Bebauungsplan Nr. 208 „Wohn- und Geschäftsquartier, Böllberger Weg". Das Bild stammt aus dem Entwurf des Architekturbüros Däschler Architekten und Ingenieure.
Eigentlich ist hier die Stadt schon fast zu Ende, wenigstens macht sie eine Pause. Westlich des Böllberger Weges erstrecken sich die Saaleaue mit den Auenwaldresten an den Pulverweiden, der Rabeninsel und weiter die offene Aue Richtung Holleben. Wer hierher kommt, will eine Pause machen: joggen, den Hund ausführen, Angeln oder im Biergarten eine Currywurst kauen. An die Investruine des Sportzentrums auf dem Gelände der ehemaligen Mostschen Schokoladenfarik an der Hafenbahntrasse haben sich die Passant*innen längst gewöhnt. Nun soll das Ärgernis, das zuletzt Graffitibegeisterten einen Platz bot, abgerissen werden. Ein Komplex aus Wohn- und Geschäftsgebäude soll auf dem Gelände errichtet werden. Im Entwurf zum Bebauungsplan, der seit dem 8. April ausliegt und zur Diskussion steht, heißt es: „Mit der Entwicklung besteht die Chance, eine Brache mit einem nie fertiggestellten Rohbau neu zu nutzen und einen weiteren wichtigen Impuls im Kontext der ,Stadt am Fluss‘ zu setzen.“
So weit so gut. Das Areal ist tatsächlich verwahrlost und eine Bebauung sinnvoll. Gegenüber, auf der Ostseite befinden sich etliche ansehnliche Gründerzeithäuser und eine breite Schneise mit einer Gartenanlage. Alles schön gegliedert und weiträumig. Ein ebenso ansehnliches und schön gegliedertes Gegenüber gäbe der Straße ein Gleichgewicht. Was aber soll gebaut werden? Ein massiver Komplex aus etlichen hohen Gebäuden mit einem elfstöckigen Punkthochhaus als Krönung, Tiefgarage, einem Lebensmittelmarkt, Arztpraxen und Wohnungen. Die Planung hat die hallesche Architekturbüro Däschler vorgelegt. Gigantisch.
Die Gier nach Bauland für exklusive Wohnungen hat auch in Halle sprunghaft zugenommen. An der einst beschaulichen Straße „An den Weingärten“, parallel zum Böllberger Weg, sind in letzter Zeit große, z. T. luxuriöse Wohnhäuser entstanden. Das östliche Saaleufer wird oben schon von einer massiven Mauer an Gebäuden abgeriegelt. Nun soll noch ein solcher Komplex daneben hingeklotzt werden. Denn Klötze sind es, wuchtig, massiv, übergroß. Das ist das Problem. Keine Spur von kleinteiliger, ortsangepasster Bebauung. Ironischerweise soll das Quartier „Saalegarten“ heißen. Der Vorentwurf zum Bebauungsplan schwelgt in guten Absichten: Zur sozialen Durchmischung solle das Projekt beitragen, indem Wohnungen unterschiedlicher Größe angeboten würden. Von den zu vermutenden Mieten wird hier geschwiegen, sie werden wohl nur Gutverdienende anziehen.
Der Stadtrat befürwortet die Pläne. Der Vorentwurf zum Bebauungsplan befasst sich ausführlich mit den Vorteilen des Projektes. Selbst die neue Verkehrssituation wird postiv eingschätzt. Dabei ist mit viel zusätzlichem Verkehr zu rechnen. Die Bewohner*innen und der geplanten 200 Wohnungen, die Nutzer*innen der Arztpraxen und Büros werden mit dem Auto ein- und ausfahren, der Supermarkt muss beliefert werden. Der neu ausgebaute Böllberger Weg hat in jeder Richtung nur eine Fahrspur. Schon jetzt stauen sich hier schnell die Autos.
Anwohner*innen haben Ende 2020 eine "Petition für eine bürgerfreundliche Gestaltung statt Blockbebauung am Böllberger Weg" gestartet, die im März im Stadtrat übergeben wurde. Jetzt liegen die Entwürfe zum Bauvorhaben öffentlich aus. Bis zum 7. Mai kann jeder dazu Fragen stellen, seine Meinung und seine Bedenken äußern.
Die Stadt muss diese Bürgeranfragen bearbeiten und auch beantworten. Vollständige Unterlagen zu den Entwürfen zum Bebauungsplan Nr. 208 „Wohn- und Geschäftsquartier, Böllberger Weg“ stellt die Stadt online zur Verfügung:
https://www.halle.de/de/Verwaltung/Stadtentwicklung/Beteiligungsverfahren/?RecID=2667&Redirect=7754
Informationen zum Böllberger Weg, seiner Bebauung und zur Petition:
https://boellbergerweg.de
https://www.instagram.com/boellbergerweg.de/