Schö­ne bun­te Wasserstoff-Welt

Die aktu­el­le „Far­ben­leh­re“ für das eigent­lich farb­lo­se Was­ser­stoff-Gas reicht in Deutsch­land und Euro­pa von grün über grau und blau bis türkis.

GRÜNER WASSERSTOFF wird mit­tels erneu­er­ba­rer Ener­gien gewon­nen und ist somit frei von CO2-Emis­sio­nen. In Elek­tro­ly­se-Anla­gen (Elek­tro­ly­seu­ren) wird mit rege­ne­ra­tiv erzeug­tem Strom Was­ser in sei­ne Bestand­tei­le Was­ser­stoff und Sauer­stoff zer­legt. Im Ide­al­fall wird dezen­tral erzeug­ter Strom aus Wind, Son­ne (Solar­ther­mie und Pho­to­vol­ta­ik), Geo­ther­mie, Mee­res­ener­gie, Was­ser­kraft usw. in eben­so dezen­tra­len Elek­tro­ly­seu­ren ein­ge­setzt. Der gewon­ne­ne Was­ser­stoff wird in kom­pak­ten Anla­gen vor Ort gerei­nigt, ver­dich­tet und in der eige­nen H2-Tank­stel­le ver­kauft. Eini­ge Anla­gen die­ser Art gibt es bereits in Schwe­den und in Öster­reich. Irgend­wann bezahl­ba­re Was­ser­stoff-Brenn­stoff­zel­len-Fahr­zeu­ge könn­ten den Was­ser­stoff tan­ken und so loka­le Wirt­schafts­kreis­läu­fe befördern.

GRAUER WASSERSTOFF wird aus Erd­gas oder Koh­le her­ge­stellt. Die gän­gigs­ten Ver­fah­ren dafür sind die Dampf­re­for­mie­rung (Steam Reforming/SMR) und die auto­ther­me Refor­mie­rung (ATR). SMR ist z. Z. das kos­ten­güns­tigs­te Ver­fah­ren. Aller­dings wer­den dabei gro­ße Men­gen CO2 frei­ge­setzt. Zudem fal­len in der Lie­fer­ket­te für Erd­gas erheb­li­che CO2- und Methan­emis­sio­nen an. "Grau" ist Was­ser­stoff“ auch, wenn das Gas per Elek­tro­ly­se aus fos­sil pro­du­zier­tem Strom erzeugt wird. Die Her­stel­lung aus Atom­strom ist gegen­wär­tig umstritten.

BLAUER WASSERSTOFF wird wie grau­er aus Erd­gas in SMR- oder ATR-Anla­gen her­ge­stellt. Ein gro­ßer Teil des anfal­len­den CO2 wird dabei abge­schie­den und unter­ir­disch ein­ge­la­gert (CCS/Carbon Cap­tu­re and Sto­rage). Durch die CO2- und Methan­emis­sio­nen bei För­de­rung und Trans­port des Erd­ga­ses ist blau­er Was­ser­stoff den­noch mit einem erheb­li­chen CO2-Fuß­ab­druck belas­tet. Die Abschei­dung und Ver­pres­sung des CO2 erfor­dert hohe Inves­ti­tio­nen und Betriebs­kos­ten. Zudem ste­hen in Deutsch­land kaum geeig­ne­te unter­ir­di­sche Kaver­nen zur Ver­fü­gung. Das CO2 müss­te über Rohr­lei­tun­gen zu alten Erd­gas­fel­dern trans­por­tiert wer­den, etwa vor Nor­we­gen oder in Russ­land. Ver­pres­sung in die Poren­räu­me tie­fe­rer Erd­schich­ten könn­te uner­wünsch­te Stof­fe aus­tre­ten las­sen und Beben ver­ur­sa­chen. Bei der Ölför­de­rung mit­tels EOR (Enhan­ced Oil Reco­very) ein­ge­press­tes CO2 wird im spä­te­ren Ver­lauf des För­der­pro­zes­ses zum gro­ßen Teil wie­der freigesetzt.

TÜRKISER WASSERSTOFF wird per Methan­py­ro­ly­se (Metha­ne Split­ting) aus Erd­gas her­ge­stellt. Dabei wird Erd­gas ther­misch in einem Hoch­tem­pe­ra­tur­re­ak­tor in sei­ne Bestand­tei­le Was­ser­stoff und Koh­len­stoff zer­legt. Das Ver­fah­ren ist weni­ger ener­gie­ef­fi­zi­ent als SMR, dafür wird beim Pro­duk­ti­ons­pro­zess kein CO2 frei­ge­setzt. Der Koh­len­stoff fällt in fes­ter Form an und lässt sich wei­ter nut­zen (wobei dann je nach Ein­satz spä­ter CO2 frei wer­den kann). Auch hier tre­ten in der Erd­gas-Lie­fer­ket­te erheb­li­che CO2- und Methan­emis­sio­nen auf.

Im Zuge der Ener­gie­wen­de steigt die Nach­fra­ge nach Was­ser­stoff für den Ein­satz in Brenn­stoff­zel­len, als Basis für syn­the­ti­sche Kraft­stof­fe, als Brenn­stoff für die Wär­me­er­zeu­gung und zur Lang­zeit­spei­che­rung von erneu­er­ba­rem Strom. Doch wirk­lich kli­ma­ver­träg­lich ist nur grü­ner Was­ser­stoff und auch dabei sind etli­che Mogel­pa­ckun­gen im Umlauf. Hier kom­men nun die Zer­ti­fi­zie­rer ins Spiel.

Die Zer­ti­fi­zie­rungs­stel­le “Kli­ma und Ener­gie” des TÜV Süd bie­tet die Zer­ti­fi­zie­rung von "Grü­nem Was­ser­stoff" an und ver­gibt dafür ihre bekann­ten blau­en Pla­ket­ten. Die Kri­te­ri­en dafür haben sich die Prü­fer selbst aus­ge­dacht, mit ihrem Com­pli­an­ce Manage­ment Sys­te­me (CMS) 70, nach dem auch die Dampf­re­for­mie­rung von Bio­gas grü­nen Was­ser­stoff ergibt.

Näher an euro­päi­schen Nor­men ist die Brüs­se­ler Fir­ma Cer­tif­Hy, die Her­kunfts­nach­wei­se aus­ge­stellt, die der Erneu­er­ba­re-Ener­gien-Richt­li­nie der EU fol­gen. Eine EU-Norm für nach­hal­tig erzeug­ten Was­ser­stoff gibt es noch nicht. Die Brüs­se­ler Zer­ti­fi­zie­rer ori­en­tie­ren sich am CEN-Stan­dard EN 16325 für den Her­kunfts­nach­weis von Strom („Gua­ran­tees of Ori­gin for Electricity“).

Inter­na­tio­na­len Kri­te­ri­en fol­gend, zer­tifi­ziert CertifHy nur Was­ser­stoff als "grün", des­sen Kli­ma­bi­lanz um min­des­tens 60 Pro­zent bes­ser sein muss als bei der H2-Erzeu­gung aus Erd­gas. Wobei die Brüs­se­ler auch "koh­len­stoff­arm erzeug­ten" Was­ser­stoff als "blau" zer­ti­fi­zie­ren, was dann schon wie­der fast alle Ver­fah­ren ein­schließt, wenn nur eine anschlie­ßen­de CO2-Ver­pres­sung ver­spro­chen wird.

Trotz­dem kön­nen die pri­va­ten Brüs­se­ler Zer­ti­fi­zie­rer einer durch den "Far­ben­zau­ber" der Kon­zer­ne ein wenig in Ver­ruf gera­te­nen Bran­che dezent zu neu­er Glaub­wür­dig­keit ver­hel­fen. So kauft etwa der H2-Tank­stel­len-Betrei­ber H2Mobility durch Cer­tif­Hy zer­ti­fi­zier­ten grü­nen Was­ser­stoff aus den Nie­der­lan­den, um den Anteil an nach­hal­tig erzeug­tem Was­ser­stoff an sei­nen Tank­stut­zen nach­weis­lich zu erhö­hen. Damit könn­te auch das "graue" Gas an Hal­les H2Moblitiy-Tank­stel­le in der Blü­cher­stra­ße ein wenig "grü­ner" werden.

Lite­ra­tur:

  • Bukold, Stef­fen. Blau­er Was­ser­stoff - Per­spek­ti­ven und Gren­zen eines neu­en Tech­no­lo­giefa­dens. Kurz­stu­die für Green­peace Ener­gy. Stutt­gart 2020.
  • http://www.certifhy.eu/
  • http://h2.live/

Foto: Green­peace Energy








 

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