Über die Not­wen­dig­keit einer pazi­fis­ti­schen Wen­de - Inter­view mit Prof. Dr. Olaf Weber

Frie­dens­po­li­ti­sche Posi­tio­nen sind aus den Par­la­men­ten der Repu­blik nach Flü­gel­kämp­fen und ideo­lo­gi­schen Kehrt­wen­den ver­schwun­den. Dabei neh­men krie­ge­ri­sche Kon­flik­te und Kriegs­ge­fah­ren per­ma­nent zu - bis hin zu einem ato­ma­ren Sze­na­rio. Der Archi­tek­tur­theo­re­ti­ker Prof. Dr. Olaf Weber hat die Frie­dens­in­itia­ti­ve "Welt ohne Waf­fen" gegrün­det und nutzt die Kunst als Akti­ons­form dafür. Wir spra­chen mit dem ost­deut­schen Ur-Grü­nen aus Wei­mar, der sei­nen pazi­fis­ti­schen Über­zeu­gun­gen treu blieb.

Die Kriegs­ge­fah­ren und auch rea­le Waf­fen­kon­flik­te neh­men seit Jah­ren zu: Syri­en, Jemen, Ukrai­ne.. Wel­ches kon­kre­te Ereig­nis ver­an­lass­te Sie zur Grün­dung einer künst­le­ri­schen Friedensinitiative?

Kein beson­de­res Ereig­nis, son­dern Trau­er über die ver­pass­te Chan­ce, dass sich mit der Auf­lö­sung der bei­den feind­li­chen Blö­cke nach 1990 auch die gro­ße Feind­se­lig­keit auf­lö­sen wür­de. Aber die öko­no­mi­schen und poli­ti­schen Eli­ten wol­len offen­sicht­lich etwas ande­res. Frie­den wür­de hei­ßen, dass sich alle fried­lich ver­hal­ten und abrüs­ten. Lei­der wird aber an vie­len Orten der Welt zur Feind­se­lig­kei­ten auf­ge­ru­fen. Auch uns Bun­des­bür­gern wird sug­ge­riert, dass wir von schwer­be­waff­ne­ten Fein­den bedroht sei­en, vor allem von Russ­land und Chi­na. Aber das ist eine Zweck­lü­ge. Die US-Army ist die mit Abstand stärks­te Armee der Welt, hat mehr als 800 Stütz­punk­te in frem­den Län­dern, die sie nicht für die Ver­tei­di­gung braucht.

Auch uns Bun­des­bür­gern wird sug­ge­riert, dass wir von schwer­be­waff­ne­ten Fein­den bedroht seien..

Die­se Mili­tär­macht führ­te zusam­men mit ande­ren „Wil­li­gen“ seit 1990 min­des­tens drei gro­ße völ­ker­rechts­wid­ri­ge Krie­ge: In Afgha­ni­stan, im Irak und in Liby­en star­ben Mil­lio­nen unschul­di­ge Men­schen, wur­den ver­letzt und ver­trie­ben. Und dage­gen das Feind­bild Russ­land: Russ­land besetz­te völ­ker­rechts­wid­rig die Krim, es gab aber höchs­tens zwei Tote. Chi­na hat seit 200 Jah­ren kei­nen Krieg geführt, wur­de aber nach­ein­an­der von Groß­bri­tan­ni­en, Deutsch­land und beson­ders grau­sam von Japan ange­grif­fen. Zur Ergän­zung sei noch bemerkt, dass sich nach dem Völ­ker­recht natür­lich jedes Land ver­tei­di­gen, kei­nes aber angrei­fen darf.

 

Fragt man Men­schen auf der Stra­ße, wird sich kaum jemand für Krieg und Eska­la­ti­on aus­spre­chen. Trotz­dem sind bei Oster­mär­schen und ande­ren Frie­dens­ak­tio­nen kei­ne Mas­sen wie etwa in den Acht­zi­ger Jah­ren zu bewe­gen. Sind uns die heu­ti­gen Gefah­ren nicht so bewusst wie vor 40 Jahren?

Die meis­ten Men­schen glau­ben noch immer an die Abschre­ckungs­kraft von Atom­bom­ben und dar­an, dass unser west­li­ches Ver­tei­di­gungs­sys­tem, die NATO, die Welt fried­li­cher macht. Doch ande­re Völ­ker sehen das anders. Dort haben die Leu­te Angst vor Bom­ben und Droh­nen. Sie füh­len, dass es kei­ne guten Bom­ben und schlech­te Bom­ben gibt. Wer Frie­den sagt und wei­ter auf­rüs­tet, der hat nichts Gutes im Sinn. Auch uns wür­de eine welt­wei­te Abrüs­tung gut tun, denn die Bedro­hungs­la­ge wür­de gerin­ger sein. Die Migran­ten, die zu uns kom­men, wären nicht traumatisiert.

Die meis­ten Men­schen glau­ben noch immer an die Abschre­ckungs­kraft von Atom­bom­ben und dar­an, dass unser west­li­ches Ver­tei­di­gungs­sys­tem, die NATO, die Welt fried­li­cher macht. Doch ande­re Völ­ker sehen das anders.

Und natür­lich könn­ten wir den Mili­tär­haus­halt kür­zen und frei wer­den­de Gel­der in die Infra­struk­tur, in Bil­dung, Öko­lo­gie usw. ste­cken. Nicht zuletzt wür­den auch unse­re jun­gen Leu­te bei der Bun­des­wehr von ihrem schmut­zi­gen Hand­werk befreit wer­den, töten und zer­stö­ren zu müssen.
Aber die Frie­dens­be­we­gung hat es schwer, gegen die Rüs­tungs­lob­by anzu­kom­men. Die­se erfin­det stän­dig neue Feind­bil­der, um ihre For­de­rung nach der Erhö­hung des Mili­tär­haus­hal­tes durch­zu­set­zen und neue Waf­fen ent­wi­ckeln zu kön­nen. Die Frie­dens­be­we­gung hat zwar gute Argu­men­te, aber offen­sicht­lich kei­ne effek­ti­ven Kanä­le. Mög­li­cher­wei­se muss jede Zeit ihre eige­nen Pro­test­for­men fin­den, wir suchen danach.

Mit wel­che Kunst- und Akti­ons­for­men agie­ren sie in der Öffent­lich­keit und – mit wel­chem Erfolg?

In den Anfangs­jah­ren unse­rer Initia­ti­ve ver­such­ten wir, durch Vor­trä­ge und Podi­ums­dis­kus­sio­nen Erkennt­nis­se über den Zusam­men­hang von Rüs­tung und Krieg zu gewin­nen. Dazu hat­ten wir Gesprächs­part­ne­rin­nen wie Danie­la Dahn oder Chris­ti­ne Schweit­zer ein­ge­la­den. Ab 2019 haben wir dann begon­nen, mit Aktio­nen und Per­for­man­ces auf unser The­ma auf­merk­sam zu machen.
Zum Bau­haus­jahr 2019 haben wir uns mit dem absur­den Slo­gan „Bau­haus raus aus der NATO“ zu Wort gemel­det und im glei­chen Jahr haben wir das Rei­ter­stand­bild des Groß­her­zogs Carl August zu einem Frie­dens­denk­mal umfunk­tio­niert. Bei einem „Rüs­tungs­wett­lauf“ mit zwei Atom­bom­ben-Attrap­pen auf der Schil­ler­stra­ße in Wei­mar haben wir thea­tra­lisch demons­triert, dass die­ser Wett­lauf immer nur die Rüs­tungs­in­dus­trie bereichert.

 

Wor­in könn­te die Chan­ce und beson­de­re Kraft der Küns­te lie­gen, wenn es um Frie­den und Abrüs­tung geht?

Wir ver­su­chen, ein­drucks­vol­le Bil­der zu schaf­fen. Das Pferd des Wei­ma­rer Groß­her­zogs zer­tritt zum Bei­spiel eine Atom­bom­be, deren Ori­gi­na­le tat­säch­lich in Büchel, in der Pfalz, lagern. Wir wol­len mit Musik und Stra­ßen­thea­ter in den Köp­fen der Pas­san­ten etwas in Gang set­zen. Wir haben eine „„Speaker’s Cor­ner for Peace“, also einen Ort des öffent­li­chen Redens über Frie­den und Abrüs­tung , mit einem gro­ßen Red­ner­pult und Mikro­fon ein­ge­rich­tet. Wir wol­len Sym­bo­le pro­du­zie­ren, wel­che gute Argu­men­te mit ein­drucks­vol­len Bil­dern und emo­tio­na­len Asso­zia­tio­nen ver­bin­den kön­nen. Kunst kann manch­mal tie­fer zur Wahr­heit vor­drin­gen als die ver­nünf­tigs­ten Argumente.

Sie bezeich­nen sich selbst als Pazi­fist und sind Mit­glied der Bun­des­ar­beits­ge­mein­schaft (BAG) Frie­den der GRÜNEN. Wel­che Rol­le spie­len pazi­fis­ti­sche Posi­tio­nen heu­te über­haupt noch in die­ser Partei?

Ich habe 1989/90 eine Keim­zel­le der Grü­nen in Wei­mar mit­ge­grün­det. Die Grü­nen waren damals eben grün, unkon­ven­tio­nell und pazi­fis­tisch. Das hat mir impo­niert. Aber es gab immer ver­schie­de­ne Strö­mun­gen - auch in der Fra­ge der mili­tä­ri­schen Rüs­tung. Ich hat­te mich damals mit Vor­den­kern und Abrüs­tungs­ex­per­ten wie Roland Vogt und Uli Cremer befreun­det und war auch Mit­glied im Petra-Kel­ly-Kreis. In den letz­ten Jah­ren ist der pazi­fis­ti­sche Flü­gel lei­der zurück­ge­drängt wor­den. Nach mei­ner Ein­schät­zung umfasst er heu­te etwa noch ein Drit­tel der grü­nen Mit­glie­der, ist also immer noch beachtlich.

Ihre Initia­ti­ve heißt „Welt ohne Waf­fen“ - benennt also eine Maxi­mal­uto­pie. Glau­ben Sie an die zukünf­ti­ge Mög­lich­keit einer anthro­po­lo­gi­schen Wen­de – in der der Mensch zu Ver­nunft und Ein­sicht kommt und den Mas­sen­mord als Kul­tur­tech­nik hin­ter sich las­sen kann?

Es gab wohl immer Kon­kur­renz und Streit, aber nicht immer Krie­ge. Und heu­te ste­hen wir vor der Not­wen­dig­keit nicht nur einer öko­lo­gi­schen, son­dern auch einer pazi­fis­ti­schen Wen­de. Das liegt an den unge­heu­er heim­tü­cki­schen und toxi­schen Waf­fen, den Welt­raum­bom­ben und Kil­ler­ro­bo­tern, den Schwarm­droh­nen, Tarn­kap­pen­bom­bern und Cyber­krie­gen, und auch an der Durch­set­zung der Waf­fen mit aus­ufern­den Geheim­diens­ten. Die Zer­stö­rungs­kräf­te sind nicht mehr kon­trol­lier­bar, wir sind an der Schwel­le auto­ma­ti­scher Krie­ge, deren Sinn völ­lig ver­lo­ren gegan­gen ist.

Der Krieg setzt fast alle zivi­li­sa­to­ri­schen Errun­gen­schaf­ten außer Kraft.
Mili­tär gehört völ­lig abgeschafft.

Das macht etwas sicht­bar, was schon immer das Inhu­ma­ne an Krie­gen war. Im Krie­ge wer­den näm­lich nur Unschul­di­ge getö­tet, unschul­di­ge Zivi­lis­ten und unschul­di­ge Sol­da­ten. Im Krie­ge zie­len die Waf­fen auf „feind­li­che“ Uni­for­men, sie tref­fen aber fast immer unschul­di­ge Men­schen, die in den Uni­for­men ste­cken. Krieg ist außer­ge­richt­li­ches Töten, also Mord. Jedem Ver­bre­cher wird im zivi­len Leben zuge­bil­ligt, sei­ne Unschuld vor Gericht zu bewei­sen, ein ver­meint­li­cher Geg­ner wird aber im Krie­ge ein­fach abge­knallt. Das ist die unmo­ra­li­sche Sei­te vom Mili­tär. Der Krieg setzt fast alle zivi­li­sa­to­ri­schen Errun­gen­schaf­ten außer Kraft. Mili­tär gehört völ­lig abgeschafft.

Wenn ich an die Zukunft der Mensch­heit glau­be, muss ich auf die öko­lo­gi­sche und pazi­fis­ti­sche Revo­lu­ti­on set­zen. Und es tut mir gut, etwas dafür zu tun.

www.weltohnewaffen.de

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