KULTURFABRIK APOLDA ist am Ende - ein Brand­brief aus Thüringen

Dr. Jan Kobel ist Foto­graf, Lokal­po­li­ti­ker und Geschäfts­füh­rer einer GmbH, die sich die Ret­tung und Sanie­rung eines Bau­denk­mals auf die Fah­nen schrieb. Als Akteur und  Entre­pre­neur fasst er ein glei­cher­ma­ßen resi­gna­ti­ves wie pro­vo­zie­ren­des State­ment zu einem frisch beer­dig­ten Leucht­turm­pro­jekt - dem öffent­li­chen Ate­lier­haus Kul­tur­fa­brik Apolda.

Das Pro­jekt KULTURFABRIK APOLDA ist am Ende - oder war­um die „KOMMUNALE SELBSTVERWALTUNG“ eine Fehl­kon­struk­ti­on zu Las­ten der Zukunft unse­rer Städ­te und Gemein­den ist. Jah­re­lang hat Phi­li­ne Gör­nandt zusam­men mit einem Ver­ein ehren­amt­lich und auf­op­fe­rungs­voll das präch­ti­ge Indus­trie­ge­bäu­de der ehe­ma­li­gen "Karl Köcher Woll- und Strick­wa­ren AG" bespielt und gepflegt, Mit­mie­te­rin­nen gewor­ben und die Sanie­rung geplant, ver­wal­tet und bekannt gemacht. So ent­wi­ckel­te sich die Kul­tur­fa­brik-Apol­da zu einem Treff­punkt für kunst- und kul­tu­raf­fi­ne Men­schen nicht nur aus der Tex­til- und Glo­cken­stadt. Aus­stel­lun­gen, Ver­nis­sa­gen, Som­mer­fes­te und Public Dining beleb­ten die Stadt, wie sie nur von krea­ti­ven Men­schen belebt wer­den kann, die zugleich die Geschich­te die­ser alten Gebäu­de lie­ben UND ihr zukünf­ti­ges Poten­ti­al erkennen.

Die Arbeit war ver­ge­bens. Für die Not­wen­dig­keit der bau­li­chen Ertüch­ti­gung des Are­als im Sin­ne des Brand­schut­zes, für zusätz­li­che Flucht­we­ge und neue Fens­ter fan­den die Künst­le­rin­nen und die Stadt trotz lan­ger Ver­hand­lun­gen kei­ne gemein­sa­me Basis. Die Auf­ga­be war nicht ohne: Wie ertüch­tigt man eine alte Fabrik nach neu­en Vor­schrif­ten, ohne sie kaputt­zu­sa­nie­ren? Wie erhält man den für ein Pro­jekt wie die Kul­tur­fa­brik so drin­gend erfor­der­li­chen indus­tri­el­len Charme des frü­hen 20. Jahr­hun­derts, ohne im Win­ter zu frie­ren? Der Stadt fehl­te es, so heißt es nun, am Geld.

Es geht natür­lich nicht ums Geld. Es geht dar­um, dass eine Stadt­ver­wal­tung nicht erken­nen mag, wor­in der Nut­zen einer Ein­rich­tung wie der Kul­tur­fa­brik bestehen sol­le. Nut­zen erkennt man in die­sen Ver­wal­tun­gen vor allem dort, wo durch den Ver­kauf von kom­mu­na­lem Eigen­tum ein paar lächer­li­che Euro in den Säckel flie­ßen, und mög­lichst ein zah­lungs­kräf­ti­ger Bau­herr ein Geschäft wit­tert und was schö­nes "Moder­nes" hinbaut.

Für Abriss und Zer­stö­rung gibt es kom­mu­na­les Geld

Dass es einer Kom­mu­ne am Geld man­ge­le, ist ein immer sehr wohl­fei­les Argu­ment. Es ist näm­lich so, dass es einer Kom­mu­ne IMMER und ÜBERALL am Geld man­gelt, wes­halb ja auch ein Groß­teil ihrer inves­ti­ven oder bau­li­chen Maß­nah­men vom Land, von der Städ­te­bau­för­de­rung oder von Son­der­pro­gram­men des Bun­des finan­ziert wer­den. Selbst für Abris­se sind Mil­lio­nen vor­han­den, wenn eine Stadt das wünscht, wie zuletzt bei der Alten Scho­k­la­den­fa­brik in Greu­ßen zu stu­die­ren (2,3 Mio € ein­fach mal so für die Zer­stö­rung sanie­rungs­fä­hi­ger Bau­sub­stanz). Aber für die­se Mit­tel muss man Anträ­ge stel­len, Kon­zep­te erar­bei­ten, Part­ner gewin­nen und sich einsetzen.

Es geht natür­lich nicht ums Geld. Es geht dar­um, dass eine Stadt­ver­wal­tung nicht erken­nen mag, wor­in der Nut­zen einer Ein­rich­tung wie der Kul­tur­fa­brik bestehen sol­le. Nut­zen erkennt man in die­sen Ver­wal­tun­gen vor allem dort, wo durch den Ver­kauf von kom­mu­na­lem Eigen­tum ein paar lächer­li­che Euro in den Säckel flie­ßen, und mög­lichst ein zah­lungs­kräf­ti­ger Bau­herr ein Geschäft wit­tert und was schö­nes "Moder­nes" hinbaut.

Dass eine auto­no­me Ein­rich­tung für Kunst und Kul­tur wie die Kul­tur­fa­brik Apol­da lang­fris­tig der Stadt weit mehr bringt als die Hun­der­tau­sen­de, die die Ertüch­ti­gung kos­ten wür­den, näm­lich eine attrak­ti­ve Stadt­kul­tur und Zuzug von Unter­neh­men und jun­gen Fami­li­en, ver­steht man nicht. Dass eine Stadt nur in begrün­de­ten Aus­nah­me­fäl­len über­haupt kom­mu­na­les Eigen­tum ver­kau­fen darf, da die­ses Eigen­tum unab­ding­ba­re Vor­aus­set­zung jeder Stadt­pla­nung und -ent­wick­lung ist, ver­steht man auch nicht.

Apol­da ist nicht alleine

Apol­da ist da nicht allei­ne. Über­all zäh­len zu den am meis­ten ver­nach­läs­sig­ten und von Abriss bedroh­ten Gebäu­den die nicht mehr genutz­ten Indus­trie­ar­chi­tek­tu­ren, die noch zu Hun­der­ten leer ste­hen. Auf dem Land reißt man sie ab, wenn der Ver­fall nur weit genug fort­ge­schrit­ten ist – natür­lich mit Mit­teln des Staa­tes. In den wach­sen­den Kom­mu­nen auch mal frü­her, wenn nur aus­rei­chend Begehr­lich­kei­ten für das Grund­stück da sind.

Dass eine auto­no­me Ein­rich­tung für Kunst und Kul­tur wie die Kul­tur­fa­brik Apol­da lang­fris­tig der Stadt weit mehr bringt als die Hun­der­tau­sen­de, die die Ertüch­ti­gung kos­ten wür­den, näm­lich eine attrak­ti­ve Stadt­kul­tur und Zuzug von Unter­neh­men und jun­gen Fami­li­en, ver­steht man nicht.

Der Denk­mal­sta­tus ist dabei übri­gens in der Regel irrele­vant. Kein Eigen­tü­mer wird jemals auf die im Denk­mal­ge­setz fest­ge­schrie­be­ne Ver­pflich­tung zum Erhalt des Denk­mals gezwun­gen – der Staat igno­riert hier grund­sätz­lich sei­ne eige­ne, übri­gens sehr klar for­mu­lier­te Gesetz­ge­bung (vergl. § 7 ThürDSchG) –, zugleich ist der „Nach­weis der Unzu­mut­bar­keit des Erhalts“, falls doch mal erfor­der­lich, für Pro­fis auch immer geset­zes­kon­form darstellbar.

 

Leer­ste­hen­de Indus­trie­kul­tur gehört abge­ris­sen. Das ist das bis heu­te gel­ten­de Dog­ma in Deutsch­land. Der Unter­schied von West zu Ost ist dabei kaum noch von Bedeu­tung, da die Ost­kom­mu­nen 30 Jah­re ihrer „Selbst­ver­wal­tung“ genutzt haben, den Vor­bil­dern im Wes­ten nach­zu­ei­fern und die Indus­trie­ge­schich­te aus dem Bild ihrer Stadt zu löschen. So glei­chen sich die Städ­te immer mehr an, denn was heu­te gebaut wird, hul­digt den glei­chen gestal­te­ri­schen Prin­zi­pi­en: Kuben, in Plas­tik ver­packt und mit glei­ßen­den Titan­weiß, viel zu bun­tem Rosa oder Ocker ange­stri­chen. "Modern" wol­len sie sein, und die per­ma­nent stei­gen­den Bau­prei­se sor­gen zusätz­lich dafür, dass immer min­der­wer­ti­ger gebaut wird.

In Arn­stadt zum Bei­spiel steht an his­to­ri­schen Indus­trie­ge­bäu­den nur noch, was pri­va­te Ret­ter fand oder ein­fach in Wohn­raum zu ver­wan­deln war. Respekt konn­ten die­se Archi­tek­tu­ren nicht erwar­ten. Das ein­zi­ge, was die Stadt­ver­wal­tun­gen inter­es­sier­te, war die Finan­zie­rung ihres Abris­ses, für die man den Staat in die Pflicht nahm. Man riss auch gut erhal­te­ne Bau­sub­stanz ab, auf den Ver­fall woll­te man hier nicht war­ten. „Wer weiß schon, wie lan­ge die Städ­te­bau­för­de­rung das noch zahlt?“, also weg damit. Alter­na­ti­ven wur­den gar nicht erst geprüft.
Dabei war auch Arn­stadt im 19. Jahr­hun­dert zu einer Indus­trie­stadt gewor­den, mit vie­len klei­nen Fabri­ken, die oft eher Manu­fak­tu­ren waren. 80 an der Zahl sol­len es gewe­sen sein, man pro­du­zier­te Scho­ko­la­de, Maschi­nen, Leder­wa­ren, Nadeln, Mess­tech­nik oder Hand­schu­he, alles inmit­ten des his­to­ri­schen Zen­trums. Das wenigs­te steht noch. Auf den face­book-Sei­ten pfle­gen die Men­schen lei­den­schaft­lich die Erin­ne­rung an die Geschich­te ihrer Stadt. Die Jun­gen wis­sen nichts mehr davon.

In Arn­stadt zum Bei­spiel steht an his­to­ri­schen Indus­trie­ge­bäu­den nur noch, was pri­va­te Ret­ter fand oder ein­fach in Wohn­raum zu ver­wan­deln war. Respekt konn­ten die­se Archi­tek­tu­ren nicht erwarten. 

War­um konn­ten Städ­te über­haupt schön werden?

Was wir bei all dem oft ver­ges­sen, ist Fol­gen­des: Wir ver­dan­ken die Schön­heit unse­rer Städ­te, wie sie inbe­son­de­re im Osten noch oft gege­ben ist, dem jahr­hun­der­te­lan­gem, auto­ri­tä­rem Regime der (fürst­li­chen, preus­si­schen, säch­si­schen) Stadt­bau­di­rek­to­ren. Das waren hoch­ge­bil­de­te Män­ner mit uni­ver­si­tä­ren Abschlüs­sen, die oft jahr­zehn­te­lang das Bild ihrer Stadt präg­ten, die Alle­en und Pro­me­na­den anleg­ten, Ron­del­ls und Grün­an­la­gen, gan­ze neue Stadt­vier­tel plan­ten und oft auch Mate­ria­li­en und Farb­ge­stal­tung beim Häu­ser­bau vorgaben.

Unse­re Städ­te heu­te aber haben kei­ne Stadt­pla­nung mehr, die über das all­täg­li­che Ver­wal­ten, Geneh­mi­gen oder Ver­bie­ten hin­aus 20 oder gar 30 Jah­re in die Zukunft schaut, und sich die Fra­ge stellt: Wie soll unse­re Stadt eigent­lich in Zukunft aus­schau­en? Wie bewe­gen wir Men­schen dazu, in unse­re Stadt zu zie­hen? Was ver­lan­gen und suchen die Men­schen, die viel­leicht 20 Jah­re in Ber­lin gelebt haben und nun zurück wol­len in ihre Hei­mat? Den hun­ders­ten Abklatsch eines Park- und City-Cen­ters, wie in Greiz geplant? Oder nicht bes­ser mög­lichst viel his­to­risch erhal­te­ne Baussub­stanz, die Geschich­ten erzählt und die Geschich­te der Stadt fortschreibt?

Wir haben kei­ne Stadt­bau­di­rek­to­ren mehr, dafür haben wir die "kom­mu­na­le Selbst­ver­wal­tung". Das ist unge­fähr so, als wür­de man den Zustän­di­gen für Pla­nung und Bau einer gro­ßen moder­nen Fabrik­an­la­ge durch demo­kra­ti­sche Wah­len bestim­men las­sen. Es kann nur in die Hose gehen. Da aber die "kom­mu­na­le Selbst­ver­wal­tung" fälsch­lich als ein Fetisch der Demo­kra­ti­sie­rung die­ses Lan­des hoch­ge­hal­ten wird, ist das Pro­blem struk­tu­rell und nicht behebbar.

Aus­nah­men, wie immer, bestä­ti­gen die Regel. Ich will kei­ne Namen nen­nen, aber es gibt sie. Es möge jeder selbst prü­fen, ob sei­ne Stadt hier eine Aus­nah­me bildet.

 

https://www.kulturfabrik-apolda.de/

Dr. Jan Kobel

 

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