Wol­len wir dar­auf wirk­lich ver­zich­ten? Heil­prak­ti­ker­be­ruf auf dem Prüfstand

Heil­prak­ti­ker decken als nicht­ärzt­li­che Säu­le des Gesund­heits­we­sens ein brei­tes Spek­trum an Behand­lun­gen und The­ra­pien ab. Zu den gefrag­tes­ten zäh­len Aku­punk­tur, Homöo­pa­thie, Osteo­pa­thie und vie­le For­men der Psy­cho­the­ra­pie. Doch die­ser Reich­tum an Wis­sen und Metho­den der so genann­ten Kom­ple­men­tär­me­di­zin ist gefähr­det. Die Bun­des­re­gie­rung lässt die Abschaf­fung des Heil­prak­ti­ker­be­ru­fes prü­fen. Robert Ist­van (Name von der Redak­ti­on geän­dert) arbei­tet als nie­der­ge­las­se­ner Heil­prak­ti­ker in Sach­sen. Er sprach mit uns über sei­nen Beruf und sei­ne Berufung.

 

Die Bun­des­re­gie­rung prüft in einem Rechts­gut­ach­ten die Mög­lich­keit, den Heil­prak­ti­ker­be­ruf nicht zur zu refor­mie­ren, son­dern sogar ganz abzu­schaf­fen. Was den­ken Sie über die­sen poli­ti­schen Vor­stoß gegen Ihren Berufsstand?

Die Grün­de, die nach mei­nem Wis­sens­stand dafür auf­ge­führt wer­den, erach­te ich als halt­los. Nach mei­nen Infor­ma­tio­nen ist eine (gene­rel­le) Gefähr­dung der Pati­en­ten durch Heil­prak­ti­ker mit belast­ba­ren Zah­len nicht beleg­bar. Ent­spre­chen­de Stu­di­en sind von den Heil­prak­ti­ker­ver­bän­den ver­an­lasst und lie­gen zum Teil schon vor. Das Behand­lungs­feld von Heil­prak­ti­kern ist gesetz­lich klar begrenzt und vie­le schwe­re Erkran­kun­gen dür­fen von ihnen gar nicht behan­delt wer­den. Zudem dür­fen sie kei­ner­lei Medi­ka­men­te ein­set­zen, die auf­grund ihrer Wirk­kraft und der Schwe­re ihrer Neben­wir­kun­gen einer Ver­schrei­bungs­pflicht unter­lie­gen. Allein das ver­rin­gert das Risi­ko schwe­rer Behand­lungs­feh­ler. Oft wird die Kri­tik geäu­ßert, dass Heil­prak­ti­ker für ihre the­ra­peu­ti­sche Arbeit nicht genü­gend gut ärzt­lich aus­ge­bil­det sind. Auch das ist irreführend.

"Unser Berufs­stand hat nur dann eine Berechtigung,
wenn wir mit Metho­den erfolg­reich arbeiten,
die sich von der Schul­me­di­zin unterscheiden."

Zum einen muss jeder Heil­prak­ti­ker in einer Prü­fung nach­wei­sen, dass er gefähr­li­che Erkran­kun­gen sicher erken­nen kann und damit weiß, wo er an die ärzt­li­chen Kol­le­gen abge­ben muss. Gleich­falls müs­sen Heil­prak­ti­ker durch zer­ti­fi­zier­te Aus- und Wei­ter­bil­dun­gen ihrer Sorg­falts­pflicht nach­kom­men. Die Recht­spre­chung for­dert dies für jede ange­wand­te Metho­de. Wenn Heil­prak­ti­ker inva­siv arbei­ten, müs­sen sie gegen­über dem Gesund­heits­amt die Hygie­ne­stan­dards nach­wei­sen, die auch den ärzt­li­chen Pra­xen und Kran­ken­häu­sern auf­er­legt sind. Zum ande­ren wol­len Heil­prak­ti­ker ja gar kei­ne Ärz­te sein. Unser Berufs­stand hat nur dann eine Berech­ti­gung, wenn wir mit Metho­den erfolg­reich arbei­ten, die sich von der Schul­me­di­zin unter­schei­den. Dafür ist der Heil­prak­ti­ker­be­ruf erschaf­fen wor­den. Vie­le Ärz­te sind umge­kehrt in die­sen Metho­den auch nicht ausgebildet.

In den Medi­en wer­den 'Schul­me­di­zin' und 'Alter­na­ti­ve The­ra­pie­rich­tun­gen' häu­fig als unver­söhn­li­che Pole dar­ge­stellt. Wie erle­ben Sie in Ihrer Arbeit oder auch pri­vat das Ver­hält­nis zwi­schen bei­den Sphären?

Mögen Sie lie­ber Som­mer- oder Win­ter­klei­dung? Oder möch­ten Sie den Umstän­den ent­spre­chend ent­schei­den, was gera­de bes­ser passt? Es gibt nur eine Medi­zin und sie ist dadurch gekenn­zeich­net, dass sie den Men­schen hilft. Wer heilt, hat Recht. Die Schul­me­di­zin hat es im Bereich schwers­ten Erkran­kun­gen und Not­fäl­le zu einer segens­rei­chen Kön­ner­schaft gebracht. Oft kom­men aber in mei­ne Pra­xis Men­schen, für deren Beschwer­den kei­ne kla­re schul­me­di­zi­ni­sche Dia­gno­se gestellt wer­den kann.

"Es gibt nur eine Medizin
und sie ist dadurch gekennzeichnet,
dass sie den Men­schen hilft."

Vie­le Stö­run­gen lie­gen nicht in, son­dern zwi­schen den Orga­nen, in den fei­nen Steu­er­sys­te­men der Bin­de­ge­we­be und Ner­ven­net­ze. Dafür gibt es oft noch kei­ne wis­sen­schaft­li­chen Erklä­run­gen oder The­ra­pie­an­sät­ze. Die Chi­ne­sen bei­spiels­wei­se arbei­ten mit die­sen Sys­te­men gleich­wohl seit Jahr­tau­sen­den erfolg­reich. Eine Hal­tung "Was ich nicht ver­ste­hen kann ist Quatsch und schäd­lich." ist sicher­lich selbst schäd­lich. Wie vie­le neue Erkennt­nis­se kom­men von außer­halb des Wis­sen­schafts­be­triebs, aus uralter Beob­ach­tung und kön­nen erst nach und nach erklärt wer­den. Wol­len wir dar­auf wirk­lich verzichten?

War­um und auf wel­chem Aus­bil­dungs­we­ge sind sie selbst Heil­prak­ti­ker gewor­den? Haben Sie sich bewusst gegen ein Medi­zin­stu­di­um entschieden?

Ich habe mit Anfang 20 kör­per­en­er­ge­ti­sche Hei­l­er­fah­run­gen gemacht, die abso­lut fas­zi­nie­rend waren, auch wenn sie wis­sen­schaft­lich nicht erklärt wer­den konn­ten. Die­sen Din­gen woll­te ich mich wid­men, um sie mir für mich selbst und für mei­ne Arbeit best­mög­lich anzu­eig­nen. Mir war klar, dass ich das auf kei­ner Uni­ver­si­tät ler­nen konn­te. So mach­te ich -neben dem Erler­nen ent­spre­chen­der Tech­ni­ken- eine Aus­bil­dung zum Phy­sio­the­ra­peu­ten, um mir ein ein schul­me­di­zi­ni­sches Fun­da­ment zu geben, und die Heil­prak­ti­ker-Aus­bil­dung, um für mei­ne Arbeit einen guten recht­li­chen Rah­men zu schaffen.

Wel­che Fol­gen hät­te ein Heil­prak­ti­ker-Aus für die The­ra­pie­frei­heit und The­ra­pie­viel­falt – und nicht zuletzt für die 47.000 Berufskolleg*innen in Deutschland?

Ich kann mir nicht vor­stel­len, dass bereits bestehen­de Berufs­stän­de ange­tas­tet wer­den kön­nen. Einer zukünf­ti­gen Welt jedoch, in der nur noch eine sehr eng defi­nier­te und aner­kann­te the­ra­peu­ti­sche Sicht­wei­se gel­ten wür­de, mög­li­cher­wei­se noch von wirt­schaft­li­chen Inter­es­sen beein­flusst, sehe ich mit Sor­ge entgegen.

In den letz­ten Jah­ren demons­trier­ten zum Bei­spiel Heb­am­men, Phy­sio­the­ra­peu­ten oder Pfle­ge­kräf­te laut­stark für den Erhalt ihrer Pra­xen oder die Ver­bes­se­rung ihrer Arbeits­be­din­gun­gen. Ist eine Heil­prak­tiker­de­mo vor dem Gesund­heits­mi­nis­te­ri­um eine Opti­on?

Das bes­te Argu­ment für uns Heil­prak­ti­ker; die bes­te Wer­bung für unse­ren Beruf, ist eine gute, erfolg­rei­che Arbeit mit unse­ren Pati­en­ten. Dar­an haben wir alle ein Inter­es­se und in die­sem Sin­ne sehe ich auch unse­re Heil­prak­ti­ker­ver­bän­de wirken.

Inter­view: Jörg Wunderlich

 


Peti­ti­on an die Bun­des­re­gie­rung – schon 200.000 Unterstützer*innen

Wir for­dern den Erhalt des Heil­prak­ti­ker­be­ru­fes und sei­nes Kom­pe­tenz­spek­trums! Er muss als frei­er Heil­be­ruf bewahrt und unter­stützt wer­den! Wir tre­ten ein für ein frei­es Mit­ein­an­der der Heil­prak­ti­ke­rIn­nen mit allen the­ra­peu­tisch Täti­gen zum Woh­le der PatientInnen!

https://www.change.org/o/proheilpraktiker








 

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