mit unse­rer Arbeit die Fin­ger in die Wun­den legen und nicht nur auf die Ver­lus­te, son­dern auf die vie­len Gebäu­de hin­wei­sen, die noch geret­tet wer­den können.

Ver­steht sich der AKI als Chro­nist der his­to­ri­schen Bausubstanz?

Wir wol­len kei­ne voll­stän­di­ge Chro­nik dar­stel­len, son­dern wir grei­fen Bei­spie­le her­aus, die uns auf­fal­len und erfas­sen Kate­go­rien von Denk­ma­len. Wir rich­ten uns dabei nach dem Alter und dem Wert der Bau­denk­ma­le oder nach ihrer Gestalt, zum Bei­spiel bei Indus­trie­denk­ma­len. In gewis­ser Wei­se beglei­ten wir die Stadt in ihrem Umgang mit der his­to­ri­schen Bau­sub­stanz, aber wir for­dern eben auch Ver­än­de­run­gen ein und machen auf Defi­zi­te aufmerksam.

War­um reicht die Lis­te nur bis 1993 zurück?

Der AKI wur­de 1983 gegrün­det, zu einer Zeit, als in Hal­le vie­le alte Gebäu­de abge­bro­chen wur­den. In der Stadt gab es im Unter­schied zu ande­ren Städ­ten noch viel his­to­ri­sche Bau­sub­stanz und die DDR-Bau­wirt­schaft konn­te mit alten Häu­sern nicht gut umge­hen. Außer­dem erfuh­ren sie wenig Wert­schät­zung und waren wert­vol­le Häu­ser unter dem Ein­heits­grau schwer zu erken­nen. Nach der Wen­de waren dann alle sehr vor­sich­tig, aber 1993 hat­te sich die Situa­ti­on geän­dert und neue Inter­es­sen kamen ins Spiel. Da gab es dann erneut vie­le Abris­se. Und von da an haben wir das festgehalten.

Der Ver­ein heißt ja Arbeits­kreis Innen­stadt. Wie weit reicht bei Ihnen die Innenstadt?

Wir sehen das nicht eng, in die­sem Jahr haben wir zum Bei­spiel am  Tag des offe­nen Denk­mals die Por­zel­lan­fa­brik in Let­tin geöff­net. Der Name ist tra­di­tio­nell, wir hat­ten ihn bei der Grün­dung und haben ihn beibehalten.

Der Sitz des Ver­eins ist die Schme­er­stra­ße 25. Wie kam der Ver­ein zu dem Haus?

Das geht auf eine pri­va­te Beset­zung des leer ste­hen­den und ver­fal­len­den Hau­ses im Jahr 1983 zurück. Ein Ver­eins­mit­glied woll­te es als Wohn­raum aus­bau­en. Es wur­de dann, da es als Wohn­raum unge­eig­net war, dem AKI zum Aus­bau über­las­sen. 1988 war es schon als Ver­eins­sitz nutz­bar und 1994 fer­tig­ge­stellt. Es gab Rück­füh­rungs­an­sprü­che von Alt­ei­gen­tü­mern, die aber mit einer Ent­schä­di­gung ein­ver­stan­den waren. Wir haben dann mit Hil­fe von Spen­den das Grund­stück gekauft und sind seit­dem Eigen­tü­mer. Heu­te ist dem AKI vor allem die Öffent­lich­keits­ar­beit wich­tig und weni­ger die prak­ti­sche Haus­si­che­rung. Wie ist das Ver­hält­nis zwi­schen die­sen bei­den Aspek­ten der Ver­eins­ar­beit? Frü­her gab es tat­säch­lich häu­fi­ger Not­ret­tungs­maß­nah­men, das ist heu­te nicht mehr so mög­lich. Damit uns die Pra­xis aber nicht abhan­den­kommt, haben wir uns um ein eige­nes Objekt, die Brü­der­stra­ße 7, bemüht. Lei­der ohne Erfolg. Wir haben auf einer Ver­stei­ge­rung mit­ge­bo­ten, das Haus aber nicht erstei­gern kön­nen. Vom neu­en Eigen­tü­mer soll­te es dann abge­ris­sen wer­den. Da haben wir einen Kauf­an­trag gestellt, was eine alter­na­ti­ve Ver­wer­tungs­mög­lich­keit dar­stell­te und dem Eigen­tü­mer den Abriss unmög­lich mach­te. Das war schon ein Erfolg. Nur ist das Haus heu­te immer noch unsa­niert. Unte­re und Obe­re Denk­mal­be­hör­de haben ein Auge dar­auf, was damit geschieht, sie sind aber auch aus­ge­las­tet und haben begrenz­te Kompetenzen.
Zur Zeit ist der AKI aktiv bei der Schwem­me-Braue­rei, wir wol­len ja unbe­dingt auch prak­tisch arbei­ten. Ein eige­nes Objekt dane­ben wäre kaum möglich.

Wie funk­tio­niert die Öffentlichkeitsarbeit?

Etwas unre­gel­mä­ßig erschei­nen die Hal­le­schen Blät­ter mit einer Auf­la­ge von 1.200 Exem­pla­ren, es gibt ca. 100 Abonnent*innen Die ande­ren Hef­te wer­den in der Tha­lia-Buch­hand­lung ver­kauft und fin­den da auch ihre Käufer*innen. Die Reso­nanz ist gut. Nur sind unse­re Kapa­zi­tä­ten beschränkt, denn wir haben zwar genug Mate­ri­al und auch Fach­leu­te im Ver­ein, aber alles geschieht ehren­amt­lich. Wir haben drei Son­der­hef­te ver­öf­fent­licht: 2009 „Denk­ma­le der Renais­sance in der hal­le­schen Innen­stadt“, 2013 „Denk­ma­le des Barock in der hal­le­schen Innen­stadt“ und 2019 „Denk­ma­le der Moder­ne in Halle“.

Das sind Ver­su­che einer voll­stän­di­gen Dar­stel­lung der his­to­ri­schen Bau­sub­stanz einer Epo­che. Wir bil­den dar­in je ein Foto ab und dazu eine Infor­ma­ti­on zum Gebäu­de und zu Gebäu­de­tei­len. Für unse­re Hef­te haben wir einen sehr guten Archi­tek­tur­fo­to­gra­fen. Außer­dem geben wir Stel­lung­nah­men zu Bebau­ungs­ver­fah­ren ab, die wir an die Abtei­lung Stadt­pla­nung schi­cken. Wir kön­nen das aber nicht sys­te­ma­tisch leis­ten, son­dern nur bei ein­zel­nen Vorhaben.
Dar­über hin­aus gibt es Aus­stel­lun­gen im Ver­eins­sitz in der Schme­er­stra­ße und natür­lich unse­re Web­site, auf der auch eine Chro­nik der Ver­eins­ak­ti­vi­tä­ten zu fin­den ist.

Küh­ler Brunnen

Ist die Stadt Hal­le aus­rei­chend an der his­to­ri­schen Bau­sub­stanz interessiert?

Die Steue­rungs­mög­lich­kei­ten der Stadt sind begrenzt. Eine gro­ße Rol­le spie­len ja immer die Eigen­tums­ver­hält­nis­se. Wir wer­ben bei der Stadt ins­be­son­de­re dar­um, dass sie ein schär­fe­res Auge auf ihre his­to­ri­schen Gebäu­de hat, sie als Wer­te erkennt, schützt und damit für sich wirbt. Das wird heu­te auch stär­ker als frü­her gemacht.

Wel­che Fach­leu­te und Mit­glie­der arbei­ten im AKI mit?

Im Ver­ein gibt es Archi­tek­ten und Bau­in­ge­nieu­re, 15 Mit­glie­der bil­den den har­ten Kern und davon sind acht regel­mä­ßig aktiv.

Was ist Ihr „Lieb­lings­ob­jekt“?

Ich habe meh­re, um die ich mir Sor­gen mache und die ich sehr ger­ne wie­der­her­ge­stellt sehen wür­de: die Neu­müh­le, den Saal- und den Küchen­bau des Küh­len Brun­nens und die Brü­der­stra­ße 7.

Inzwi­schen habe ich mir die drei Epo­chen-Son­der­hef­te des Ver­eins ange­se­hen. Und gehe mit offe­ne­ren Augen durch die Stadt. Mein dif­fu­ses Wohl­ge­fal­len hat sich in kennt­nis­rei­che­re Bewun­de­rung verwandelt.

Wohl der Stadt, die eine sol­che Stadt­wa­che hat.

www.aki-halle.de.

 

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