Endlich kommt Ingrid Lausund in Halle an. Ohne dass wir es wussten: Sie hat gefehlt. Am 19. April hatte an der Volksbühne am Kaulenberg Lausunds Stück „Tür auf Tür zu" Premiere. Eine gelungene Inszenierung, auch wenn davon eigentlich nichts zu sehen ist: den größten Teil des Stückes tragen wir ZuschauerInnen Augenbinden – zur Verstärkung des „Kopfkinos“ wie es heißt. Als ZuhörerInnen nun setzen wir uns den Qualen aus, die es mit sich bringt, wen man plötzlich ausgeschlossen ist.
Drei Rollen hat das Stück: die Tür, den Chor (aus Spargründen von nur einer Person als 400-Euro-Job ausgeführt) und eine Frau, über die wir nichts Näheres erfahren.
Die Tür (wir hören ihre Ansage) geht auf und zu, Personen gehen hinein oder kommen heraus. Es entspinnen sich Kurzdialoge, Wortwechsel, Anspielungen. Kommen und Gehen scheint ohne Problem möglich. Für die eine Frau (Anneliz) aber bleibt die Tür plötzlich zu. Warum, wissen wir ebenso wenig, wie sie selbst. Sie nimmt uns in ihre Mutmaßungen und Befürchtungen mit, wird darüber immer unruhiger und verzweifelter, beginnt an ihrem Wert zu zweifeln und fällt schließlich in Panik. Wir sitzen blind und hören den Versuchen von Selbstbehauptung zu, dem Rasen, dem Gerede und den Sprüchen. Alles sehr nah, denn was wir hören, ist uns vertraut und in unserer aller Sprachgebrauch.
Die Augenbinden machen uns hilflos. Wir können uns nicht leicht abgrenzen, müssen blind mitmachen, ausgeliefert und ohnmächtig. Die Sprecher bewegen sich im Raum, ihre Stimmen kommen überraschend aus der Nähe oder der Ferne, wir können ihre Botschaften nicht gut abwehren und kommen dabei unseren eigenen Erfahrungen mit Hilflosigkeit, Ausgeschlosssensein und Ohnmacht nahe. Immerhin bleibt das Lachen über den Witz im Stück und über uns selbst.
„Tür auf Tür zu“ von Ingrid Lausund wurde 2011 in Dusiburg uraufgeführt. Nun also ist es endlich auch in Halle zu sehen (oder besser: zu hören). Unbedingt hingehen!
Die nächste Aufführung findet am 27. April, 19:30 Uhr statt.
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Anneliz, die Frau: Katja Röder
Mayer, die Tür: Paul Sodann
Gustav, der Chor: Jonas Schütte
Konzept, Regie: Dietmar Rahnefeld
Eine Produktion von Kauli e.V., gefördert durch die Stadt Halle(Saale)
Bild: Anna Kolata