Ein Nachmittag (10.10.) mit Extinction Rebellion (XR) in Berlin – Klimacamp und Aktionen
Vom 5. bis zum 13. Oktober findet in Berlin das Klimacamp der Bewegung Extinction Rebellion (XR) statt. Sie fordert, jetzt den Klimanotstand auszurufen und den Menschen reinen Wein über die reelle Bedrohung einzuschenken. Gehandelt werden müsse sofort. Die Regierung(en) dürften nicht länger allein entscheiden, sondern sollten Bürgerversammlungen einberufen und deren Entscheidungen in die politische Tat umsetzen.
Auf der Wiese zwischen Kanzleramt und Bundestag treffe ich auf das Camp: eine kleine und vollständige Zeltstadt mit funktionierender Infrastruktur. Die Situation ist entspannt und offen, jeder kann ins Camp rein und raus. Über einen XR-Newschannel erfahre ich laufend, was stattfindet, wo „Rebell*innen“ gebraucht werden und wie die Stimmung ist. Gut ist sie, trotz Ermüdung nach kalten und nassen Nächten und vielen Aktionen, und bedrückt nach dem Anschlag auf die hallesche Synagoge am 10.10. Ich sitze zunächst vor der „Stage“ und nehme an einer „Offenen Versammlung“ zu Halle teil: „Wir wollen über Eindrücke und Gedanken reflektieren, unsere Sensibilität fördern und gemeinsam lernen.“ Der Ton ist anders als gewohnt. Keine Betroffenheitsstatements, sondern Sprechen, wie es dir und mir damit gegangen ist, ehrlicher als üblich. Es gibt kein richtig oder falsch, Gefühle und Selbst
ausdruck sind wichtig.
Ich lese von einer Menschenkette am Bundestag und laufe dorthin, finde aber eine Demonstration von Kurden für die YPG (die kurdischen Volksschutzeinheiten). Weiter zur Marshall-Brücke, die seit Mittwoch durchgehend besetzt ist. Rebell*innen lagern auf der Brücke, reden laut und leise, essen, sind einfach beieinander. Fahnen und Spruchbänder künden vom Anliegen. Fußgänger können passieren, schiebende Radfahrer auch, sonst nichts. Unten auf der Spree passieren die Sightseeing-Boote und schicken den Pesthauch ihrer Dieselmotoren zu den Leuten auf der Brücke.
Da ich zu keiner Gruppe gehöre, ziehe ich weiter in die Chausseestraße, Höhe Naturkundemuseum. Dort ist kürzlich eine neue Blockade aufgemacht worden. Blaulichter künden aus der Ferne von der „Aktion“.
Rebell*innen sitzen auf der Straße, auch hier können Fußgänger passieren, Autos nicht. Die Zugänge zur U-Bahn sind offen. Flyer und Infomaterial werden angeboten. Berliner*innen laufen ungerührt weiter, Verkehrschaos in ihrer Stadt sind sie gewohnt. Wenigstens 3,5 % der Bevölkerung sollen erreicht werden – ein kritisches Maß, lese ich auf einem der Flyer, um in der Politik etwas anzuschieben. Ein ergiebiger Schauer stört die Blockade nicht auf, Regenschirme und Rettungsfolien, die auch gegen Auskühlung schützen sollen, werden aufgespannt.
Ich unterhalte mich ein bisschen mit Emma aus Hamburg. Sie erzählt mir von einer Diskussion mit Berlinern, in der von XR konkrete Schritte gegen den Klimawandel gefordert wurden. Etwas ratlos zuckt sie mit den Achseln: das Ziel der Aktionen sei es, eine noch immer zu ignorante Politik und Öffentlichkeit darauf zu stoßen, dass wir JETZT HANDELN müssen.
Auch in Halle existiert eine Ortsgruppe.