Auch in Sachsen-Anhalt fanden zu Ostern wieder mehrere traditionelle Ostermärsche der Friedensbewegung statt, so in Halle (Saale) sowie in Wohlmirstedt bei Magdeburg.
Mehr als einhundert Menschen fanden sich in Halle zu einer Kundgebung vor der Marktkirche ein, um anschließend gemeinsam durch die Innenstadt in Richtung Rathenauplatz zu ziehen. Bundesweit demonstrierten Menschen in 120 Städten an den Ostertagen für Frieden.
Bei einem Zwischenstopp auf dem August-Bebel-Platz wurden unter Applaus einige Forderungen des bundesweiten Aufrufes verlesen: Eine grundlegende Abkehr von Kriegslogik und Militarisierung, die Aufforderung an die Bundesregierung, sich für Abrüstung und Diplomatie einzusetzen und dazu beizutragen, dass die Waffen in den weltweiten Kriegsgebieten schweigen. Weiterhin die Aufarbeitung von Kriegsverbrechen sowie Asyl für alle Menschen, die vor Kriegen fliehen oder sich diesen zu entziehen versuchen.
Die örtliche Attac-Gruppe war dem bundesweiten Aufruf des Netzwerk Friedenskooperative gefolgt und hatte die Demonstration unter dem zentralen Motto „Jetzt erst Recht – gemeinsam für Frieden“ angemeldet. Das Rahmenprogramm entstand in Zusammenarbeit mit der Friedenswerkstatt in der Marktgemeinde.
Kriegslogik führt zum Krieg
Ein Eröffnungsredner zählte all die vielen roten Linien auf, welche die Politik in den letzten 15 Jahren bewusst überschritt, um eine militaristische „Zeitenwende“ vollziehen zu können:
Angefangen von Ex-Bundespräsident Horst Köhler, der im Jahr 2010 Auslandseinsätze der Bundeswehr zur „Absicherung von Handelswegen“ gefordert hatte – über die „Kriegstüchtigkeits“-Forderung von Bundesverteidigungsminister Pistorius bis zur Bundesbildungsministerin, welche die Kinder im Schulunterricht auf den Kriegsfall vorbereiten möchte. Eine derartige kriegerische Politik aber folge und befördere die Logik des Krieges, die unweigerlich zu Leid und Zerstörung führe.
Was aber Krieg für die Zivilbevölkerung bedeuten kann, verdeutlichte eindrucksvoll eine akustische Einspielung aus den Boxen: Eine Zeitzeugin aus Halle berichtete in bewegenden Worten vom Tod ihrer Geschwister nach der Flucht der Familie vor der Front im Jahr 1944. Die Songs der internationalen Friedensbewegung begleiteten die Demonstranten dann lautstark bei ihrem anschließenden Weg durch die Innenstadt.
Auftakt mit Kant
Zuvor konnten die Teilnehmer die Gelegenheit wahrnehmen, sich bei einer Auftaktveranstaltung im Stadtmuseum im Rahmen des Themenjahres „Streitkultur“ mit den Begriffen 'Aufklärung' und 'Pazifismus' auseinanderzusetzen. Pfarrer Peter Kube vom Friedensgebetkreis der Marktgemeinde betonte dort in einem Beitrag den Impuls durch Immanuel Kant auch für die Entstehung einer Friedenstheologie - im Sinne einer Gerechtigkeit, die sich im Namen des Lebens manifestiere. Forderungen nach Friedensverhandlungen, wie sie auf Ostermarschplakaten zu lesen seien, so Kube, sollten sich dieser höheren Gerechtigkeit zuordnen, auf welche sich bereits Kant berufen habe.
Eine Vertreterin der Halleschen BI „Dialog für Frieden und Demokratie“ bezog sich ebenfalls auf Kant und zitierte aus dessen Schrift „Zum ewigen Frieden“ für die Fragestellung, wie Aufklärung zum Frieden beitragen könne. Als entscheidend sehe sie dabei die Rechtsstaatlichkeit als Voraussetzung für die Friedensfähigkeit und die Beziehungen von Staaten an. Laut Kant sei Frieden nur möglich zwischen Staaten, die der rechtsstaatlich organisiert sind, „denn wenn sie der Willkür unterliegen“, seien sie nicht vertrauenswürdig, „dann ist kein Frieden mit ihnen zu machen.“ Diese Maxime folgend müsse innerstaatlich die Gewaltenteilung und die unabhängige Justiz erhalten bleiben, damit Frieden herrsche. Weiterhin müsse zwischenstaatlich weiter an rechtlichen Bindungen gearbeitet werden, auf denen der Friedenszustand beruhe. Niemals abbrechen dürfe man zu dem zu dem kulturelle Verbindungen, um nicht in vorzivilisatorische kriegerische Auseinandersetzung zurückzufallen.
Abschluss mit Friedenskonzert
Trotz einer überschaubaren Zahl von Teilnehmenden zeigten sich die Veranstalter zufrieden über die gelungene Wiederbelebung eines Ostermarsches in Halle, der ohne Störungen oder Provokationen verlief. Die Polizei verhielt sich freundlich und kooperativ und erhielt einen dankbaren Aplaus der Versammelten. Für Nachdenklichkeit sorgte dennoch die Wortmeldung einer Teilnehmerin, wonach sie einige Menschen kenne, die inhaltlich voll hinter den Forderungen des Ostermarsches stünden, aber aus Angst vor Repression nicht daran teilnehmen würden.
Im Anschluss waren die Teilnehmer des Ostermarsches zu einem Mitsing-Friedenskonzert in die Pauluskirche eingeladen. Bekannte regionale Künstlerinnen und Künstler, darunter Klaus Adolphi, Anna Maria Zinke und Akki Schulz hielten für das Programm Songs von „Sag mir wo die Blumen sind", "Imagine“ bis „We shall overcome“ bereit.
Friedensbewegung wird stärker
Ostermärsche gab es in der Bundesrepublik bereits in den 1960er Jahren. Ihren Höhepunkt hatten sie während des hochgefährlichen Wettrüstens im Kalten Krieg der 1980-er Jahre. Im Zuge der US-geführten westlichen Interventionskriege der 1990er und 2000er Jahre erlebten sie dann eine Renaissance. Aus der ursprünglichen Friedensbewegung gingen zahlreiche Initiativen und Organisationen hervor wie die DfG-VK, die bis heute besteht und deren Fahne auch auf dem Halleschen Ostermarsch zu sehen war. Auch das aufrufende Netzwerk Friedenskooperative zeigte sich zufrieden über den Erfolg der diesjährigen Ostermärsche. Immerhin hätten sich bundesweit 25.000 Menschen in 120 Städten beteiligt. Und im Gegensatz zu zurückliegenden Jahren wurden diese nicht länger von der Politik ignoriert. Spitzenpolitiker wie Bundeskanzler Scholz, Außenministerin Baerbock oder Oppositionschef März nahmen in den Medien offiziell Stellung zu den zivilgesellschaftlichen Protesten.
Bei einer Videokonferenz des Netzwerkes unmittelbar nach den Ostermärschen konstatierten Initiatoren aber auch eine "tiefgreifende Zersplitterung" der Friedensbewegung als Ergebnis real stattfindender Eskalationen. Die Teilnehmer sprachen sich unter anderem dafür aus, in der künftigen Arbeit vor Ort stärker an Initiativen wie "Mayors for Peace" anzuknüpfen, um eine breitere Wirksamkeit zu erzielen. Um die Akzeptanz der Friedensbewegung insgesamt zu erhöhen, könne und müsse man auf die im Grundgesetz niedergelegte Friedenspflicht laut Art. 26 GG verweisen und diese lautstark einfordern.
Fotos: Gerrit Heber CC BY 4.0
Toller Artikel. Danke dafür, für Eure unermüdliche Arbeit und liebe Grüße aus Magdeburg. 🙂
https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/ostermaersche-krieg-frieden-wolmirstedt-breitenstein-100.html
https://www.friedenskooperative.de/ostermarsch-2024/reden/david-schliesing-wolmirstedt
https://www.friedenskooperative.de/termine/fahrradtour-zum-ostermarsch-sachsen-anhalt-2024-in-wolmirstedt
https://www.rosalux.de/veranstaltung/es_detail/MDYEP/konzert-beim-ostermarsch-2024
https://www.youtube.com/watch?v=PW6dSBF5nN4
https://www.youtube.com/watch?v=hm7Ab0sMe0E
Mal wieder ein richtig guter Artikel.
Das gibt ja fast schon genug Schub, das in 2025 wieder zu versuchen.
Gründe werden sich schon finden.
Liebe Grüße aus dem Harz, der am Ostermontag seinen ersten Ostermarsch für den Frieden im Wald erlebt hat.