OPEN BOX: Visio­nen für gemein­schaft­li­ches Bau­en und Sanieren

Im Hin­ter­hof­kar­ree zwi­schen Herr­mann­stra­ße und Can­tor­stra­ße steht ein his­to­ri­sches Fabrik­loft aus Back­stein. Bis vor zehn Jah­ren noch als Trai­nigs­stät­te von einem Box­ver­ein genutzt, steht es nun seit län­ge­rem leer. Doch Hal­les Bürger*innengenossenschaft Wohn­uni­on will das Gebäu­de ret­ten und lud Anfang März zu einem Visionsworkshop.

Beacht­li­che drei­ßig Men­schen folg­ten der Ein­la­dung und betei­lig­ten sich mit ihren Ideen, Fra­gen und Wün­schen. Neben Anwoh­nern, Genos­sen­schafts­mit­glie­dern und Akteu­ren inter­es­sier­ter Ver­ei­ne und Initia­ti­ven kamen ein­ge­la­de­ne Fach­frau­en von der Stadt­ver­wal­tung sowie vom Natio­nal­kom­mi­tee für Denk­mal­schutz. Denn die ehemalige'Boxhalle' ist ein Indus­trie­denk­mal mit Poten­zi­al. Auf drei Eta­gen und im Innen­hof gibt es reich­lich Platz für offe­ne Werk­stät­ten oder Ate­liers, für Grup­pen- und Semin­rar­räu­me, für Kul­tur­space und Aus­stel­lun­gen, für ein Hof­ca­fé .. All die­se Nut­zungs­ideen wur­den bei einem ers­ten Visi­ons­work­shop gesam­melt und der Bedarf im Wohn­ge­biet abge­gli­chen. Im Teil zwei soll­te es nun Per­spek­ti­ven und Mit­wir­ken­de gehen.

Zunächst stell­te Grit Her­zog als Vor­stän­din der Wohn­uni­on noch ein­mal deren Zie­le dar: Die gemein­schaft­li­che Schaf­fung von lang­fris­tig bezahl­ba­rem Wohn­raum in soli­da­ri­scher Selbst­ver­wal­tung. Kon­kret vor­ge­se­hen ist die stu­fen­wei­se Über­nah­me, Sanie­rung und Nut­zung von ins­ge­samt neun benach­bar­ten Gebäu­den aus dem Bestand der HWG nach dem Erbpachtmodell.

Par­ti­zi­pa­ti­on 2.0 als Neuland

Und es wird auch schon kon­kret: Die Finan­zie­rung des ers­ten Bau­ab­schnit­tes sei voll­stän­dig gesi­chert und die Bau­ge­neh­mi­gun­gen ein­ge­holt, konn­te Grit Her­zog mit­tei­len. Die Sanie­rung begin­ne die­ser Tage und schon in einem Jahr sol­len ers­te Woh­nun­gen bezo­gen werden.

Visi­ons­su­che in gemein­schaft­li­cher Arbeitsatmo

Nach die­sem erfreu­li­chen und beein­dru­cken­den Auf­takt sprach Chris­ti­ne Lüt­gert, Abtei­lungs­lei­te­rin für Stadt­er­neue­rung beim FB Pla­nen bei der Stadt Hal­le. Lüt­gert beschrieb, dass par­ti­zi­pa­ti­ve Bau­pro­jek­te wie der Nach­bar­schafts­park Frei­im­fel­de oder nun die Woh­nui­on für die Stadt ein will­kom­me­nes Neu­land dar­stel­len. So etwas kön­ne man als Stadt­ver­wal­tung auch gar nicht orga­ni­sie­ren, son­dern bera­tend beglei­ten und gern auch fördern.

Ver­trag­li­che Fall­stri­cke für Förderung

Beim Punkt mög­li­cher finan­zi­el­ler Zuwen­dun­gen mach­te Lüt­gert auf ver­trag­li­che Pro­ble­me auf­merk­sam. Um für das Bun­des­pro­gramm „Leben­di­ge Zen­tren“ för­der­fä­hig zu wer­den, müss­te die Lauf­zeit der Erb­pacht­ver­trä­ge von der­zeit 50 auf min­des­tens 66 Jah­re ver­län­gert wer­den. Bis­lang ließ sich die HWG dazu nicht bewe­gen, obwohl die Gel­der dafür sogar bereit stün­den. Hier müs­se lei­der noch viel Über­zeu­gungs­ar­beit geleis­tet wer­den, gab Lüt­gert zu. An sich ist das sehr ver­wun­der­lich, denn die HWG ist kein Immo­bi­li­en­kon­zern a la Vono­via, son­dern ein kom­mu­na­les Unter­neh­men mit Auf­sicht durch den Stadt­rat. Die betref­fen­den Häu­ser gehö­ren also den Bür­ge­rin­nen und Bür­gern der Stadt Halle.

Zum Glück ist die Wohn­uni­on im Moment gar nicht abhän­gig von För­der­pro­gram­men. Denn den der­zeit 57 Mit­glie­dern ist es gelun­gen, neben Bank­kre­di­ten auch Pri­vat­dar­le­hen in Höhe von 870.000 Euro ein­zu­wer­ben. Wenn es aber gelin­gen soll, einen denk­mal­ge­schütz­ten Indus­trie­bau für sozia­le Zwe­cke bau­lich umzu­wid­men, wírd das wohl kaum ohne öffent­li­che För­de­rung gehen können.

Ulri­ke Wendt­landt vom Natio­nal­ko­mi­tee für Denk­mal­schutz brach­te wich­ti­ge fach­li­che Impul­se in die Dis­kus­si­on. Sie ver­deut­lich­te vor allem die anste­hen­den Her­aus­for­de­run­gen beim nöti­gen Abgleich von Bau­si­che­rung, Denk­mal­auf­la­gen und Ener­gie­vor­schrif­ten im Ver­hält­nis zu den Wün­schen für eine spä­te­re Nut­zung. Wie an einem Misch­pult-Reg­ler müss­ten dafür im Vor­feld­pro­zess alle Aspek­te betrach­tet und gewich­tet wer­den. Die Aus­gangs­fra­ge aber lau­tet: was habe ich über­haupt für ein Gebäu­de? Und auch hier tau­chen erneut Pro­ble­me mit dem Eigen­tü­mer HWG auf, die bis­her kei­ner­lei Bege­hung für eine qua­li­fi­zier­te Bestands­auf­nah­me zuließ.

Visi­on ver­sus Detailfragen

Im Anschluss an die Impuls­vor­trä­ge nahm der Visi­ons­work­shop Fahrt auf – je nach Inter­es­sens­la­ge fan­den sich inter­es­sier­te Akteu­re in klei­ne­ren Grup­pen zusam­men, um Netz­wer­ke zu knüp­fen und vor allem um inhalt­lich zu Detail­fra­gen zu arbei­ten. Zugu­ter­letzt konn­ten sich alle Anwe­sen­den auf einer pro­jekt­to­po­gra­fi­schen Kar­te ver­or­ten und ihre mög­li­che Rol­le benen­nen. Schon zwei Wochen nach dem Visi­ons­work­shop haben die­je­ni­gen, die sich für die wei­te­re Mit­ar­beit ent­schie­den haben, eine Ein­la­dung für ein Arbeits­tref­fen erhal­ten. In der Herr­mann­stra­ße haben der­weil die Sanie­rungs­ar­bei­ten an den Grün­der­zeit­häu­sern begon­nen. Auf dem Bau­schild steht kein kom­mer­zi­el­ler Investor.

 

Jörg Wun­der­lich

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