Am 11. April kamen beim 'Stammtisch Bäuerliche Landwirschaft' in der Goldenen Rose lokale Bio-Produzent*innen mit interessierten Bürger*innen zusammen. In verschiedenen Referaten stellten sich drei Projekte mit ihrem jeweiligen Ansatz vor, bevor es dann gemeinsam beim abschließenden Bio-Buffet gemütlich und schmackhaft wurde. Martin Baatzsch war für die Hallesche Störung vor Ort.

Referentin Helen Pluschke vom "Lochwitzer AllerlEI"
Zunächst stellte die "Hühnerflüsterin" - wissenschaftliche und fachliche "Chefin" der Lochwitzer Hühnerzucht- und Eierfarm "Lochwitzer AllerEi" - die Hintergründe und die Philosophie ihres Projekts vor. Ausgangspunkt des Engagements der vier jungen Frauen, die derzeit den Hühnerhof mit inzwischen nahezu 150 Tieren bewirtschaften, sind die zunehmend unakzeptablen Verhältnisse in der konventionellen Federviehindustrie, wo mit klar "nicht nachhaltigen", rein an Effizienz und ökonomischem Output orientierten Ansätzen und Arbeitsweisen - auf Kosten von Zukunft, von Natur sowie von Mensch- und Tiergesundheit, mit züchterisch einseitig ausgerichteten Hybridrassen Maximalgewinne im Vordergrund stehen.
An Stelle von "viel Ei und Fleisch für billig Geld", ist es der Ansatz von "AllerEi", inspirierte Menschen dazu einzuladen, durch ihre Beteiligung an der Farm in Form eines sog. "Eier-Abos" in Form einer Hühnerpatenschaft mit einem saisonabhängigen Preis zwischen 50 und 60 ct pro Ei vor allem den Hühnern ein natürliches artgerechtes Leben zu ermöglichen. Das Ei wird von den Lochwitzer Produzent*innen nicht mehr primär als "Produkt" angesehen, mit dem auf Kosten des Huhns Profite maximiert werden sollen, sondern es wird als ein Geschenk angesehen, das bei einem gesunden Hühnerleben quasi anfällt und genutzt werden kann. Man könnte auch sagen: "Der Kunde ist für das Huhn da und das Huhn bedankt sich."
Paradigmenwechsel in Sachen Huhn & Ei
Zwei weitere Themen, die diesen "indianischen" Paradigmenwechsel unterstreichen und auch kurz vorgestellt wurden, waren das Konzept "Zweitnutzungshuhn", also die Zucht von Hühnerrassen, bei denen sowohl die Eier als auch das Fleisch "ökonomisch vertretbar" genutzt werden können, und die Bruderhahnaufzucht bei der die Hennen - wenn man so will - mit einem Aufpreis von 4 ct pro Ei die Aufzucht ihrer männlichen Artgenossen "mitfinanzieren", was sich in der konventionellen Hühnerhaltung schon deshalb nicht passiert, weil die Hybridrassen züchterisch so ausgerichtet sind, daß jeweils nur ein Teil der Küken aufgezogen wird: Hennen für besonders viele Eier ODER Hähne für besonders viel Fleisch. Beides zusammen geht nicht. Die Hälfte der ausgebrüteten Küken ist daher wirtschaftlich "wertlos" und wird - ethisch sehr fragwürdig - "entsorgt".
Die alternative Hühnerhaltung steckt in vielversprechenden Anfängen, macht aber neben der Agrarindustrie mit aktuell kaum mehr als 2 % des Gesamtvolumens noch wenig Konkurrenz. Während in konv. Großbetrieben darüber nachgedacht wird, Hühner mit WLAN auszustatten, um ihr Verhalten und ihre Verweildauer im Legenest besser messen und optimieren zu können, setzen Helen Pluschke, Jessica Haby und Nadine Förster (FÖJ) und Luise Floßfeder deren Papa der Hof gehört und der dort auch fleißig imkert, auf Bildungsarbeit, das Entwickeln und Verbessern robuster Hühnerrassen und arbeiten geduldig am Wertewandel und am Kontakt zum Kunden, zum Beispiel am Honigstand von Hermann Floßfeder, mittwochs/freitags auf dem Erzeugermarkt in Halle zwischen Marktkirche und Rotem Turm!
Kontakt: https://lochwitzer-aller-ei.jimdo.com/
haby-jessica@posteo.de oder pluschke.helen@googlemail.com
Neue Ansätze zum Erhalt von Humus- und Biosphäre in der Landwirtschaft

Referent Daniel Fischer von der AG Bäuerliche Landwirtschaft
Als zweites Hauptthema des Abends stellte Daniel Fischer von der AG Bäuerliche Landwirtschaft e.V. das "Klimaschutz und Energiekonzept (KEK) Sachsen-Anhalt" vor. Dieses Referat erinnerte mich sehr an die Ideen des Permakulturpioniers Sepp Holzer aus Österreich - nur eben mit geraderen Linien. Als Ausweg aus der Sackgasse der ver-nutzenden Landnutzung konventioneller Betriebe beschrieb der Referent Konzepte, welche die Tierhaltung und der Pflanzenanbau oder auch Land- und Forstwirtschaft kleinflächig und lokal angepaßt intelligent verbinden. In dieser "Agroforstwirtschaft" werden vielfältige Synergieeffekte geschickt genutzt: Humus kann sich neu aufbauen (Terra Preta), CO2 wird im Boden gebunden, Wind gebremst, Austrocknung und Bodenerosion reduziert, dabei werden Biomasse und Brennstoff erzeugt sowie Schutzräume für Wild- wie auch Haustiere gleichzeitig geschaffen.
So kann mittelfristig auf den in den heutigen Agrarwüsten nötigen Chemieeinsatz verzichtet werden. Interessant ist darüberhinaus die Energiebilanz. Während konventionell für eine output-Kalorie Nahrung 10 Kalorien an meist fossilen Energieträgern (input) hineingepumpt werden müssen, ist im Argroforst oder in der bäuerlichen Landwirtschaft das Verhältnis umgekehrt: für bis zu 5 Kalorien Output ist nur eine Kalorie input erforderlich.
Skepsis beim Bauernverband - Wachsende Offenheit in der Forschung

Agroforstwirtschaft für Boden und Klima © Quelle: Kayser, www.agroforst.de
All das sind bekannte Zahlen und Fakten. Nach Aussage von Daniel werden diese Gedanken vom Bauernverband derzeit jedoch noch mit Skepsis aufgenommen. Extreme Wetterphänomene und Ernteausfälle nehmen aber in den letzten Jahren zu. Tendenzen zur "Risikoland- und Forstwirtschaft" die sonst nur in Ländern wie z.B. der Ukraine im großen Stil relevant sind, betreffen zunehmend auch unsere Region. Daher besteht eine langsam wachsende Offenheit zumindest für Forschung und weitere Experimente. Ein rasant wachsender Biomarkt, der die Nachfrage zum Teil nicht mehr befriedigen kann verstärkt für alle Akteure die Motivation, gemeinsam in diese Richtung weiterzugehen.
Bei allen angesprochenen Schwierigkeiten endete die Veranstaltung somit heiter, positiv und hoffnungsvoll am kleinen Bio-Buffet von Holger Tuch!
Foro oben © Quelle: Kayser, www.agroforst.de