Seit dem 1. Juli bereits läuft der WUK-Sommer unter dem Titel „sehr komische Zeiten“. Premiere hatte dort zum Beispiel „A Midsummer Night’s Dream“ als Hörspiel (Studierendentheater der MLU). In Zusammenarbeit mit dem Puschkino zeigt das WUK-Sommerkino neue Filme wie z. B. den Schlingensief-Film „In das Schweigen hineinschreien“ (28.08.). Am 21. und 22. August war die Berliner Theater- und Performance-Gruppe LUNATIKS mit der Produktion „Blühende Randschaften * Stahl" zu Gast.
Das ist doch alles Kohl
Den ersten Teil des Titels erklärt die Rezensentin hier nicht eigens, jeder mag die Anspielung auf eine berühmte Äußerung selbst deuten. Der zweite Teil des Titels stellt den Bezug zum Stahl- und Walzwerk Brandenburg her. Das seit 1912 produzierende Werk hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich, unter anderem wurde es nach dem Zweiten Weltkrieg vollständig demontiert und im Zuge der Reparationsverpflichtungen in die damalige UdSSR verbracht. Nach dem Neuaufbau produzierte es bis zur Wende und jetzt gehört es zur italienischen Riva-Gruppe. Ein historischer Teil des Werkes ist heute das Industriemuseum Brandenburg an der Havel, das den letzten noch erhaltenen Siemens-Martin-Ofen beherbergt (vor dem LUNATIKS sonst auch spielt, wir hatten nur ein Foto).
Arme DDR
Vier Zeitreisende in goldenen Anzügen besuchen zu verschiedenen Zeiten das Werk und beleuchten so verschiedene Stationen in seiner Geschichte. Die wichtigste ist die DDR-Geschichte: zum einen der Zwang zu Höchstleistungen unter den Bedingungen einer Plan-Mangel-Wirtschaft, zum anderen der Kampf gegen Verkauf und Abwicklung durch die Treuhand nach der Wende. Die Zeitreisenden übernehmen jeweils die Rollen von Akteur*innen mit all ihren Verwicklungen und Beziehungen.
Aufgerollt wird hier ein Stoff, mit dem wir eigentlich durch sind und der bereits der Geschichtsschreibung überlassen wurde. Der Diskurs um das Volkseigentum und den Umgang damit ist längst links überholt worden durch die Gemeinwohlökonomie. Die gewisse DDR-Sentimentalität kann nur ältere Leute erreichen, jüngeren bleibt der Zugang verwehrt. Dass die DDR wirtschaftlich und moralisch verrottet war, geht bei diesem Zugang irgendwie unter.
Endlich wieder Sommertheater
Die Rahmenkonstruktion der Zeitreisenden vermag der Aufführung kaum bühnentaugliche Konsistenz zu geben, den Zuschauer*innen bleibt die Mühe, sich im Gewirr der Sprünge zwischen den Stationen zurechtzufinden. Unterhalten hat sich die Rezensentin trotzdem gut: Ein schöner, warmer Sommerabend endlich mal wieder unter Leuten in einem Sommertheater + die entgegen dem Trend des Insektensterbens übereifrigen Mücken + das Mitleid mit den unter den goldenen Anzügen sicher furchtbar schwitzenden Schauspieler*innen +++ Und last but not least eben die Teilhabe an der oben erwähnten Sentimentalität wider besseres Wissen („der Jugend Zauber für und für …“)
(© Foto: Kira Eilenna)