„Mut­los, zu wenig, zu lang­sam“ - Bau­ern kri­ti­sie­ren Özde­mirs Agrarpolitik

Am heu­ti­gen 8. Dezem­ber 2022 ist Bun­des­land­wirt­schafts­mi­nis­ter Cem Özde­mir ein Jahr im Amt. Die bis­he­ri­ge Bilanz des Minis­ters ist aus Sicht der Arbeits­ge­mein­schaft bäu­er­li­che Land­wirt­schaft (AbL) e.V. ernüchternd. 

„Mut­los, zu wenig, zu lang­sam, zu vie­le Zuge­ständ­nis­se gegen­über der Agrar­in­dus­trie und der Bau­ern­ver­bands­spit­ze“, so fasst AbL-Bun­des­ge­schäfts­füh­rer Georg Jan­ßen das ers­te Jahr Agrar­po­li­tik des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für Ernäh­rung und Land­wirt­schaft (BMEL) unter der neu­en grü­nen Haus­lei­tung zusammen.

Gele­gen­hei­ten, die längst über­fäl­li­gen Ver­än­de­run­gen in der Agrar­po­li­tik und Land­wirt­schaft ein­zu­lei­ten, hät­te es aus Sicht der AbL-Bun­des­vor­sit­zen­den Eli­sa­beth Fre­sen durch­aus gege­ben. „Minis­ter Özde­mir hat­te die gro­ße Chan­ce, die Ver­säum­nis­se der Vor­gän­ger­re­gie­rung bei der Reform der Gemein­sa­men Euro­päi­schen Agrar­po­li­tik (GAP) zu kor­ri­gie­ren, und hat die­se ohne erkenn­ba­re Hal­tung und nen­nens­wer­te Ver­bes­se­run­gen ein­fach zie­hen las­sen. Mehr noch, er hat der Spit­ze des Bau­ern­ver­ban­des nach­ge­ge­ben und Aspek­te der Nach­hal­tig­keit, wider bes­se­ren Wis­sens, hin­ter eine Aus­wei­tung der Pro­duk­ti­on gestellt.“ Fre­sen fährt fort: „Aktu­ell pro­fi­tie­ren von der GAP ein­mal mehr vor allem indus­tria­li­sier­te Groß­be­trie­be, nicht die bäu­er­li­che Land­wirt­schaft mit ihren wert­vol­len Leis­tun­gen für leben­di­ge länd­li­che Räume.“

„Minis­ter Özde­mir hat­te die gro­ße Chan­ce, die Ver­säum­nis­se der Vor­gän­ger­re­gie­rung bei der Reform der Gemein­sa­men Euro­päi­schen Agrar­po­li­tik (GAP) zu kor­ri­gie­ren, und hat die­se ohne erkenn­ba­re Hal­tung und nen­nens­wer­te Ver­bes­se­run­gen ein­fach zie­hen lassen."

Eine eben­so schlech­te Bilanz zieht der AbL-Vor­sit­zen­de Mar­tin Schulz beim Umbau der Tier­hal­tung. „Mit den Vor­schlä­gen der Bor­chert-Kom­mis­si­on lag bei Amts­an­tritt des Minis­ters ein schlüs­si­ges und breit getra­ge­nes Gesamt­kon­zept für einen gesell­schaft­lich akzep­tier­ten Umbau der Tier­hal­tung samt Kenn­zeich­nung vor. Anstatt die­ses umzu­set­zen, hat die Haus­lei­tung des BMEL sich dafür ent­schie­den Kli­en­tel­po­li­tik für weni­ge zu machen. Ganz nach dem Vor­bild der Vor­gän­ger­re­gie­rung, nur in Grün. Gleich­zei­tig nimmt sie bil­li­gend in Kauf, dass eine durch­aus nöti­ge Reduk­ti­on von Tier­zah­len durch die mas­sen­haf­te Auf­ga­be bäu­er­li­cher Betrie­be von­stat­ten geht. Auch hier sind die Pro­fi­teu­re agrar­in­dus­tri­ell auf­ge­stell­te Tier­hal­tungs­be­trie­be im In- und Ausland.“

AbL-For­de­run­gen an den Minister

Die AbL for­dert Minis­ter Özde­mir auf, für sein zwei­tes Amts­jahr einen agrar­po­li­ti­schen Akti­ons­plan auf­zu­le­gen, der min­des­tens die fol­gen­den Punk­te umfasst:

  • Wei­ter­ent­wick­lung des GAP-Stra­te­gie­pla­nes durch Ein­füh­rung einer gerech­ten Ver­tei­lung der För­der­mit­tel anhand einer Staf­fe­lung nach Betriebs­grö­ße sowie eine Stei­ge­rung des Bud­gets zur Ent­loh­nung von Umwelt-, Kli­ma- und Tier­wohl­leis­tun­gen und eine Stär­kung von Grünlandbetrieben.
  • Umbau der Tier­hal­tung im Sin­ne der Bor­chert-Kom­mis­si­on mit einer Per­spek­ti­ve für alle tier­hal­ten­den Betrie­be durch eine Aus­wei­tung der Kenn­zeich­nung auf alle Tier­ar­ten sowie ein soli­des und für die Betrie­be lang­fris­tig ver­trag­lich abge­si­cher­tes Finan­zie­rungs­kon­zept. Was Wirt­schafts­mi­nis­ter Robert Habeck mit sei­nen Kli­ma­schutz­ver­trä­gen für die Indus­trie machen will – 15 Jah­res­ver­trä­ge über Inves­ti­ti­ons- und Betriebs­kos­ten für die Umstel­lung auf mehr Kli­ma­schutz – muss Minis­ter Özde­mir für den Umbau der Tier­hal­tung anbieten.
  • Kon­se­quen­ter Kli­ma­schutz durch Wie­der­ver­näs­sung von Moo­ren bei gleich­zei­ti­ger Sicher­stel­lung einer wirt­schaft­li­chen Per­spek­ti­ve für die betrof­fe­nen Betrie­be sowie die Sicher­stel­lung einer aus­rei­chen­den wirt­schaft­li­chen Teil­ha­be am Aus­bau der Erneu­er­ba­ren Ener­gien für bäu­er­li­che Betriebe.
  • Sicher­stel­lung der Rein­hal­tung von Luft und Was­ser durch eine deut­li­che Reduk­ti­on der Stick­stoff­über­schüs­se anhand einer ver­ur­sa­cher­ge­rech­ten, ein­zel­be­trieb­li­chen Umset­zung der Dün­ge­ver­ord­nung auf Basis einer sach­ge­rech­ten Novel­lie­rung der Stoff­strom-bilanz­ver­ord­nung. Betrie­be, die deut­lich bes­ser sind als der gesetz­li­che Min­dest­stan­dard, sind hier­für zu entlohnen.
  • Kla­re Posi­tio­nie­rung für den Erhalt einer gen­tech­nik­frei­en Land- und Lebens­mit­tel­wirt­schaft durch eine stren­ge Regu­lie­rung der Neu­en Gen­tech­nik und eine pro­ak­ti­ve Ver­tre­tung die­ser Posi­ti­on inner­halb der EU.
  • Sicher­stel­lung von gerech­ten Erzeu­ger­prei­sen und Markt­re­geln in Kri­sen­zei­ten durch Fest­schrei­bung von Lie­fer­ver­trä­gen zwi­schen Erzeu­gern und Ver­ar­bei­tern mit der Fest­le­gung von Men­gen, Qua­li­tä­ten, Zeit­räu­men und Min­dest­prei­sen samt Zuzah­lun­gen für Nach­hal­tig­keit auf Basis der Arti­kel 148 und 210a der Ver­ord­nung über eine gemein­sa­me Orga­ni­sa­ti­on der Agrar­märk­te der EU (GMO).
  • Stopp von außer­land­wirt­schaft­li­chen Inves­to­ren auf dem land­wirt­schaft­li­chen Boden­markt und För­de­rung des Zugangs zu Acker- und Grün­land­flä­chen für Exis­tenz­grün­der sowie Betrie­be mit wenig Eigen­land durch eine kla­re Posi­ti­on das die Aus­lö­se­schwel­le der Grund­er­werb­steu­er bei Anteils­käu­fen wei­ter abge­senkt, und die Ein­füh­rung einer Frei­be­trags­re­ge­lung für Exis­tenz­grün­der beschlos­sen, wer­den muss.
  • Erar­bei­tung einer flä­chen­de­cken­den und lang­fris­ti­gen Pflan­zen­schutz­mit­tel­re­duk­ti­ons­stra­te­gie, die nicht ein­sei­tig auf Ver­bo­te setzt, son­dern die betrof­fe­nen Bäue­rin­nen und Bau­ern mit­nimmt und ihnen einen lang­fris­ti­gen und ver­läss­li­chen Rah­men bietet.

Laut und aktiv auf der Demo "Wir haben es satt"

Vom 8.12.2022 bis zum 10.12.2022 wird die AbL auf ihrer agrar­po­li­ti­schen Jah­res­ta­gung und Mit­glie­der­ver­samm­lung die oben genann­ten The­men bera­ten und ver­tie­fend behandeln.

Für Eli­sa­beth Fre­sen ist gleich­wohl schon jetzt klar: “Die AbL hat sich schon immer mit kon­struk­ti­ven Lösungs­vor­schlä­gen an der agrar­po­li­ti­schen Debat­te betei­ligt und wird dies auch wei­ter­hin tun. Bun­des­land­wirt­schafts­mi­nis­ter Cem Özde­mir muss im kom­men­den Jahr aber sicher­lich damit rech­nen, dass wir uns lau­ter und kri­ti­scher zu Wort mel­den als bisher.“

Eine gute Gele­gen­heit bie­tet aus Sicht der AbL-Vor­sit­zen­den hier­zu die Demons­tra­ti­on „Wir haben es satt!“, wel­che am 21.01.2023 in Ber­lin statt­fin­den wird.

 

Foto oben: Eli­sa­beth Fre­sen (Arbeits­ge­mein­schaft bäu­er­li­che Land­wirt­schaft) spricht bei Demo für eine Agrar­wen­de in Ber­lin, 18.01.20  Foto: Ste­fan Mül­ler (cli­ma­te) / wiki­me­dia commons

 

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